Eine neue Aufklärung? - Dr. Heiner Geißler referierte in Waltrop

Allein das Internet bietet täglich Milliarden von Informationen. Theoretisch kann jeder alles wissen. Ist das wirklich so oder brauchen wir eine neue Aufklärung? Bei seinem Besuch in Waltrop forderte Dr. Heiner Geißler die Menschen auf: „Sapere aude!“ („Wage zu denken!“)

Nur wenige Politiker unserer Zeit stehen so für Glaubwürdigkeit, Klarheit und politische Kompetenz, wie Dr. Heiner Geißler. Auf Einladung der Waltroper Volkshochschule in Kooperation mit den katholischen und evangelischen Kirchengemeinden referierte er zum Thema „Neue Formen der Demokratie“ oder „Brauchen wir eine neue Aufklärung?“

25 Jahre lang war der studierte Philosoph und Rechtswissenschaftler Mitglied des Deutschen Bundestages. Er fungierte als Landesminister, Bundesminister und Generalsekretär der CDU und gilt als einer der besten politischen Redner der Bunderepublik. Das bewies er, trotz seines hohen Alters von fast 86 Jahren, auch im ausverkauften Saal des Hauses der Begegnung in Waltrop.

„Brauchen wir wirklich eine neue Aufklärung oder wissen wir schon alles?“, provokant stellte Dr. Heiner Geißler diese Frage in den Raum und untermauerte: „Uns stehen täglich 22 Milliarden Zeitungsseiten und 15.000 Fernsehkanäle weltweit zur Verfügung. Mehr Information geht nicht! Doch wissen wir, was wir wissen müssen?“

Er erinnerte an den Finanzskandal vor wenigen Jahren, an dem sich wenige bereichert und viele ihr Hab und Gut verloren haben. Er prangerte an, dass weltweit an Börsen mit Lebensmittelpreisen spekuliert wird. Die Folge: Wenn die Preise steigen, erhöhen sich die Gewinne der Anleger, aber die Ärmsten der Armen müssen hungern.
Eindrucksvoll beschrieb Heiner Geißler das Ungleichgewicht von Geld- und Handelsvolumen: „Vor 250 Jahren regierten Adel, Kirche und Großgrundbesitzer. Damals rief federführend Emanuel Kant zur Aufklärung und zu Reformen auf. Heute regieren die drei G: Geiz, Gier und Geld.“

Viele preisen die vermeintliche Intelligenz von erfolgreichen Finanzgenies. „Falsch“, sagte Heiner Geißler. „Wir brauchen eine Kombination von Finanzintelligenz und ethischer Intelligenz, denn wir haben Geld wie Dreck, es wird nur falsch verteilt. Solange der Mensch nur als Kostenfaktor zählt, werden falsche Entscheidungen getroffen. Unter rein finanziellen Gesichtspunkten wird es für unheilbar Kranke oder Alte keine ausreichende Medizin geben. Doch schon Aristoteles sagte: ‚Politik ist nichts anderes, als das geordnete Leben der Menschen zu ermöglichen‘“.
Darauf vertrauten immer weniger Menschen. Überall in der Welt zeigten sich Ansätze zum zivilen Widerstand. Einzig der Mensch müsse wieder im Vordergrund stehen. „Wage zu denken“ sei heute wichtiger denn je.

Heiner Geißler machte den ökonomischen, religiösen, völkischen Absolutismus und die Unterdrückung der Frauen in weiten Teilen der Welt für Kriege und Flucht verantwortlich. Er selbst stellte die Frage: Spinnt Angela Merkel, wenn sie Flüchtlingen Hilfe anbietet? „Nein“, unterstrich der Politiker. „Solange die Flüchtlingsursachen nicht behoben werden, werden die Flüchtlinge kommen, ob wir die Grenzen schließen oder nicht.“ Doch wer weiterhin Exportweltmeister sein möchte, sollte sich fragen, wie sich geschlossene Grenzen auf den Handel auswirken würden.

Nicht müde werdend, stellte sich der fast 86-jährige Geißler nach seinem Vortrag und einer kurzen Pause noch den Fragen der Gäste.

Autor:

Petra Pospiech aus Recklinghausen

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