Archäologische Ausgrabungen in Recklinghausen - Fotostrecke

Die Ausgrabungen am Johannes-Janssen-Platz. Foto: Krusebild
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Unermüdlich wird vorsichtig Schicht für Schicht der lehmigen Erde abgetragen. Die archäologischen Ausgrabungen an der Johannes-Janssen-Straße haben dabei einige erstaunliche Dinge zutage gebracht. Doch der ganz große Fund wird wohl ausbleiben, da ist sich der Archäologe Wolfram Essling-Wintzer sicher.

Mit dem großen Fund sind Überreste des Reichhofs gemeint, der von Karl dem Großen im 9. Jahrhundert erbaut wurde und als Keimzelle der Stadtentstehung Recklinghausens gilt. „Dafür haben wir bisher keine Befunde machen können. Wir gehen davon aus, dass der Reichshof wohl einige Meter weiter östlich gestanden haben könnte“, sagt Wolfram Essling-Wintzer, der zusammen mit Mark Schrader die Ausgrabungen am Platz an der Johannes-Janssen-Straße durchführt. Die beiden vermuten, dass möglicherweise die Großbaustelle der St. Peter-Kirche viele Überbleibsel des Karlshofs zerstört haben wird.

Erstaunlich viele Funde

Enttäuschung macht sich aber bei den Wissenschaftlern nicht breit. „Wir sind sehr erstaunt, dass wir so viele Funde hier machen konnten“, meint Mark Schrader, während er eine Flasche aus alten Steinzeug in den Händen hält, die zusammen mit vielen anderen Fundstücken im Baucontainer auf dem Ausgrabungsgelände gesammelt, katalogisiert und dann zur Auswertung verschickt werden.

Hochwertige archäologische Quellen

Die Ausgrabungen förderten Befunde aus dem Hoch- und Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit zutage. Die ältesten Siedlungsspuren stammen aus dem 11. und 12. Jahrhundert. „Die bisherigen archäologischen Befunde stellen hochwertige Quellen für die frühe Siedlungsgeschichte und für die Geschichte der bürgerlichen Bau- und Wohnkultur in Mittelalter und Neuzeit der Stadt dar“, sagt der städtische Denkmalpfleger Josef Aulke.

„Mehrere Gruben sowie ein Erdkeller lassen sich einem sogenannten Pfosten-Schwellriegel-Haus zuweisen, das im frühen 12. Jahrhundert am Westrand des Kirchplatzes errichtet wurde“, erläutert Wolfram Essling-Wintzer. „Ebenfalls zu einer vorstädtischen Siedlungsphase gehört ein Steinkeller. Dessen zugehöriger Ständerbau ist im frühen 13. Jahrhundert nahe der heutigen Johannes-Janssen-Straße erbaut worden, also noch vor der Stadterhebung im Jahre 1236.“ Im Hinterhof des Ständerbaus hatte man einen Holzkastenbrunnen angelegt. „Die Balken und Bohlen des Brunnens konnten wir in einer Tiefe von knapp fünf Metern unterhalb der heutigen Geländeoberkante ergraben.“

Fundamente, Lehm-Estriche (Stampflehmböden) sowie ein weiterer Steinkeller beweisen spätmittelalterliche Bebauung. „Sie lagen unter einer mächtigen Schicht aus Brandschutt begraben, der mit einem der großen Stadtbrände von 1469 oder 1500 in Verbindung zu bringen ist“, sagt Essling-Wintzer. „Zum Wiederaufbau nach dem Stadtbrand - überwiegend aus Renaissance und Barock - gehören drei weitere Steinkeller von Fachwerkgebäuden sowie drei gemauerte Brunnenröhren.“

Zum Glück keinen Tiefgarage

Es sei generell schwierig, gute ältere Überreste an dieser Stelle zu finden“, meint Josef Aulke. In den 900 Jahren sei auf dem Platz viel passiert. Deshalb sei er froh, dass mit Hilfe des Landes NRW zum ersten Mal überhaupt eine genaue Dokumentation diese Bodendenkmals gemacht würde. „Es ist spannend, dass wir hier so viel gefunden haben, da es aus der Zeit des 12. Jahrhunderts von Recklinghausen kaum Schriften und Dokumente gibt“, so Essling-Wintzer. „Zum Glück wurde hier keine Tiefgarage gebaut.“

Zu den weiteren Befunden der Ausgrabung zählen bisher über 10.000 geborgene Scherben von Ess- und Trinkgeschirr aus Mittelalter und Neuzeit, zahlreiche Spinnwirtel, Murmeln, Schleifsteine, Ofenkacheln und Pfeifen. Außerdem ein Bronzeglöckchen, mehrere Münzen und eine mehrstimmige Flöte aus Keramik. Aus jüngerer Zeit konnten preußische Uniformknöpfe und Plaketten des Kreisparteitages der NSDAP von 1939 geborgen werden.
Besonder kurios sind die Funde, die die Archäologen in und im Umfeld der Brunnen gemacht haben. In dem Sand- und Lehmboden wurden alte Knochen von Schwein, Rind und Pferd gefunden. Zudem hat man auch Überreste von Getreide gefunden. Zumindest der Speiseplan der Bewohner der Häuser scheint königlich gewesen zu sein.

Text von Martin Meyer

Information

Die Ausgrabungsarbeiten dauern noch bis etwa Mitte November. Bis dahin werden die letzten Teilflächen im Südteil des Grabungsareals untersucht. Sie erfolgt durch eine Arbeitsgemeinschaft von „Team.Zeitreise“ und „UNEARTH Archäologische Ausgrabungen/Mark Schrader und Wolfram Essling-Wintzer“ aus Bochum. Der LWL begleitet die Ausgrabung wissenschaftlich.

Autor:

Reiner Kruse aus Recklinghausen

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