Denkmalpfleger bitten um Mithilfe: Zeitzeugen gesucht!

Die Arbeitsgruppe Niederberg für Bodendenkmalpflege im Rheinland: Josef Niedworok (von links), Jürgen Lohbeck, Sven Polkläser, Bernd Rasche und Bernd Knop.
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  • Die Arbeitsgruppe Niederberg für Bodendenkmalpflege im Rheinland: Josef Niedworok (von links), Jürgen Lohbeck, Sven Polkläser, Bernd Rasche und Bernd Knop.
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Zufallsfund beweist: Velberter Stadtstollen hat größeres Ausmaß als bisher vermutet

Es wird wieder spannend! Schon die Recherche rund um das „Velberter Scheindorf“ lenkte den Fokus der breiten Öffentlichkeit auf den zweiten Weltkrieg. Jetzt hat das Team um Geschichtsschreiber Jürgen Lohbeck ein neues Projekt: Aus den „Tiefen der Vergessenheit“ beförderten sie viel Wissenswertes über den sogenannten „Velberter Stadtstollen“ ans Tageslicht. Nach zwei Jahren Recherche sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege nun auf die Hilfe von Zeitzeugen angewiesen.

Geheimes Luftschutzstollensystem

"Ein Forumsbeitrag hat uns auf die Idee gebracht, rund um dieses längst vergessene Relikt der Stadtgeschichte einmal genauer zu recherchieren“, so Josef Niedworok, Mitglied der Arbeitsgruppe für Bodendenkmalpflege. „Der Mitarbeiter eines Gießerei-Betriebes an der Talstraße hatte in diesem Beitrag über einen tief gelegenen, unterirdischen Gang berichtet, der zugemauert wurde. Das weckte unser Interesse, denn schon immer gab es Gerüchte über ein Luftschutzstollensystem, welches die ganze Stadt vom Offerbusch bis zur Talstraße unterquert haben soll.“

Dass es in Velbert Luftschutzanlagen und auch kleinere Bunker in unmittelbarer Anbindung an die Betriebe gegeben habe, ist für die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) nicht verwunderlich, schließlich seien viele Unternehmen Produktionsstätten für die Rüstungsindustrie gewesen und damit stets mögliches Ziel einer Bombardierung. Die Firmen selbst sorgten daher häufig mit dem Bau dieser Anlagen für den Schutz ihrer Mitarbeiter.
Bei den Recherchen wurde das Denkmal-Team jetzt aber durch einen Zufallsfund auf ein bisher wenig bekanntes Relikt aus den Zweiten Weltkrieg aufmerksam. In einem Nachlass einer Privatperson fanden sie Pläne und Unterlagen über einen Teil des Velberter Stadtstollens, die einen Abschnitt vom neuen Stadtplatz an der Hohenzollernstraße, entlang des Friedenswegs und unter der Eisenbahn (heute Panoramaradweg) hindurch bis zu den Gießereien an der Talstraße nachweisen. „Der Stollen hatte Abzweige zu den ansässigen Betrieben und zur Villa Berninghaus an der Höferstraße und konnte über bis zu 18 Meter tiefe Treppenschächte erreicht werden“, so Jürgen Lohbeck. „Dieses Ausmaß an Baumaßnahmen war auch für uns neu und wir stießen auf Dokumente aus dem Jahr 1944, die nachweisen, dass die Bauaufsicht das Tiefbauamt Velbert hatte, das wiederum die Firma Untertage- und Schachtbau ‚Veruschacht‘ aus Essen mit den Arbeiten beauftragte.“

Arbeitsplan aus dem Stadtarchiv enthält Details

Für die Baumaßnahmen unter Tage waren viele Arbeiter nötig und da die meisten Männer eingezogen waren, „lieh“ sich "Veruschacht" Zwangsarbeiter von den Velberter Unternehmen, meist Gießereien. Ein Arbeitsplan aus dem Stadtarchiv belegt detailliert, dass der Stollen von überwiegend russischen Kriegsgefangenen im Dreischichtbetrieb, also rund um die Uhr in den Jahren 1944 bis 45 in fieberhafter Schwerstarbeit angelegt wurde. Aber auch Italiener und Franzosen waren unter den Zwangsarbeitern. Ihr Lager befand sich an der Friedrichstraße 24. „Ein dunkles Kapitel der Velberter Stadtgeschichte. Doch genau hier setzen wir an. Unser Ziel ist es, geschichtliche Themen umfassend zu dokumentieren. Zum Thema ‚Stadtstollen‘ gehört dieses Kapitel dazu.“

„Es darf nichts in Vergessenheit geraten"

Man wolle Geschichte lebendig halten und Erinnerungskultur gestalten, sind sich die Männer der Denkmalpflege einig. „Es darf nichts in Vergessenheit geraten. Gerade heute ist das besonderes wichtig“, so Lohbeck. 400 laufende Meter waren zum Kriegsende ausgebaut, das Projekt konnte allerdings nie vollendet werden, so die Recherchen der Arbeitsgruppe. Rund 6.000 Einwohner konnten in dem bombensicheren, in 18 Meter Tiefe liegenden Stollen, Schutz finden. Bis März 1945 wurde an ihm gebaut.

In einem Bebauungsplan der Stadt Velbert aus dem Jahr 1979 ist das Stollensystem - mit Einstiegs- und Lüftungsschächten rund um die Berninghaus-Villa - verzeichnet. Ein Foto aus dem selben Jahr dokumentiert die letzte „Befahrung“ des Stollens an der Friedensstraße – sprich, die letzte Begehung von Fachleuten vor der Verfüllung. Seit dieser Zeit herrscht Stille um das Thema „Velberter Stadtstollen“. „Vieles ist längst vergessen, keiner weiß was, im Stadtarchiv findet man nicht viel“, so Josef Niedworok. Doch es gibt noch viele offene Fragen: War der Stollen nur zum Schutz der Bevölkerung vorgesehen? Oder sollte eine Produktionsverlagerung nach „unter Tage“ stattfinden? Wer durfte die Stollen benutzen – nur die Belegschaft der Firmen? Wurde der Stadtstollen fertiggestellt?

Aufruf an die Bevölkerung

Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege rufen daher nun die Bevölkerung auf, Zeitzeugenberichte, Fotos oder Unterlagen abzugeben, sofern sie heute nach über 70 Jahren noch verfügbar sind. Für Zeitzeugenberichte, Rückfragen und Kontaktaufnahmen wurde die Email-Adresse stadtstollen-v@gmx.de geschaltet. Ansprechpartner ist Jürgen Lohbeck, er ist von montags bis freitags von 17.30 bis 19 Uhr oder am Wochenende unter Tel. 02052/928440 erreichbar. Berichte werden auch anonym behandelt.

Autor:

Astrid von Lauff aus Velbert-Langenberg

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