RWO: „Ins Risiko - ohne Kamikaze-Aktion“

Ein Mann des klaren Wortes: RWO-Aufsichtsratsboss Hartmut Gieske im WA-Interview. Foto: Peter Hadasch
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Von MARC KEITERLING
Es gab in der 107-jährigen wechselvollen Geschichte des Vereins schon einige schlimme Jahre. Noch vor 12 Monaten hätten sich aber selbst die größten Pessimisten nicht träumen lassen, dass RW Oberhausen wieder einmal dem Horror so nahe kommt. Und doch geschah ebendies.
Erst der hausgemachte Zweitliga-Abstieg mit vielen fragwürdigen Personalentscheidungen. Dann der ungebremste Sturzflug an das Tabellenende der dritten Liga, begleitet von neuen finanziellen Sorgen. Eine Jahresbilanz und ein Ausblick mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Vereins Hartmut Gieske.

Ist der Verein angesichts einer krass unterschrittenen Zuschauerkalkulation akut oder mittelfristig von der Zahlungsunfähigkeit bedroht?

„Klares Nein! Wir kommen allerdings nicht an einer Aufnahme neuer Kredite vorbei. Im Klartext: Wir müssen vom ursprünglich fixierten Ziel, keine Schulden mehr zu machen, temporär abrücken. Wir haben in der Vergangenheit tatsächlich sehr komplizierte Drahtseilakte unternommen. Verglichen damit ist die jetzige Situation sehr beherrschbar.“

Warum konkret muss frisches Geld her?

„Die Ausgangsbasis ist die, dass wir aus der letzten Zweitligasaison - auch bedingt durch massiv nachlassende Zuschauereinnahmen in der Rückrunde - mit einem Minus herauskamen. In der Lizenzierung für die laufende Saison wurden wir geradezu dazu gezwungen, mit einer sehr optimistischen Zuschauerkalkulation zu arbeiten. Das geht bekanntlich nicht auf, nun müssen wir in die Nachlizenzierung. Wenn wir diese gestemmt haben, brauchen wir zusätzlich noch Geld für Nachverpflichtungen. Dafür wird hier im Verein seit Wochen hart gearbeitet.“

Der Verein will also ins Risiko gehen und den Kader aufrüsten. Angenommen die Sache geht schief und RWO steigt dennoch am Saisonende ab: Ist der Club dann absolut pleite?

„Um hier eines ganz deutlich zu sagen: Wir werden den Club nicht in den maroden Zustand zurückbefördern, in dem wir ihn 2005 übernehmen mussten. Daher wird es keine Kamikaze-Aktionen geben. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage nach den Alternativen. Belassen wir es bei dem jetzigen Kader und gehen mit dieser Mannschaft ab, kann ich mir die Reaktionen von Fans und Presse lebhaft vorstellen. Darum jetzt und hier die klare Ansage: Wir werden ein Stück weit ins Risiko gehen, wir werden verstärken! Nach Saisonende im Mai stellen wir uns dann unabhängig vom Ausgang auf einer Mitgliederversammlung. Dort wird dann Bilanz gezogen. Wir tragen gegenüber den Mitgliedern Verantwortung.“

Aus ihren Worten muss man die Schlussfolgerung ableiten, dass der aktuelle Kader nicht drittligareif ist. Demnach haben der Sportliche Leiter Frank Kontny und Ex-Trainer Theo Schneider bei der Zusammenstellung dieser Mannschaft also versagt?

„Der Grundgedanke war, dass wir einige Spieler aus dem Zweitligakader als Leistungsträger ausgeschaut haben und diese gehalten wurden. Drumherum sollten hungrige Leute eingebaut werden, die an der Seite der Routiniers und mit den Spielen wachsen. Eine schöne Theorie - doch die Realität hat sich leider anders entwickelt. Bedingt durch viele Ausfälle und sicher auch aufgrund von nicht immer befriedigenden Darbietungen von einigen der als Leistungsträger eingeplanten Spieler. Dass beinahe durchgängig sechs oder sieben Spieler ersetzt werden müssen, ist nicht kompensierbar.
Ich weiß, dass sich Frank Kontny viele Gedanken um den Kader macht. Wer ihn nun kritisiert, sollte sich die Situation im Sommer vor Augen führen. Kontny musste eine wahre Herkulesaufgabe lösen. Er hatte mit wenig Geld vor dieser Saison nicht nur eine Drittliga-Mannschaft, sondern auch eine U23 und eine U19 auf die Beine zu stellen. Wenn ich mir unsere A-Junioren in der Bundesliga und die zweite Mannschaft anschaue, kann ich nur sagen: Respekt! Was den Drittliga-Kader angeht: Wenn wir auch weiterhin im Schnitt auf fünf Akteure verzichten müssen, ist die Wahrscheinlichkeit auf den Klassenerhalt nicht groß. Diese Erkenntnis ist nicht zu leugnen. Darum werden wir an dieser Schraube drehen.“

Konkret: Was kann nach der Verpflichtung von Linksverteidiger Benjamin Weigelt noch gemacht werden, wieviele Spieler sollen nachverpflichtet werden? Um welche Positionen geht es?

„Trainer Mario Basler hat ja bereits erklärt, dass es im offensiven Bereich klemmt. Daher sind hier zwei Leute angedacht. Ob dies nun offensive Mittelfeldspieler oder Stürmer sind, liegt in erster Linie in der Entscheidung von Kontny und Basler. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass unsere vielkritisierten Stürmer oft die ärmsten Menschen auf dem Platz sind. Wenn sie keine gescheiten Bälle bekommen, können sie auch keine Tore machen. So banal ist das.“

Der Abstieg nach drei Jahren in der zweiten Liga. Wo sehen sie im Nachhinein den entscheidenden Knackpunkt?

„Für mich persönlich ist das im Rückblick die Entlassung von Trainer Jürgen Luginger gewesen. Losgelöst von den damals im gesamten Sportbereich tätigen Personen war die Konstellation mit dem Tausch zwischen Trainer und Sportlichem Leiter auf Dauer nicht glücklich. Die Spieler hatten offensichtlich zu viele offene Türen, neben der Tür zur Trainerkabine. So etwas würde ich in Zukunft nicht mehr machen.“

Viele Menschen verstehen nicht, warum von mehr als zwölf Millionen Euro, die das Fernsehen in drei Zweitligajahren überwies, nichts übrigblieb. War die immer wieder zitierte Sparsamkeit nur eine Fassade?

„Diese Frage lässt sich relativ leicht beantworten. Das Fernsehgeld war unser mit Abstand größter Einnahmeposten. Dieses Geld floss weitgehend komplett in den Lizenzspieler-Etat ein. Außerdem haben wir bekanntlich Mittel in die Hand genommen im Zuge der Planungen für die Erneuerungen im Stadion. Wir waren davon überzeugt, dies machen zu müssen. Im übrigen ist es leider so, dass unsere Sponsoreneinnahmen trotz aller Bemühungen überschaubar geblieben sind. Im Nachhinein mache ich uns eher den Vorwurf, nicht zu einem früheren Zeitpunkt etwas mehr ins Risiko gegangen zu sein. Schlussendlich: Wir haben vom Fernsehgeld selbst bei sparsamster Vorgehensweise nichts retten können.“

Stichwort Sponsoren. Gibt es Signale des Trikotpartners Vatro, bei RWO aussteigen zu wollen?

„Das Unternehmen ist bis zum heutigen Tage vertragstreu und fair. Bei Vatro hat es jedoch einen Eigentümerwechsel gegeben. Wie sich der neue Eigentümer zum Thema Sponsoring bei Rot-Weiß in der Zukunft stellt, ist uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Um es klar zu sagen: Ja, Stand heute haben wir da vermutlich eine offene Flanke im Sommer 2012.“

Würde die Energieversorgung Oberhausen, der sie als kaufmännischer Vorstand voranstehen, im Zweifelsfall wieder aufs Trikot zurückgehen?

„Es ist nicht mein Wunsch. Doch wenn es um die Existenz geht, hat sich die evo in der Vergangenheit nicht verweigert. Weder bei RWO, noch bei NBO.“

Das neue Gebäude für die Geschäftsstelle des Vereins am Stadion steht noch immer nicht fest, gleichzeitig hat RWO schriftlich seinen Verzicht auf das Gelände am Rechenacker erklärt. Spätestens zum 30. Juni 2012 gibt RWO den Fanshop in der City auf. Hat der Club in Kürze keine Heimat mehr?

„Ein Traditionsverein ohne Adresse? Keine Sorge, RWO wird selbstverständlich immer eine Heimat haben! Der Auszug aus dem Gebäude am Rechenacker wird erst stattfinden, wenn es eine neue Geschäftsstelle an der Lindnerstraße gibt. Drei Gebäude sind im Gespräch, in ein Gebäude wird Rot-Weiß einziehen. So ist das mit der Stadt und dem Stadtsportbund verabredet. Dort wird sich dann auch der Fanshop befinden, darum haben wir den Mietvertrag für den City-Standort gekündigt. Wobei mir der Gedanke nicht behagt, aus der Innenstadt gänzlich zu verschwinden. Da müssen wir uns noch über Alternativen Gedanken machen.“

Letztes Thema. Mit Trainer Mario Basler folgte auf Theo Schneider ein totales Kontrastprogramm. Ihr gutes Verhältnis zu Schneider war bekannt - zu Lautsprecher Basler scheinen sie dagegen rein oberflächlich betrachtet nicht zu passen.

„Von wegen. Basler und ich - das passt wie die Faust aufs Auge! Uns verbindet eine Menge: Wir sind beide sehr emotional, wir machen beide unseren Job mit totaler Hingabe. Nach der klar auf Verständnis angelegten Vorgehensweise von Theo Schneider gegenüber der Mannschaft - die leider zu meinem allergrößten Bedauern nicht griff - sollte ja auch ein Kontrast her. Basler benutzt dagegen Zuckerbrot und Peitsche. Das finde ich gut, weil es die Mannschaft offenbar braucht. Ich bin von dieser Verpflichtung absolut überzeugt.“

Es fällt jedoch schwer zu glauben, dass sie die verbalen Ausflüge des Trainers - etwa die Angriffe auf den vorherigen Verantwortlichen für den Fitnesszustand der RWO-Mannschaft oder die wiederholten Kritiken an Nationalspieler Lukas Podolski in seiner Funktion als Kolumnist - gutheißen.

„Klar sind da auch mal Sachen dabei, wo ich denke: Das hätte ich jetzt nicht gemacht! Seine Aussage in Richtung Theo Schneider geschah aus einer Frustsituation heraus. Seine Kolumnentätigkeit und die Tätigkeit als Fernseh-Experte sind jedoch in erster Linie seine Sache. Er hat uns übrigens angeboten, darauf zu verzichten. Wollten wir nicht - ist doch schön, wenn Rot-Weiß einen gefragten Trainer hat...“

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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