Scholten geht in die Offensive - Mülheimer OB will im Amt bleiben

Oberbürgermeister Ulrich Scholten wehrt sich gegen die Vorwürfe. Foto: Schernstein
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Seit in der letzten Woche Untreue-Vorwürfe gegen Oberbürgermeister Ulrich Scholten laut geworden sind, überschlagen sich die Ereignisse. Ulrich Scholten, der seit einer Rücken-OP und dem überraschenden Tod seiner Frau vor fünf Wochen krank geschrieben war, soll laut Rechnungsprüfungsamt auf Bewirtungsbelegen nicht immer vermerkt haben, mit wem und zu welchem Anlass auf Kosten der Stadtkasse gespeist wurde. Somit bestehe ein Anfangsverdacht der Untreue. Kämmerer Frank Mendack, der gemeinsam mit Dezernent Ulrich Ernst und Dr. Frank Steinfort letzte Woche die Fraktionen darüber informierte, beauftragte die Märkische Revision, die Spesenbelege des OBs der letzten zwei Jahre zu prüfen. Voraussichtlich bis zu vier Wochen kann dies dauern.

Am gestrigen Dienstagabend - nach Redaktionsschluss - traf sich deshalb der Unterbezirksvorstand der SPD zu einer Krisensitzung, in der der OB, der um sein Amt kämpfen will, Rede und Antwort stehen wollte.

Im Rahmen der öffentlichen Diskussion um den Untreue-Verdacht gegen Oberbürgermeister Ulrich Scholten, die auch die SPD selber spaltet, wurde bekannt, dass SPD-Fraktionsvorsitzender Dieter Spliethoff und SPD-Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler dem OB sogar mehrfach den Rücktritt nahegelegt haben sollen. Man sei unzufrieden mit seiner Amtsführung. Neben der fachlichen Kritik wurden auch persönliche Vorwürfe lanciert - zu lange Mittagspausen, oft begleitet von Alkoholgenuss, bis hin zu einer Affäre innerhalb der Stadtverwaltung.

Mangelnde Transparenz vorgeworfen

Es ist schmutzige Wäsche, die da gerade gewaschen wird. Fast schon geraten die formalen Vorwürfe in den Hintergrund. Dabei sollte auch hier zunächst die Unschuldsvermutung gelten: Erst einmal muss bewiesen werden, dass der Oberbürgermeister sich private Essen von der Stadtkasse hat bezahlen lassen. Zu lax in der Ausstellung ist seine Spesenabrechnung aber wohl gewesen: Wie die WAZ berichtete, rügte das Rechnungsprüfungsamt bereits 2017 mangelnde Transparenz bei den Belegen an. Warum der OB - oder sein zuständiges Referat - diese Transparenz bisher nicht eindeutig herstellen konnte, ist sicher zu hinterfragen.

Auch die Staatsanwaltschaft Duisburg prüft nun aufgrund der öffentlichen Berichterstattung die Unregelmäßigkeiten. Die Bezirksregierung als kommunale Aufsicht ist von der Stadtverwaltung in der letzten Woche über die möglichen Unregelmäßigkeiten informiert worden.

In der vergangenen Woche ist Scholten, immer noch offiziell krank geschrieben, zunächst in die Defensive geraten. Inzwischen wurde ihm von Bodo Hombach der PR-Berater Thomas Hüser zur Seite gestellt, als rechtlichen Beistand vertritt ihn nun Dr. Thomas Hermes von der Essener Kanzlei Holthoff-Pförtner.

Am Wochenende ging der OB in die Offensive und nahm in einem ausführlichen WAZ-Interview Stellung zu den Vorwürfen. Bereits in dieser Woche erschien Scholten wieder im Rathaus. Für alle öffentlich sichtbar mit einer ausführlichen persönlichen Erklärung auf der Internetseite der Stadt. "Schicksalsschläge wie der plötzliche Tod meiner Frau oder eigene Krankheit verursachen Blessuren an Körper und Seele. Aber die Mülheimer haben mir bei den Wahlen in 2015 ihr Vertrauen gegeben. Ich kann, ich will und ich werde mein Amt als Oberbürgermeister Mülheims wieder aufnehmen."

In der Stellungnahme bezeichnet Scholten die Kampagne gegen sich als Intrige, die ihn zermürben solle. Doch er wolle kämpfen, vor allem um seine Würde, das Vertrauen der Mülheimer Bürger und einen anständigen Umgang in seiner Partei. Inszenierte Hetzjagd auf Menschen dürfe nicht politisches Instrument werden.

"Budgets immer eingehalten"

Zu den Vorwürfen der Spesenabrechnung schreibt er: "Aus Sicht der Verwaltung war mein Verhalten bisher immer rechtmäßig. Weil die Regeln unklar waren - und sind - war es meine Haltung, dass ich rechtlich auf der sicheren Seite bin, wenn ich die Budgets strikt einhalte und die Mittel immer maßvoll verwende. Auch deshalb habe ich nie ein Problem gesehen. Ein rechtliches gab es ja auch nie. Es wäre aber besser gewesen, hinter jedem Beleg auch immer den Namen oder den Verwendungszweck zu schreiben. In der Vergangenheit wurde in der Regel nur die gesamte Abrechnung des Kreditkarteninstituts eingereicht. Aus meiner Sicht ist es deshalb kein Problem, diese Praxis ab sofort zu ändern."

Die Benutzung der Dienstkreditkarte sei immer ausschließlich dienstlich begründet. Es seien keine privaten Ausgaben getätigt worden. Ihm bekannt gemachte Buchungsfehler seien sofort korrigiert worden. "Im letzten Jahr gab es einen Hinweis des Rechnungsprüfungsamtes, die bisherige Praxis zu verbessern. Das wurde in Teilen umgesetzt. Bis heute liegen mir selbst noch keine prüfungsfähigen Unterlagen vor."
Scholten begrüßt die Einlassung der Staatsanwaltschaft, da er von dieser Institution die bisher vermisste Fairness und Korrektheit erwartet. "Das kann ich von Prüfenden, die sehr eng mit den Anschuldigern verflochten sind, leider nicht erwarten. Die Märkische Revision prüft auch diverse städtische Gesellschaften. Vielleicht kann man in diesem Zusammenhang auf eine Prüfungsgesellschaft zurückgreifen, die noch nie im Mülheimer Kontext tätig war." Wenn nach staatsanwaltlicher Vorermittlung eine Anklage erhoben und ein richterliches Urteil ergehen würde, das ihm Schuld zuweist, werde er selbstverständlich Konsequenzen ziehen.

Rücktrittsforderung durch Parteigenossen

Rücktrittsforderungen habe es gegeben. In einem von ihm anberaumten Gespräch am 16. Mai zwischen den Herren Ernst, Mendack, Spliethoff und Schindler haben sein Referent Brücker und er die Anwesenden über seinen Gesundheitszustand nach seiner Operation informiert. Bestimmte Gesprächspartner formulierten ihren Unmut über seine Amtsführung, thematisierten angebliche persönliche Defizite wie zum Beispiel Alkoholkonsum. Die Herren erläuterten, dass dies, gepaart mit dem obigen Vorwurf nur durch einen Rücktritt befriedet werden könne.

Die Kommunalverfassung, so Scholten, sei aber eindeutig: Der OB wird durch die Partei vorgeschlagen und durch Bürger gewählt. Daraufhin wurde er erstmals mit Vorwürfen über die Verwendung der Spesen konfrontiert. Er habe den Kämmerer gebeten, dieses Thema strikt nach den rechtlichen Vorschriften und ohne politische Beteiligung anzugehen. Gleichzeitig erklärte er seine Bereitschaft, bei etwaigen Fehlern selbstverständlich die Kosten privat zu tragen. "Sollten mir Versäumnisse nachgewiesen werden, werde ich den Betrag ersetzen – und noch einmal den gleichen Betrag einer gemeinnützigen Organisation spenden. Der Stadt Mülheim wird also so oder so kein Schaden entstehen."

Bis zum 27. Mai habe es keine weitere Kontaktaufnahme zu ihm gegeben. In diesem Termin forderte man ihn schließlich auf, bis zum nächsten Tag seinen Rücktritt zu erklären. "Für diesen Fall eröffnete man mir, den Sachverhalt „Bewirtungsbelege“ öffentlichkeitsunwirksam zu klären, damit ich unter Gesichtswahrung „aus der Sache herauskomme“, schreibt Scholten. Eine Prüfung des Sachverhaltes war ihm mangels Unterlagen nicht möglich. Nachdem er eine Nacht darüber geschlafen habe, teilte er Mendack mit, dass er nicht zurücktreten werde.

Auch zu den persönlichen Vorwürfen äußert sich Scholten. "Eine Alkoholerkrankung liegt nicht vor. Wer mich allerdings kennt, weiß, dass ich zu Pizza und Spaghetti gern einen Weißwein trinke. Und das möchte ich mir auch nicht nehmen lassen."
Die Kommentare der Bürger in den sozialen Netzwerken geben ihm zumeist recht. Überwiegend zeigt man sich empört über den Umgang mit dem angeschlagenenen OB. Am Mittwochmorgen stellte sich Scholten dann in Radio Mülheim live den Fragen der Hörer.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

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