Einen Tag zu spät geboren

Ich fieberte regelrecht meiner Einschulung entgegen. Leider ließ man mir, da ich am 1. Juli Geburtstag habe, noch ein ganzes Jahr Zeit. Denn der Stichtag war der letzte Juni. So erzählte ich überall. Ich bin einen Tag zu spät geboren!
Dadurch dann die Älteste. Vielleicht fiel mir auch deshalb das Lernen recht leicht, vor allem Lesen. Minuspunkte erhielt ich von Anfang an beim Vorsingen, auch war ich keine Sportskanone, obwohl durchaus bewegungsfreudig in der Freizeit - Fahrradfahren, Rollschuhlaufen, Fußball. Letzteres durften in der Schule nur die Jungen. Der Unterricht war noch getrennt, die Mädchen hatten Sport bei einer Lehrerin.
Mein erster Klassenlehrer war ausgerechnet mein Großonkel, der Schwager meiner Oma. Natürlich nannte ich ihn auch in der Schule "Onkel Fritz" was begeisterte Lernanfänger (so sagt man heute) zum Nachahmen animierte.
"Onkel Fritz" rufend lief die Schar hinter ihm her. Ich wurde dann in der Familie belehrt, ihn in der Schule Herr Lange zu nennen, was ich dann auch gehorsam tat, obwohl ich es eigentlich nicht verstand.
Er war mein Vorbild, bei der Frage nach meinem Berufswunsch posaunte ich dann auch immer: "Lehrerin, wie Onkel Fritz!" Warum lachten die Erwachsenen immer darüber?
Leider starb mein Onkel während meiner Grundschulzeit, wir bekamen aber zum Glück eine nette junge Lehrerin. Im Schwimmunterricht bei ihr ging es noch recht prüde zu. Jedes Mädchen schön in eine Umkleidekabine mit Vorhang davor. Einmal hatten wir eine kollektive Blitzidee. Splitternackt rannten wir fröhlich ins Bad. Die Lehrerin schimpfte nicht etwa sondern lachte herzlich und ließ uns eine Weile gewähren.
Es gab strenge ältere Lehrer und auch der Hausmeister war eine Autorität, er kam gleich nach dem Rektor. Einmal mußte ich ihn belästigen, als ältere Jungen meine Badetasche aufs Vordach der Eingangstür schleuderten. Er holte sie schimpfend mittels einer Leiter herunter. Auch meine schönen neuen Strickhandschuhe wurden aus Übermut in einen Baum geworfen, niemand kam an sie heran und so mußten sie "abgeschrieben" werden, was zu Hause Ärger gab.
Diese älteren rüpelhaften Burschen der oberen Klassen wälzten sich auch oft auf dem Rasenplatz in Zweikämpfen, umringt von schreienden Mitschülern, die den einen oder den anderen anfeuerten.
Wir Kleinen spielten in der großen Pause gerne gemeinsam Kreisspiele, Seilspringen, Hüpfkästchen oder dergleichen.
Meine ersten 4 Schuljahre habe ich in guter Erinnerung und ich war etwas traurig, als ein neuer Abschnitt, d. h. weiterführende Schule, begann.
Die Eintrachtschule (heute Friedrich-Kaiser-Schule am Stadtparkt) als ev. Volksschule hatte 8 Klassen, es gab strenge mehrtägige Aufnahmeprüfungen
für das Mädchengymnasium. Darüber will ich aber hier nicht berichten, denn sonst wird aus meiner Schulgeschichte noch ein ganzer Roman.

Autor:

Ulrike Berkenhoff aus Schwerte

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