Bitte backen Sie weiter! Neue Lebensmittelverordnung stiftet Verwirrung

Die neuen Regelungen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln sorgen für Verwirrung. Nicht nur Gastronomen fühlen sich schlecht informiert, auch ehrenamtliche Kuchenbäckerinnen und Wurstbrater sind verunsichert. | Foto: Stengl
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  • Die neuen Regelungen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln sorgen für Verwirrung. Nicht nur Gastronomen fühlen sich schlecht informiert, auch ehrenamtliche Kuchenbäckerinnen und Wurstbrater sind verunsichert.
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Ein Stück selbstgemachte Schwarzwälder Kirsch beim Schulfest, eine Bratwurst zur Halbzeit auf dem Fußballplatz oder die frischgebackene Waffel beim Kindergartentrödel – viele ehrenamtliche Kuchenbäcker oder Würstchenbrater sind verunsichert und fragen sich: „Dürfen wir denn überhaupt noch unsere Kuchen, Würstchen oder Waffeln verkaufen?“ Grund ist die neue Verordnung zur Kennzeichung von Lebensmitteln.

Die ist als „Lebensmittel-Informationsverordnung“ (LMIV) im Dezember letzten Jahres in Kraft getreten und besagt unter anderem, dass Lebensmittelunternehmer nun auch bei allen „losen“ Lebensmitteln einer Kennzeichnungspflicht der 14 häufigsten Allergene unterliegen. Doch was genau sind „lose“ Lebensmittel und wer genau ist „Lebensmittelunternehmer“? Und wie hat die Kennzeichnung zu erfolgen?

Passend zum Inkrafttreten der neuen Verordnung ließ der Kreis Unna in einer Pressemitteilung verlauten: „Wichtig für ehrenamtliche Kuchenbäcker: Sie müssen keine Auflagen fürchten. Für den gelegentlichen Verkauf durch Privatpersonen, etwa beim Kuchenbasar in Vereinen, bei Kirchenfesten für Schulen oder Kindergärten, gilt die Lebensmittelkennzeichnungspflicht nicht.“
Das stimmt aber nicht so ganz!“, meldete sich daraufhin Gottfried Böcker vom Königsborner SV – Abt. Fußball. „Wir haben vom Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen die Anweisung bekommen, die Kennzeichnungspflicht auch bei uns im Verein umzusetzen“, berichtet Gottfried Böcker.

Und auch er hat Recht - wie der Kreis auch. Denn ausschlaggebend ist hier, dass der Verein über eine feste gastronomische Einrichtung verfügt und regelmäßig bei Veranstaltungen Speisen und Getränke verkauft – und damit tatsächlich zum „Lebensmittelhersteller“ avanciert. Beim Königsborner SV hat das Ehepaar Günter und Elke Brock, die seit 15 Jahren liebevoll als „Frau Pommes und Herr Wurst“ bezeichnet Spieler und Zuschauer gleichermaßen satt und glücklich machen, diese Aufgabe übernommen. Hier fand man eine Lösung, mit der man einerseits der Kennzeichnungspflicht genüge tut, andererseits aber auch nicht jeden Sonntag ellenlange Zutatenlisten schreiben muss: „Wir haben einfach eine Liste mit den 14 allergenen Inhaltsstoffen aufgeschrieben und mit dem Hinweis versehen, dass alle unsere Speisen davon etwas beinhalten könnten“, so Gottfried Böcker.

Damit fühlt man sich beim Königsborner SV auf der sicheren Seite. „Prinzipiell ist diese Kennzeichungspflicht ja auch keine schlechte Idee, man wundert sich ja manchmal, was in den Sachen so drin ist“, findet Gottfried Böcker.

Auch Dr. Anja Dirksen, Sachgebietsleiterin Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung beim Kreis Unna, wird nicht müde, auf die Vorteile der Kennzeichnungspflicht hinzuweisen. „So bekommt der Verbraucher doch viel mehr Sicherheit, was den Verzehr angeht“, so Anja Dirksen, „und eine ganz besondere Erleichterung ist es natürlich für all jene, die tatsächlich unter Allergien oder Unverträglichkeiten leiden. Und davon gibt es leider immer mehr Betroffene.“

Zu den kennzeichnungspflichtigen Zutaten gehören zum Beispiel glutenhaltiges Getreide, Soja, Erdnüsse, Laktose oder Krebstiere und Fische.

„Wir sind aber auch froh, dass eben der gelegentliche Verkauf von ehrenamtlich gebackenen Kuchen von dieser neuen Verordnung ausgenommen ist“, so Dirksen, „denn wo kämen wir denn da hin, wenn selbst beim Trödelmarkt im Kindergarten jede Kuchenbäckerin haarklein aufschreiben müsste, was alles in ihrem Kuchen so drin ist. Und wo bliebe unsere geschmackliche Vielfalt, wenn es plötzlich überall nur noch abgepackten Industriekuchen geben würde - ordnungsgemäß deklariert, aber eben einheitlich. Nur weil sich keiner mehr traut, seinen eigenen Kuchen anzubieten.“

Schwieriger haben es da schon die Gastronomen, die auf Selbstgemachtes setzen. „Von der neuen Verordnung habe ich eigentlich nur durch Zufall in einer Gastro-Zeitschrift gelesen“, gibt Remona Tingelhoff vom Café „Zur alten Post“ in Königsborn zu. Doch seitdem ist sie immer wieder damit beschäftigt, lange Zutatenlisten zu ihren hausgemachten Kuchen und Torten zu schreiben. „Das ist eine Menge Arbeit, von der ich gar nicht weiß, ob ich das so richtig mache“, gibt sie zu. Annett Kyncl vom Senfladen in Unna setzt dagegen voll und ganz auf das persönliche Gespräch mit dem Kunden. „Da alles hausgemacht ist, wissen wir genau, was in unseren Speisen enthalten ist und können den Kunden entsprechend beraten “, so die Inhaberin.

Autor:

Elke Böinghoff aus Unna

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