Das zermürbende Warten auf ein Spenderorgan

Dennis Pissarra ist 30 Jahre alt und muss seit knapp einem Jahr jede Woche drei Mal zur Dialyse für jeweils fünf Stunden.
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  • Dennis Pissarra ist 30 Jahre alt und muss seit knapp einem Jahr jede Woche drei Mal zur Dialyse für jeweils fünf Stunden.
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Am schlimmsten sei der Zwang, zur Dialyse zu kommen, findet der 30-jährige Dennis Pissarra. Drei Mal in der Woche. Es gibt kein Verschieben, kein Absagen. Denn ohne Dialyse wäre Dennis Pissarra schon tot, genauer gesagt wäre er seit elf Monaten tot. Denn vor elf Monaten ging er zum Arzt - wegen seiner Kopfschmerzen.
Damals schickte sein Hausarzt Dennis Pissarra noch am selben Tag zur Dialyse ins Katharinenhospital, seine Nieren hatten versagt. Ursache: zu hoher Blutdruck. Den hatte der Werler zwar durch die Kopfschmerzen zur Kenntnis genommen, aber nie als Gefährdung für seine Gesundheit empfunden. Doch seine Nieren hatten gelitten und nach und nach war immer mehr Nierengewebe zerstört worden. Bis die Nieren ihren Dienst versagten.

+++Von einem Tag auf den anderen+++

Mit dem Tag der Diagnose änderte sich sein Leben. Es änderte sich auf derart drastische Weise, dass man es sich als gesunder Mensch kaum vorstellen kann. Gestern noch war er ein normaler junger Mann, der gerne mit seinen Freunden feierte und viel in der Welt herumreiste. Heute ist er ein sterbenskranker Mann, dessen Leben von einer Maschine abhängt.
Nun wartet der 30-Jährige auf eine Spenderniere.

+++ Drastischer Mangel +++

In Deutschland herrscht ein drastischer Mangel an Spenderorganen. Der Bundestag hat eine Reform des Transplantationsgesetzes beschlossen. Das neue Gesetz sieht vor, dass jeder Bundesbürger befragt wird, ob er Spender sein will - oder nicht.

+++Fünf bis sieben Jahre Warten auf eine neue Niere +++

Rund 12.000 Menschen warten momentan auf ein Spenderorgan, die meisten, wie Dennis Pissarra, auf eine Niere. Doch die Chancen stehen schlecht, eine durchschnittliche Wartezeit von fünf bis sieben Jahren ist nicht gerade ermutigend. „Dabei hat Herr Pissarra noch ganz gute Aussichten“, weiß Stationsleiterin Nicole Carvalho.
Dennis Pissarra ist mit seinen 30 Jahren noch jung, zudem ist er - abgesehen von den funktionslosen Nieren - gesund. Ein „Wettbewerbsvorteil“ im Rennen um eine gesunde Niere - so könnte man es zynisch ausdrücken. Denn das System schaut nur nach Daten und Fakten. Blutgruppe und Gewebemerk-
male müssen übereinstimmen, die kleinste Infektion kann den Patienten für eine Transplantation „unbrauchbar“ machen.

+++ Geringe Wahrscheinlichkeit +++

An eine Transplantation denkt Dennis Pissarra im Moment eher selten. „Ich warte ja erst seit elf Monaten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet jetzt das Telefon klingelt, ist wohl sehr unwahrscheinlich“, findet der Werler.
Und so lebt der Messtechniker ein Leben zwischen Normalität und Tod. Sein Tag beginnt morgens um 4.30 Uhr, er fährt nach Gütersloh zur Arbeit, um danach an drei Tagen in der Woche zur Dialyse nach Unna zu fahren. Fünf Stunden verbringt er dann im Stuhl an der Dialysemaschine, deren leises Klacken Dennis Pissarra schon gar nicht mehr wahrnimmt. Um die 40 Bücher hat er während der Dialyse in den vergangenen Monaten schon gelesen, um der Langeweile zu entgehen.
Dabei bemühen sich die Schwestern und Pfleger der Station um eine fröhliche Atmosphäre, die Patienten werden mit allem versorgt, was sie brauchen. Doch die Geräusche der laufenden Maschinen, die Alarmzeichen bei der geringsten Abweichung - das alles wirkt zermürbend.

+++ Kurzbesuch in London +++

„Und auch für die Gesundheit der Patienten ist die Dialyse sehr belastend“, weiß Carvalho. Denn sie entgiftet nicht nur das Blut der Patienten, sondern entzieht ihm auch das überflüssige Wasser, das die Nieren nicht mehr ausscheiden können. Bei Dennis Pissarra sind es in Schnitt 1,5 Liter Flüssigkeit. Eine große Belastung für den Körper. Zusätzlich muss er aufpassen, dass er nicht zu viel Flüssigkeit zu sich nimmt, ein halber Liter täglich darf es nur sein - auch an heißen Tagen, „und da ist jeder Joghurt, jeder Teller Suppe schon mit drin“, erzählt die Stationsleiterin.
Er lebe doch eigentlich ein ganz normales Leben mit Job und Familie, Freunden und Urlauben, findet Dennis Pissarra, nichts habe sich geändert. „Aber ich schiebe nichts mehr auf“, erzählt er dann, „alles was ich tun möchte, tue ich sofort.“ So wie der Wochenendtrip nach London. Doch mal eben kurz weg - das geht nicht. "Will ich verreisen, muss alles gut geplant sein. Ich muss mir die nächstgelegene Dialystestation suchen, Termine vereinbaren, Flugzeiten und Hotel aufeinander abstimmen und und und", erklärt der 30-jährige. Doch das alles nimmt er gerne in Kauf, will sich von seiner Krankheit nicht das Leben diktieren lassen.

+++ Jeder sollte Organspender sein +++

Die Neuregelung der Organspende hält Dennis Pissarra für längst überfällig. „Ich fände es gut, wenn man einfach davon ausgeht, dass jeder ein Organspender ist“, erklärt er seine Sicht, „wer kein Organspender sein möchte, muss das in einem Ausweis erklären.“ Stationsleiterin Carvalho geht solch eine Regelung zu weit. „Dann würde über das Thema in den Familien wieder nicht gesprochen werden“, erklärt sie.
Die Gefahr: Wissen die nächsten Angehörigen nicht Bescheid, können sie auch den Ausweis quasi „überstimmen“.
Die am Freitag beschlossene Neuregelung sehen trotzdem sowohl Nicole Carvalho als auch Dennis Pissarra positiv. „Ein Schritt in die richtige Richtung!“

*** Und was sagen Sie? Ist die Neuregelung ausreichend? Oder sollte es eine drastischere Lösung geben, wie Dennis Pissarra sie vorschlägt?***

Autor:

Elke Böinghoff aus Unna

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