Hilfe für die Ärmsten

Sybille Erdmann vor dem Flüchtlingsheim in Neukirchen-Vluyn. Foto: Heike Cervellera
  • Sybille Erdmann vor dem Flüchtlingsheim in Neukirchen-Vluyn. Foto: Heike Cervellera
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Drei weißgestrichene Häuser, viele Fahrräder und Stühle davor, daneben ein kleiner Spielplatz: Das ist der Arbeitsplatz von Sybille Erdmann. Es ist die Flüchtlingsunterkunft in Neukirchen-Vluyn.

Nicht nur von außen, auch von innen merkt jeder Besucher schnell: Diese Häuser haben bessere Zeiten gesehen. Dass auch ihr eigenes Büro weit von Luxus entfernt ist, scheint die Frau mit dem freundlichen Gesicht und den kurzen Haaren nicht zu stören. Geht Sybille Erdmann durch das Treppenhaus oder über den Flur, ist sie schnell im Gespräch mit den Bewohnern. Und oft enden ihre Sätze mit den Worten: „Ich kümmer‘ mich drum.“ Seit 20 Jahren ist die Sozialpädaogin in der Flüchtlingshilfe tätig: „Seit damals, als viele Flüchtlinge zur Zeit des Bürgerkriegs aus dem ehemaligen Jugoslawien kamen.“ Heute stammen die meisten aus Syrien, Mazedonien, Serbien und Eritrea. Insgesamt sind es über 20 verschiedene Nationalitäten. Viele Menschen kommen aus einem akuten Kriegsgebiet. Andere sehen in ihrem Heimatland, wo es oft keine Ärzte, keine Jobs gibt, keine Chance für sich und ihre Familien.“

"15 Stunden in der Woche reichen bei weitem nicht aus"

Offiziell besteht Sybille Erdmanns Aufgabe darin, die Asylsuchenden zu beraten und zu betreuen. Das bedeutet: Kontakte knüpfen zu Ämtern und Behörden, Ärzten und Schulen. Unterstützt wird sie dabei von einer AGH-Stelle, zwei Honorarkräften und Ehrenamtlichen.
Manchmal geht es aber auch um alltägliche Probleme, manchmal um ganz spezielle: „Traumatisierte Menschen. Oder Frauen, die Gewalt erlebt haben. Dann suche ich den Kontakt zu Psychotherapeuten.“ Und immer wieder die Erkenntnis: „Ich habe zu wenig Zeit. 15 Stunden in der Woche reichen bei weitem nicht aus.“ Viele Konflikte in der Flüchtlingsunterkunft rühren von der Enge der Räume her. Sybille Erdmann schildert, was passiert, wenn sich eine vierköpfige Familie 20 bis 25 Quadratmeter teilen muss: „Die Leute schaffen sich ihre eigene Intimsphäre. Zum Beispiel, indem sie die Räume durch aufgehängte Betttücher trennen.“ Die Kinder sind es, die ihr besonders am Herzen liegen. Die Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe spielen mit ihnen, unterstützen sie bei den Hausaufgaben. Denn ihre eigenen Eltern sprechen oft kein Deutsch, können bei der Integration nicht helfen. „Kinder sind sehr dankbar. Aber die Erwachsenen auch, die bringen mir manchmal einen Kaffee. Diese Dankbarkeit spüre ich.“ Die positiven Erlebnisse sind es auch, die Sybille Erdmann Kraft geben, wenn sie ihre Arbeit nach Feierabend nicht einfach „abschütteln“ kann. So wie im Fall einer kurdischen Familie, die vor einigen Jahren in einer Nacht- und Nebel-Aktion abgeschoben wurde. „Morgens um halb fünf kam der Anruf“, erinnert sie sich. „Ich bin dann noch zum Flughafen gefahren, obwohl es nichts genutzt hat. Dieses Ereignis hat mich nicht mehr losgelassen.“ Heute, sagt sie mit Erleichterung, gibt es das zum Glück nicht mehr: „Es gibt jetzt immer vorher eine Nachricht.“ Wenigstens das.

Der Bund muss helfen

Über die Zukunft macht sich Sybille Erdmann keine Illusionen: „Es wird sich nichts ändern, es werden immer Flüchtlinge kommen. Es nutzt nichts zu denken, wie wir sie wieder loswerden, sondern lieber: Was können wir tun, um den Menschen zu helfen? Die Abschottungspolitik funktioniert nicht. Da muss der Bund stärker einspringen. Denn ich kenne keinen, der nicht hierbleiben will.“

Autor:

Susanne Schmengler aus Duisburg

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