Über die Druckersprache

Hennchen Gensfleisch (Johannes Gutenberg) mit seiner Jüngerschar!
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  • Hennchen Gensfleisch (Johannes Gutenberg) mit seiner Jüngerschar!
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Unsere Kunstgenossen der letzten Jahrhunderte entwickelten eine eigene Sprache, die heutzutage wohl kaum noch ein Kollege des "Fach´s" zu deuten vermag!? In keinem anderen Handwerk gab es soviel humorvolle Begriffe und Ausdrücke wie im edlen Druckgewerbe. Selbst Geistesgrößen wie Martin Luther oder J.W. Goethe, bedienten sich manch vulgärer Ausdrucksweisen. Auch manche Sitten und Gebräuche entstammten dem akademischen Leben und waren dem Lateinischen oder z.T. auch dem Altgriechischen entnommen. Hier mal so einige Kostproben aus dieser Zeit, wo nicht von einer Seite gesprochen wurde, sondern von einer Pagina oder Kolumne, einen Bindestrich nannte man Divis, Note oder Alinea für eine Anmerkung oder einen Absatz. Runde Klammern wurden Parenthese genannt, das Verlegen eines Buches eine Edition, die Druckwerkstatt eine Offizin , Druckvorlagen bezeichnete man (auch heute noch) als Manuskript und das Überprüfen einer Druckfahne auf Fehler geschah durch den Korrektor. Der Lektor war nicht etwa für die Geschmäcker der Kollegen verantwortlich, nein, er hatte die Texte zu überprüfen. Text war auch die Bezeichnung für die Schriftgröße der Zeilen in der Gutenbergbibel und auch weitere wie: Antiqua, Fraktur, Cicero, Korpus oder Petit waren dem Französischen entnommen. Auch weitausholend kommen in der Sprache der Setzer und Drucker folgende Begriffe vor: Dedikation, Deleatur, Errata, Exemplar, Figur, Format, Impressum, Imprimat, Index, Initial, Interpunktion, Kapitel, Kompress, kursiv, Linie, Makulatur, Mater, Matrize, Norm, Presse, Register, Revision, Rubrik, Signatur, Titel, Tabelle, Vakat, Versalien usw. . Im 18. Jahrhundert wurden teilweise Wörter durch deutsche Bezeichnungen ersetzt, weil es immer häufiger die Abspaltung von den Universitäten gab und der Beruf des Druckers und Setzers als eigenständiger Berufszweig sich entwickelte. So hatten die Besitzer von Offizinen es zu hohem Ansehen gebracht und hatten auch teilweise besondere Privilegien. Sie waren befreit von Steuern und Abgaben, vom Militärdienst und ganz Auserwählte durften sogar einen Degen tragen. Durch Eindeutschung wurde dann aus Tenakel ein Blatthalter und Divisorium nannte man den Zeilenweiser. Anführungszeichen, die einst "Signum citationis" genannt wurden, und Ausrufungszeichen "Exclamatio" sind Begriffe, die heutzutage wohl niemand mehr weiß oder verwendet. Zum Schmunzeln anregend kamen folgende Bezeichnung sehr häufig zum Einsatz: Hudler, Gespan, Sudler, Kaute, Quetsche, Stampfe, Laufgeld, Posselierer, Gautschen usw. . Doppelt gesetzte Wörter wurden Hochzeit genannt und ausgelassene Wörter nannte man Leichen, hier bei öfterem Vorkommen, wurde dieser Setzer schnell zum Leichenheinrich. An manchen Wochenenden wurde Sauerkraut gemacht (noch nicht gesetzte Texte in Rechnung gestellt) und Speck hatte man immer gerne (Stehsatz, der immer wieder neu berechnet wurde), Eierkuchen dagegen war nicht so prickelnd. Körperteile fanden beim Buchstaben (Schriftletter) anwendung; sie besitzen Köpfe, Fleisch, Augen, Bärte, Füße (diese im Schriftbild zu sehen) bekamen gewichste Schuhe. Setzlinien hatten Ohren, Setzschiffe eine Zunge und Brillen wurden weggehauen. Da war die Rede von Mönch, Futter, Jungfrau, Hering, Zwiebelfisch, Esel, Schlangen, Fliegenköpfe, Hurenkind und Schusterjunge.
In einer kleinsten Auflage vor 30 Jahren erschienenem Fachwörterbuch von Wolfgang Polte und Illustrationen von Egbert Herfurth, wurden all diese Begriffe und Bezeichnungen zusammengefasst und erklärt. Genau diese werde ich hier in unregelmäßigen Abständen einstellen und nicht einfach der Vergangenheit zum Opfer werden lassen.
" Gott grüß´ die Kunst!"

Autor:

Fritz van Rechtern aus Neukirchen-Vluyn

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