Freitag und Lindemann: "Wir stehen nicht mehr zur Wahl"

Bürgermeister Stefan Freitag und Stadtkämmerer Sven Lindemann stehen für eine weitere Amtsperiode nicht mehr zur Verfügung. Das teilten sie heute auf einer Pressekonferenz mit. Über die Gründe sprach Stadtanzeiger-Redakteurin Miriam Dabitsch mit den Beiden.

Herr Freitag, Ihre Entscheidung kommt überraschend. Warum stellen Sie sich nicht für eine dritte Amtsperiode zur Wahl?
Die politischen Gegebenheiten haben sich geändert. Vor acht Jahren hatte ich mit SPD, CDU, FDP und UVB eine breite politische Unterstützung. Ich konnte als parteiübergreifender Verwaltungsfachmann in Position des Bürgermeisters agieren. Dies ist künftig anders, denn die SPD möchte einen eigenen Kandidaten aufstellen. Dagegen hege ich keinen Groll, aber ich brauche für die Arbeit als Bürgermeister diese breite politische Allianz - das ist die Grundvoraussetzung für mein Amtsverständnis. Da dieses Modell nicht mehr gegeben ist, ich mir aber selbst treu bleiben will, ist im Frühsommer diese Entscheidung gefallen.

Und Sie, Herr Lindemann? Haben Sie keine Lust mehr zu sparen?

Damit hat meine Entscheidung nichts zu tun. Zumal ich die Erfahrung gemacht habe, dass im direkten Austausch mit den Bürgern viel Akzeptanz für die Sparmaßnahmen vorherrschte. Die Zeit als Kämmerer war lehrreich und interessant, und jetzt freue ich mich auf die neue Herausforderung.

Sie werden voraussichtlich Ende 2013 Chef der Technischen Betriebe Velbert...

Genau. Da warten neue Herausforderungen. Etwa den Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, beispielsweise im Bereich Müllabfuhr. Der demografische Wandel spielt eine Rolle, denn die Zahl der Beitragszahler sinkt bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Kosten. Und nicht zuletzt gefällt mir die Mischung aus Bau- und Verwaltungsleuten, mit denen ich zu tun haben werde. Das ist spannend, die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen.

Eine neue Herausforderung hätten Sie auch als Bürgermeister-Kandidat haben können.

Das stimmt. Zurzeit kommt diese Aufgabe aus familiären Gründen nicht für mich in Frage. Das Bürgermeister-Amt ist ein sehr öffentliches und geht mit einem Verlust an Privatsphäre einher. Das ist schwierig, wenn man zwei kleine Kinder hat. Deshalb sage ich dem Nachfolger von Herrn Freitag meine volle Unterstützung zu. Aber: Sag‘ niemals nie...

Wie hat Ihre Familie auf den Entschluss reagiert, nicht mehr als Bürgermeister zu kandidieren, Herr Freitag?

Das sei allein meine Entscheidung, hat meine Familie gesagt. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass sie mit meiner Entscheidung durchaus zufrieden sind, denn es drängt meine Familie nicht so ins Rampenlicht – und da stehst Du als Frau, Sohn, Mutter, Vater eines Bürgermeisters nun einmal.

Sie haben Ihre neue Aufgabe angesprochen. Voraussichtlich ab Sommer 2014 werden Sie hauptamtlicher Geschäftsführer der Beteiligungsholding der Stadt (BVG). Erklären Sie bitte kurz, was dahintersteckt.

Die BVG wurde 1991 von der Stadt Velbert gegründet. Die Beteiligungen der Stadt Velbert an einzelnen Gesellschaften sind darin zu einer Konzernholding zusammengefasst. Tochterunternehmen der BVG sind unter anderem die Wobau Velbert, Stadtwerke Velbert, die Verkehrsgesellschaft Velbert und die Kultur- und Veranstaltungs GmbH.

Wie sieht Ihre Aufgabe aus?

Meine Aufgabe wird sein, eine Richtung in diesem riesigen Gemischtwarenladen vorzugeben, nach Synergien zu suchen, gute Dienstleistungen für die Bürger anzubieten und - nicht zuletzt - Gewinne zu erwirtschaften und sich im Wettbewerb zu behaupten. Für mich geht es damit zurück zu den Wurzeln, denn diese Aufgabe ähnelt eher der Tätigkeit eines Kämmerers.

Sie beide bleiben ihrer Heimatstadt treu. Was entgegnen Sie Vorurteilen, Sie hätten sich mit den neuen Aufgaben selbst ein Plätzchen im Trockenen gesucht?

Stefan Freitag: Denen entgegne ich, dass es in Velbert keine Versorgungsposten gibt. Wir verlassen beide den Hafen des Beamtentums und die Vorteile, die damit verbunden sind. Und das bei finanzieller Gleichstellung. Da kann man nicht von Versorgungsposten sprechen.
Lindemann: Es ist auch nicht so, dass Headhunter nicht mit anderen Angeboten auf mich zugekommen wären. Ich habe mich für die Konstanz entschieden, die mir die Fortsetzung der Arbeit in Velbert gibt.

Herr Freitag, finden Sie den Zeitpunkt für die Bekanntgabe gelungen? Meinen Sie nicht, dass die Akzeptanz Ihnen gegenüber für die verbleibenden knapp zwei Jahre sinkt?

Ich hatte die Wahl: Entweder halte ich mit der Entscheidung so lange wie möglich hinter dem Berg, um solche Befürchtungen zu umgehen. Oder ich verhalte mich fair gegenüber meinen Mitarbeitern, den Parteien und Bürgern. Ich habe mich für die Fairness und Ehrlichkeit entschieden und bin sicher, dass mir das auch entgegengebracht wird.

Warum geben Sie Ihre Entscheidungen am selben Tag bekannt? Schürt das nicht Ängste, wenn zwei von fünf Mitarbeitern der Verwaltungsspitze ihr Aufhören bekannt geben?

Freitag: Wir haben lange darüber nachgedacht, wie wir das sinnvoll angehen. Stellen Sie sich vor, einer hätte zwei Monate vor dem anderen mitgeteilt, dass er nicht mehr zur Wahl steht. Dann hätte es geheißen: Der macht das nicht ohne den. Zudem steht an der Spitze ein erfahrenes Team. Da sind Ängste unbegründet.

Autor:

Miriam Dabitsch aus Velbert

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