Wie die Krupp'sche Nachtscheinanlage in Velbert Leben rettete

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Die Krupp-Werke in Essen hatten während des Zweiten Weltkrieges als Waffenproduzent eine wichtige Funktion. Sie galt es vor den Angriffen der alliierten Bomber zu schützen. Dazu wurde südlich der Ruhr in circa zehn Kilometern Entfernung auf dem Rottberg in Velbert eine Nachtscheinanlage errichtet.

Heute zeugt nur noch der Leitbunker von der Anlage, lange Zeit war sie fast in Vergessenheit geraten. Erst die Publikation von Jürgen Lohbeck 2012 brachte das Thema wieder ins Gespräch - und das Interesse war groß. An drei Tagen des offenen Denkmals kamen 3.000 Besucher zum Rottberg, ließen sich informieren und brachten auch selbst eigene Geschichten oder alte Belege rund um das Scheindorf mit.
"In den vergangenen fünf Jahren haben wir so viele neue Erkenntnisse gewonnen, dass es Zeit war für ein neues Buch", sagt Dr. Jutta Scheidsteger vom SCALA-Verlag. Das ist jetzt unter dem Titel "Die Krupp'sche Nachtscheinanlage in Velbert" erschienen.
Die Erkenntnisse aus dem Jahr 2012 wurden ergänzt und mit Zeitzeugenberichten, neuen Fotos und Dokumenten ergänzt. So kamen die Autoren Jürgen Lohbeck, Dr. Helmut Grau und Sven Polkläser beispielsweise an den Nachlass eines Soldaten, der in der Anlage Dienst verrichtete und dessen Aufgabe es war, Schäden durch Bombenangriffe zeitnah zu reparieren.

Täuschung mit einfachsten Mitteln

 
"Mit einfachen Materialien wurde auf einer eineinhalb mal zweieinhalb Kilometer großen Fläche der Anschein erweckt, dass sich hier die Krupp-Werke befinden", erläutert Dr. Grau. Unter anderem wurde ein großflächiges Fabrikdach nachgebaut, ein 36 Meter hoher Schornstein errichtet und sogar eine Eisenbahn fuhr nachts im Kreis. "Es wurden Rauchschwaden und Schweißlichteffekte erzeugt und sogar Erfolgsfeuer gezündet, die Treffer vortäuschen sollten", weiß Polkläser. All das steuerten sechs bis acht Soldaten aus dem bis heute erhaltenen Leitbunker heraus. Um den britischen Fliegern die Orientierung zu erschweren, wurde 1941 außerdem der Baldeneysee trocken gelegt.

Mehr als 5500 Bomben trafen den Rottberg

Die Anlage verfehlte ihre Wirkung nicht: Von 1941 bis 1943 trafen mehr als 5.500 Bomben das Scheindorf. "Es gab zwar Schäden an den Bauernhäusern am Rottberg, aber keine Toten", so Lohbeck. Die Autoren sind sicher, der Erfolg der Anlage war damit begründet, dass die britischen Flieger nur nachts angriffen und auf Sicht flogen. Mit der technischen Weiterentwicklung - 1943 gab es das Bodenradarsystem - waren Täuschungen nicht mehr möglich und das Ende der Nachtscheinanlage eingeläutet. Es dauerte aber bis zum 16. April 1945, bis die Amerikaner die Militäranlage einnahmen.
Bis zu diesem Tag war hier der Obergefreite Friedrich Voßmeier stationiert. Der gelernte Verleimer und Furniertischler hatte die Aufgabe, Schäden an der Anlage schnellstmöglich zu beheben, um die Täuschung aufrecht zu erhalten. Er war - wie die anderen Soldaten seiner Einheit - in Baracken am Waldrand untergebracht. Als Kostgänger war er der Familie Böllert zugewiesen, Fotos zeugen von einem freundschaftlichen Verhältnis, das sich zwischen dem Gast und der Familie entwickelt hat. So auch das Titelbildes des neuen Buches: Der Soldat steht mit der Familie Böllert auf der Wiese, im Hintergrund der Schein-Schornstein. Ein passenderes Motiv hätten sich die Autoren nicht ausdenken können.

Das Buch "Die Krupp'sche Nachtscheinanlage in Velbert" ist ab sofort im Handel erhältlich.
Führungen rund um die Anlage werden nach Kontaktaufnahme mit den Autoren angeboten. Anfragen über die Homepage www.nachtscheinanlage.de.
Am 10. September gibt es eine geführte Wanderung über den Rottberg. Anmeldungen sind hier möglich.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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