Des Musikers Braut

Die selbe Gitarre und der selbe Spieler. Damals noch jung, rank und schlank. Aber immerhin: etwas bleibt. (Montage Michael van de Locht, Foto rechts CharlybyCharly CC Lizenz)
  • Die selbe Gitarre und der selbe Spieler. Damals noch jung, rank und schlank. Aber immerhin: etwas bleibt. (Montage Michael van de Locht, Foto rechts CharlybyCharly CC Lizenz)
  • hochgeladen von Michael van de Locht

Des Seemanns Braut ist die See, frei nach Hans Albers, dem Rocker seine Braut ist sein Moped und die Braut des Musikers ist nicht selten sein Instrument. Nie irgendeines, sondern DAS eine. Bei mir ist es die alte Gibson ES 335 TD. Oder wie es komplett heißt: Gibson Electric-Spanish 335 Thinline Double Cutaway. Das ES bedeutet, dass es sich um keine Steelguitar handelt. 335 war der Preis der Gitarre in Dollar im Erscheinungsjahr 1957. Der Rest bezieht sich auf die Dicke und die beiden 'Mickymausohren' am Halsende des Korpus. Das sind jetzt mehr als genug Details, für die meisten ist das schlicht eine Jazz- oder E-Gitarre.

1974, als ich noch eine 16-jährige Pickelplantage war, spielte mein absoluter Gitarrenheld so ein Instrument. Alvin Lee, Gitarrist und Sänger der Band 'Ten Years After'. Seine 335 war rot, mit Aufklebern drauf und etwas verbastelt.
'I'm going home', dieser Titel war für mich das Maß der Dinge. Das wollte ich können! Die Finger pfeilschnell über die Saiten fliegen lassen und dabei cool und unbeteiligt dreinschauen. Das sollte doch, nein, das musste selbst die damalige Damenwelt in den Bann ziehen und den ansonsten farblosen Teenager, den ich abgab, in ein völlig neues Licht tauchen. Das war natürlich nicht der einzige Grund fürs Gitarre spielen und bei weitem nicht der wichtigste.
Diese Gitarre war jedenfalls mein Traum, aber leider unerreichbar. Es sei denn ... und so kam es auch: Mein Vater hatte meine musikalischen Bemühungen wohlwollend registriert und mich eigentlich immer unterstützt. Über spezielle Kanäle, mit großem Rabatt und niedrigem Dollarkurs erfüllte sich der Traum schließlich.
Dann kam sie per Spedition, dick verpackt, in einem Formkoffer mit violettem Plüsch ausgeschlagen. Allein für den Kaufwert des Koffers hätte ich ein passables Instrument bekommen können. Ohne Koffer wurde sie leider nicht angeboten.
Was glänzte dieses Teil doch und verströmte einen angenehmen Holzduft. Den hat sie sogar heute noch ein wenig. Die originalen, dicken Jazzsaiten wichen bald einer Rock'n'Roll-Bestückung. Doch die Liebe auf den ersten Blick war anfangs eher optischer Natur. Das richtige Spielgefühl wollte sich erst mit der Zeit einstellen. Aber so etwas schleift sich ein bis es irgendwann passt.
Und selbst nach all den Jahren ist es diese 335, die gerne einmal 'rumzickt'. Mit den Eigenheiten eines Instrumentes lernt man jedoch leben.
Alvin Lees Gitarrenspiel war irgendwann herausgehört, mit Plattenspieler und eierndem Kassettenrekorder. Das musste damals gehen und das ging auch. Hätten wir zu dieser Zeit schon Internet, Youtube, MP3 und den ganzen Zauber gehabt, ich glaube, wir wären verrückt geworden ob der technischen Lernmöglichkeiten. Aber wir waren sozusagen 'Analog Nativs'. Um so mehr lernten wir voneinander ohne Bildschirme und Displays zwischen uns. Und wir wurden besser, sicherer und selbstbewusster.
Bei allen Aktivitäten und Auftritten begleitete sie mich, die walnussbraune Halbresonanzgitarre und wurde fast zu einer Art Markenzeichen. In guten Zeiten, aber auch in schlechten, wenn z. B. die Freundin weg war oder es einem sonst irgendwie mies ging, immer war sie dabei.
Manchmal denke ich, all diese Hochgefühle und Stimmungstiefs sind über die Jahre in das alte Holz ein gesickert. Manchmal glaube ich, genau das bei ihr heraus zu hören, was man als 'Blues' bezeichnet. Aber lassen wir den Voodoo-Kram einmal bei Seite: Der Ton des Instruments ist über die Jahre offener und transparenter geworden, besser geht es für meine Ohren nicht.
Wir sind zusammen gealtert. Die Gitarre hat genauso ihre Macken gesammelt bei unzähligen Auftritten, Proben und Lebenssituationen, wie ihr Besitzer. Heiße und verregnete Open Airs, schummerige Kneipen und Kaschemmen, Spontantouren durch Deutschland, Belgien und Frankreich, alles war dabei.
Da ich diese 335 stets hege und pflege, wird sie mich wahrscheinlich überdauern. Hoffentlich können wir beide noch ein gutes Stück Weg gemeinsam gehen. Übrigens, wer sie einmal hören möchte: Am 11. April 2015 spiele ich sie mit LaSLo im Lion's Lounge in Sonsbeck. Vielleicht bis dahin - Euer Michael van de Locht.

Autor:

Michael van de Locht aus Alpen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.