Reges Treiben auf dem Wochenmarkt: Oft landet ein Apfel mehr in der Tüte

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Viel zu früh klingelt der Wecker, draußen ist es kalt und dunkel, die Nacht war kurz. Doch wer pünktlich auf dem Wochenmarkt stehen möchte, um seine Ware zu verkaufen, der muss da durch - und zwar bei jedem Wetter und das Ganze gleich mehrmals die Woche. Im Rahmen der Serie "Der Stadtanzeiger will's wissen" packte Redakteurin Maren Menke in Neviges am Stand von Früchte Kühn mit an.

Zwei Sträuße Brokkolie zum Vorzugspreis für nur einen Euro, helle und dunkle Trauben im Angebot, 2,5 Kilogramm Äpfel zum Sonderpreis, leckere Pfifferlinge, dafür aber keine Champions - jeden Tag sind die Angebote anders, dennoch muss man sie im Kopf haben, um die Kunden darauf aufmerksam machen zu können. "Je nachdem, welche saisonalen Produkte wir im Großhandel bekommen, können wir unseren Kunden Angebote und Sonderaktionen bieten", erklärt Roman Kühn, der mit seiner Mutter Eva sowie den beiden Mitarbeitern Paul und Ali mehrmals wöchentlich auf Märkten in Neviges, Essen-Rüttenscheid und Essen-Kupferdreh steht.

Hier wird immer abgerundet

Freundlich nach den Wünschen fragen, die entsprechende Ware abwiegen, den Preis ermitteln und kassieren - schon früher beim Spielen am Kaufmannsladen hat das Spaß gemacht. Wenn es aber um frische Produkte und echtes Geld geht, darf kein Fehler unterlaufen. Also schauen die Experten erstmal noch genau hin, damit das Kassensystem mit integrierter Waage auch richtig bedient wird. "Dass manches Obst mit einem Kilopreis ausgezeichnet ist, anderes aber stückweise verkauft wird, macht es natürlich nicht einfacher - aber das lernst du schnell", ermutigt Paul. Und wer hätte das gedacht: Hier wird immer abgerundet. "Zeigt der Bon an, dass der Kunde 3,98 Euro zu bezahlen hat, werden nur 3,95 Euro kassiert", erklärt mir Eva. "Und oft bekommen unsere Stammkunden auch mal einen Apfel oder eine Clementine zusätzlich in ihre Tüte gepackt."

Während die ältere Damen gewohnt routiniert ihren Einkaufszettel abarbeitet und auch nichts anderes nimmt als das im Vorfeld notierte, steht die junge Mutter mit ihrem Sohn vor dem vielfältigen Angebot und muss lange überlegen, was nun im Einkaufskorb landen soll. Denn so unterschiedlich wie das Warenangebot der einzelnen Marktbeschicker, so unterschiedlich sind auch die Bürger und ihre Einkaufsgewohnheiten. Kein Wunder, dass der eine oder andere sich schwer tut mit der Entscheidung: Kartoffeln, Lauch, Feldsalat, Brokkoli, Rosenkohl und Endiviensalat liegen hier beieinander, direkt daneben findet man Bananen, Birnen, Mangos, Avocados, helle und dunkle Weintrauben, Erdbeeren, verschiedene Äpfelsorten, Walnüsse, etc.

Doch schon zwei Stunden bevor der Verkauf auf der Elberfelder Straße in Neviges losgeht, beginnt hier ein fleißiges Treiben. Große Wagen rollen an, Tische, Körbe, Pavillons und mehr werden ausgeladen. Routiniert bauen auch Eva, Roman, Paul und Ali den Stand auf, legen frisches Obst und Gemüse an den richtigen Platz, versehen die Ware mit Preisschildern und plaudern mit den anderen Marktbeschickern - all das in zügigem Tempo zu einer Zeit, bei der andere noch unter ihrer Bettdecke liegen. Als Laie hat man da einige Startschwierigkeiten und ist nicht wirklich eine große Hilfe. "Wir kennen es ja nicht anders", so Eva, die vor rund 30 Jahren mit ihrem Ehemann in das Geschäft ihrer Schwiegereltern eingestiegen ist. Inzwischen übernimmt Sohn Roman immer mehr Aufgaben und soll zukünftig die komplette Verantwortung bekommen.
"Früh morgens gute Laune zu haben, fällt hier nicht schwer. Wir kennen uns, sind alle per Du und arbeiten gerne zusammen." So ist es auch nicht ungewöhnlich, wenn man mal den anderen Marktstand besucht, um ein Schwätzchen zu halten oder beim Kollegen etwas Brot, Käse oder Wurst zu kaufen. Auch die Gespräche mit den Besuchern sind viel persönlicher als im Supermarkt. "Einige kennen wir schließlich schon seit vielen Jahren. Manchmal wird uns auch Leid geklagt oder von freudigen Ereignissen berichtet", sagt Eva.

Das Kaufverhalten hat sich verändert

Bei einem sind sich alle einig: Das Kaufverhalten hat sich verändert und somit werden die Bedingungen für die Händler immer schwieriger. "Früher waren die Märkte um 7 Uhr gut besucht und man hatte viel zu tun, inzwischen ist zwischen 11 und 12 Uhr das meiste Treiben", so Eva. "Und leider wissen immer weniger den Marktbesuch zu schätzen und bevorzugen den schnellen Einkauf im Supermarkt", bedauert Roman. "Wir wissen genau, aus welchem Land unser Obst kommt, ob die Clementinen eher süß oder sauer schmecken, ob die reife Birne weiches Fruchtfleisch hat oder nicht und welche Apfelsorte für den leckeren Kuchen verwendet werden sollte. Diese ausführliche Beratung gibt es bei uns gerne dazu. Ist das bei dem Discounter um die Ecke auch so?"

Und trotz dieser Entwicklung stehen sie gerne mehrmals die Woche früh - manches Mal sogar um 3 Uhr - auf. Und übrigens: Die Befürchtung, dass die Finger kalt werden und auch der Rest des Körpers bei diesen Temperaturen auskühlt, war völlig überflüssig. Dank warmer Klamotten und viel Bewegung war einem eigentlich immer warm. Denn wer zum Beispiel Äpfel und auch Kartoffeln kauft, schickt den Händler einmal von rechts sechs Meter rüber an den Stand nach ganz links.

Autor:

Maren Menke aus Velbert

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