"Pöstchen" zu vergeben? Nach der Abwahl von Holger Richter sucht die Stadt Velbert einen neuen Beigeordneten

Fotos: Archiv

Die Suche nach einem neuen Beigeordneten für die Stadt Velbert geht in die nächste Runde: Momentan ist die Stellenausschreibung auf der Homepage zu finden, und sie wirft Fragen auf.

Zur Erinnerung: Im Dezember hatte der Rat der Stadt den Beigeordneten Holger Richter nicht wiedergewählt. Das hat den außenstehenden Beobachter durchaus überrascht. Nach außen hatte Holger Richter mit seiner jahrzehntelangen Verwaltungserfahrung stets souverän und kompetent gewirkt, nie hatte es öffentlich Kritik an seiner Arbeit gegeben. Mehr als ein Dutzend Lokalpolitiker verschiedener Fraktionen hatten zur Abstimmung gar den Ratssaal verlassen. „Wir werden uns an so einer Farce nicht beteiligen und haben deshalb an der geheimen Abstimmung nicht teilgenommen“, kommentierte etwa der UVB-Fraktionsvorsitzende Dirk aus dem Siepen.
Schnell wurde die Abwahl nicht nur in Politikerkreisen als „abgekartertes Spiel“ bezeichnet. Denn Richter kann nun, im Alter von 57 Jahren, mit seinem „Ruhegehalt“ die Arbeit an den Nagel hängen – auf Kosten der Steuerzahler. Denn die müssen nicht nur Richters Pension in Höhe von bis zu 72 Prozent des Beigeordneten-Gehaltes finanzieren, sondern auch seinen Nachfolger bezahlen, der pro Monat 7479,14 Euro erwarten darf.

Immer wieder taucht der Name Böll auf

Richter macht also den Weg frei für einen Neuen. Wer das wird, darüber munkeln die Velberter schon seit der letzten Bürgermeisterwahl: Gerno Böll, unterlegener SPD-Kandidat - dieser Name wird in Politikerkreisen immer wieder gehandelt. Zufall, dass ausgerechnet seine Partei die geheime Abstimmung beantragt hatte und damit für Intransparenz gesorgt hat, welches Ratsmitglied wie abstimmt? Zufall, dass Böll 2015, ein Jahr nach der Wahl, direkt als Leiter des Fachbereichs Bildung, Kultur, Sport und Chef von 180 Mitarbeitern seine Karriere bei der Stadt Velbert begann? Eine Mitbewerberin wollte die Einstellung Bölls sogar gerichtlich stoppen, zog ihren Antrag auf einstweilige Verfügung aber zurück, als ihr die Richterin beim Gerichtstermin verdeutlichte, dass die Beweislage nicht ausreichte.
Nun geht es um einen Posten im Verwaltungsvorstand. Gesucht wird ein Beigeordneter für die Bereiche „Bürgerdienste/Jugend, Familie und Soziales/Bildung, Kultur und Sport“. Gemeinhin stellt man sich darunter eine Führungspersönlichkeit an der erweiterten Stadtspitze vor, schließlich soll die Person 400 Mitarbeiter führen. Umso überraschender ist die Stellenausschreibung: „Die Bewerberinnen bzw. Bewerber müssen die für das Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen gemäß § 71 GO NRW erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen.“ Wer sich die Mühe macht, nachzulesen, was in dem Paragrafen steht, wird nicht viel schlauer. "Die Beigeordneten müssen die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen."
Also weiter nachfragen, beim Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW. Von dort heißt es: „Bei diesen beiden Kriterien handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff (…) Der gewählte Bewerber brauche zwar weder einen vorgeschriebenen noch einen üblichen Ausbildungsweg zurückgelegt zu haben; er müsse weder Prüfungen abgelegt haben noch brauche er als hauptamtlicher Beamter tätig gewesen zu sein. Er müsse aber aufgrund seines bisherigen Werdeganges und seiner beruflichen Tätigkeit fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten erworben sowie Erfahrungen gesammelt haben, die ihn befähigen, die betreffende Stelle wie ein fachlich vorgebildeter Beamter auszufüllen.“

Die Stadt Rheine wird viel deutlicher als Velbert

Andere Städte stellen da scheinbar höhere Ansprüche, etwa die Stadt Rheine. „Unsere Ausschreibung richtet sich an Damen und Herren mit einem abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudium oder Fachhochschulstudium. Eine mehrjährige Erfahrung in einer dem Amt angemessenen hauptamtlichen Verwaltungstätigkeit mit Führungsverantwortung ist nachzuweisen, wünschenswerterweise im kommunalen Dienst. Ausreichende finanzwirtschaftliche Kenntnisse oder Erfahrungen im kommunalen Finanzwesen sind ebenfalls erwünscht. Die beamtenrechtlichen Voraussetzungen nach § 7 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind zu erfüllen. Engagement und analytisch und konzeptionelle Fähigkeiten sind ebenso wesentliche Elemente des Anforderungsprofiles wie soziale Kompetenz, Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen und Kooperationsbereitschaft. Eine dienstortnahe Wohnsitznahme wird erwartet.“
Dazu Stadt-Pressesprecher Hans-Joachim Blißenbach: „Die Anforderungen der Stadt Velbert sind keinesfalls gering. Sie sind vielmehr offen formuliert, um so einen möglichst großen Bewerberkreis anzusprechen. Die Stadt Velbert hat die Stellenausschreibung bewusst so formuliert, dass Bewerber aus unterschiedlichen Fachrichtungen sich bewerben können.“
Wie viele Bewerbungen bislang eingegangen sind, dazu wollte Blißenbach nichts sagen – „um das Bewerbungsverfahren nicht zu beeinflussen“. Nach Bewerbungsschluss am 5. Februar werde er diese Frage gerne beantworten.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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