Loveparade - Und nun hat erstmal keiner so Recht schuld...

Bei der Loveparade in Duisburg war es am vergangenen Samstag hinter einem Zugangstunnel zu einer Massenpanik gekommen bei der bislang 20 Menschen starben und nach Polizeiangaben 511 Personen zum Teil schwer verletzt wurden! Von den psychischen Verletzungen vieler angereisten Techno-Fans einmal ganz abgesehen, eine schlimme Bilanz für ein als friedliches und schönes geplantes Musikereignis. Schockierende Aufnahmen im Fernsehen beschreiben das ganze Ausmaß der Katastrophe: Wir sehen Menschen in Panik, überforderte Ordnungshüter, die dennoch alles in ihrer Macht stehende tun, um ein von anderer Stelle zu verantwortendes Chaos zu regulieren und Sanitäter und Ärzte, vor deren unglaublichen Einsatz jeder nur seinen Hut ziehen muss. Immer noch wühlen diese Eindrücke emotional auf! Die Gedanken der Menschen sind bei den Opfern und ihren Familien, doch nun fordern auch immer mehr Menschen lautstark, dass endlich die Verantwortlichen auch zur Verantwortung gezogen werden sollen.

Aber was ist seitdem geschehen? Dem genaueren Betrachter wird aufgefallen sein, dass es eigentlich wie immer ist: Wenn etwas passiert, ist am Ende doch irgendwie keiner „so richtig“ schuld daran! Und so möchte erst einmal jeder für diese Tragödie verantwortliche Mensch mit fragwürdigen Argumenten sein unreines Gewissen ruhig betten, auch wenn die Toten und Verletzten sicherlich eine deutliche Sprache sprechen! Sprachlos vor Entsetzen, tat ich mich in meinem Bericht von Samstagnacht schwer die Schuldfrage in den zentralen Mittelpunkt meines Artikels zu stellen. Doch die Berichterstattung der öffentlichen Sender in den letzten Tagen kann einem ja teilweise „Tränen der Wut“ in die Augen treiben. Offensichtlich hat eine „ hübsch gelungene Mischung“ aus Unfähigkeit und Geldgier die Planungen für die tragische Love-Parade bestimmt. Doch Fortsetzung folgte: Und zwar schon am Folgetag mit einer zweifelhaften (man nannte es seriöse Pressekonferenz), ich nenne es mal Medien-Farce, mit den Veranstaltern und einigen Vertretern der Stadt Duisburg!

Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) kündigte vor drei Tagen eine lückenlose Aufklärung an und machte (nur ein paar Sätze später…) die individuellen Schwächen der einzelnen Besucher für die Katastrophe verantwortlich. Im Klartext, heißt dies wohl, das Unglück ist also durch die Techno-Fans selbst ausgelöst worden, die wohl –überspitzt gesagt– hier und da, trunken und mit Drogen voll gepumpt, „ausgerutscht und gestrauchelt“ sein müssen. Auch der „Panikforscher“ (und Duisburger Physikprofessor) M. Schreckenberg, der am Sicherheitskonzept der Veranstaltung mitgearbeitet hatte, zeigt sich „beeindruckend kompetent“ in seinen Medienaussagen. Spiegel online zitiert ihn mit den Worten: „…mit stürzenden Menschen hätten die Organisatoren nicht rechnen können, das ist das Werk von einzelnen...“ Um sich einen besseren Überblick über das Veranstaltungsgelände zu machen, hatte sich Prof. Schreckenberg (nach eigenen Angaben!) aber die Gegebenheiten vor Ort vorher erst gar nicht angeschaut.

„So etwas kann halt passieren, wenn man auf den letzten Drücker eine Massenveranstaltung nur halb durchdacht zu Ende plant. Schade, den Preis für unsere Geldgier mit diesem Mega-Event die leere Duisburger Stadtkasse etwas aufzubessern zahlen nun nämlich nicht wir, sondern alternativ 20 Menschen mit ihrem kostbaren Leben“ – das wäre eine ehrlichere Antwort aller Verantwortlichen dieser Katastrophe gewesen, die ich mir gewünscht hätte. Aber es ist zu befürchten, dass diese nun weiter Zeit mit lamentieren und debattieren verbringen, solange bis a) ein bisschen Gras über die Sache gewachsen ist und b) innerhalb des Systems ein „Schuldenbock“ gefunden werden konnte, der nicht zu weit oben sitzt… Bei aller Liebe, aber da waren Laien offensichtlich klüger als der Fachmann, siehe zum Beispiel auf dem Internetportal von DER WESTEN. Hier wurde lange vorab über zu schmale Zugänge für das Gelände diskutiert. Ein Kommentator schrieb dort bereits am 4. Juni 2010: „Nein, wirklich sehr, sehr schade, hätte gut werden können, aber so was ... da bleib ich zu Hause! Tot trampeln lassen wollte ich mich eigentlich nicht!“

Ereignisse wie am vergangenen Samstag lassen auch unsere Veranstaltungen in Schwelm in einem etwas anderen Licht erscheinen. Seien wir ehrlich: Welcher Schwelmer Jugendliche hat sich nicht über die, durch das Ordnungsamt angeordneten, Taschen- und Alkoholkontrollen beim letzten Altstadtfest ereifert? Aber, wenn diese am Ende das Fest friedlich und in geregelten Bahnen verlaufen lassen, muss diese Aktion am Ende doch als wichtig erachtet werden… Der Schwelmer Bürger sehnt sich zurück nach Heimatfestabenden im Atrium – doch wenn die Brandschutzbestimmungen (noch) nicht eingehalten werden können, mag’ es am Ende doch sinnvoller sein wenn hier die Feuerwehr „kein Auge zudrückt“. Wen ärgern nicht die, hier und da, aufgestellten, Abgrenzungen auf der Zugstrecke des Schwelmer Heimatfestumzug? Aber wenn diese am Ende unvorsichtige Besucher schützen… Das Abschaffen der Bestuhlung beim Schwelmer Song Contest im städtischen Jugendzentrum mag durchaus nicht Jedem gefallen, aber im Bezug auf einen Panikausbruch, mag es auch hier besser sein, dass das Bauordnungsamt „kein Auge zudrückt“. Natürlich sprechen wir hier in der Kreisstadt weiß Gott nicht von vergleichbaren Massen-Events. Aber obwohl bei uns alles sehr viel kleiner sein mag, läuft am Ende alles etwas strenger ab. Richtig, alles in Allem schimpfen daher die Veranstalter, die Besucher und die Zuschauer nur allzu gerne auf die Behörden und die Verwaltungen. Aber, jetzt einmal, aus ganz eigener Schwelmer Sicht, muss ich feststellen, dass wir am Ende vielleicht nur einfach ein bisschen genauer und „schlauer“ sind, als es sich die Stadt Duisburg in diesem Falle auf die Fahne schreiben darf – mit einer Absage der Veranstaltung hätte am Ende viel Unheil verhindert werden können.

Autor:

Enzo L. Caruso aus Schwelm

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