Das Kolumbarium St. Pius in Wattenscheid ist ein Ort für die Toten - und die Lebenden

Das Kolumbarium St. Pius. | Foto: Heußner

„St. Pius wurde 1956 als Pfarrkirche errichtet und 2006 geschlossen, weil sie als Gottesdienstraum nicht mehr benötigt wurde.“ - Pastoralreferent Ralf Tietmeyer steht in der Begräbniskirche, dem Kolumbarium St. Pius, durch das er öfter auch Besucher führt. Den größten Teil seiner Arbeit machen jedoch Beerdigungsdienst und Trauerbegleitung aus.

Ein Kolumbarium ist ein Bauwerk, welches der Aufbewahrung von Urnen dient. „Kolumbarien finden sich vorwiegend in Westdeutschland“, gibt Tietmeyer einen Überblick, „etwa in Köln, Mönchengladbach, Mülheim oder Datteln. Im Süden sind solche Einrichtungen dagegen nicht zu finden. Die Kremierung ist dort viel weniger verbreitet.“
„Die Idee, eine Urnenbestattungskirche aus St. Pius zu machen“, erinnert sich Tietmeyer, „kam relativ schnell auf, wurde von Bischof Genn allerdings abschlägig beschieden. Als Franz-Josef Overbeck 2009 das Amt des Bischofs von Essen übernahm, entschied man sich für einen neuen Versuch. Dabei stellte man die Schaffung eines trauerseelsorgerischen Netzwerks in den Mittelpunkt.“ Diesmal war das Ansinnen erfolgreich. Tietmeyer erzählt, wie das Unterfangen in die Tat umgesetzt wurde: „Es ging an den Umbau: Die Bänke wurden entfernt und der Altarraum verändert. In der Mitte wurde ein Aufgang geschaffen.“ - Der Weg vom Taufbecken zur Osterkerze symbolisiert den Ablauf des Lebens.

Keine anonymen Beisetzungen

Die Urnenkammern auf dem Boden und an den Wänden sind teilweise mit Blumen geschmückt. Es ist ein Vormittag mitten in der Woche – auch zu dieser Zeit sind Menschen zugegen, die die Urne ihres Angehörigen aufsuchen. Seit nunmehr etwa zweieinhalb Jahren wird St. Pius als Kolumbarium genutzt. „Wir tragen“, erläutert Tietmeyer, „der Individualität der Toten Rechnung. Deshalb nehmen wir keine anonymen Beisetzungen vor – Namen und Lebensdaten sind auf der Urnenkammer vermerkt.“
Das Kolumbarium trägt aber noch auf andere Weise zur Erinnerungskultur bei. An den Wänden finden sich zahlreiche Namen. Was hat es damit auf sich? Ralf Tietmeyer gibt die Antwort: „Es handelt sich um die Namen von Verstorbenen, von denen es kein Grab mehr gibt oder deren Begräbnisstätte zu weit entfernt ist, um sie regelmäßig aufzusuchen. Erst hatten wir für diesen Zweck eine einzelne Wand vorgesehen. Mittlerweile ist fast die ganze Kirche voll.“

Verabschiedungsräume

Für die Verstorbenen, die eingeäschert werden sollen, sind drei Verabschiedungsräume eingerichtet. „Am häufigsten nutzen wir die alte Taufkapelle“, gibt Tietmeyer Einblick. Wenn er einen der Verabschiedungsräume betritt, begrüßt er zunächst den Verstorbenen. „Aus meinem christlichen Welt- und Menschenbild heraus“, erklärt er, „sind die Toten für mich immer noch anwesend. Die Begrüßung ist für mich deshalb eine Frage des Respekts.“
Nach dem Zusammensein der Weiterlebenden mit den Toten im Verabschiedungsraum kommt der Sarg in den Gottesdienstraum, bevor die Kremierung und im Anschluss die Urnenbeisetzung vorgenommen werden. Tietmeyer kommentiert dieses Vorgehen so: „Der Abschied erfolgt Schritt für Schritt. Nur so kann die Seele der Hinterbliebenen nachkommen.“

Kunst im Kolumbarium

Auffällig ist der hohe Stellenwert, den Kunst im Kolumbarium einnimmt. „Es gab hier in der Kirche keine Mutter-Gottes-Darstellung mehr“, erinnert sich Tietmeyer und fährt fort, „für Pia Scholz von der Verwaltung und mich war das ein unhaltbarer Zustand. In Erkrath haben wir schließlich ein geeignetes Bronzerelief aufgetan.“
„Anfangs sagten viele, der Kirchenraum sei zwar schön, wirke aber tot. Durch den Quellstein im Taufbecken, der überall zu hören ist, hat sich das geändert. Er dient als Lebenssymbol“, führt der Pastoralreferent weiter aus. - Den Kontakt zur Außenwelt schafft auch die Rosette. Die Fensterrose ist auch das Logo des Kolumbariums. „Es gibt viele Rosetten“, schmunzelt Tietmeyer, „aber nur eine mit einem Loch. Ich muss immer an das Wort 'Der liebe Gott tut nichts als fügen.' denken. Ich habe einmal das Gespräch eines Paares mitangehört, das meinte, durch das Loch finde die Seele ihren Weg nach draußen.“ - Das Loch ist mit Klarglas ausgefüllt.

Für alle christlichen Konfessionen

Das Kolumbarium ist eine Einrichtung der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Gertrud von Brabant in Wattenscheid. „Unsere Beisetzungskirche“, betont Tietmeyer, „steht aber allen christlichen Konfessionen offen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Beisetzung mit Gebet und Segen erfolgt. Wir haben noch niemanden abgewiesen – egal ob katholisch, evangelisch oder aus der Kirche ausgetreten. Das ist in meinen Augen ein wichtiges soziales Signal.“
„Das Kolumbarium ist nicht nur ein Ort für Angehörige, sondern auch für andere Menschen. Gerade der Gedenkgottesdienst am Karfreitag ist stets gut besucht. Dazu gibt es Kulturveranstaltungen wie das 'Konzert auf leisen Sohlen' mit Harfenmusik. Das war so erfolgreich, dass wir es in diesem Jahr wiederholen.“

Trauercafé

Zwei Räume sind für das monatliche Trauercafé reserviert. Dieses wird in erster Linie von Menschen besucht, die Angehörige im Kolumbarium beigesetzt haben, steht aber allen Interessierten offen. „Die Atmosphäre in den beiden Räumen“, erzählt Tietmeyer, „ist sehr unterschiedlich. In dem einen unterhalten sich die Menschen, im anderen herrscht Stille. Gerade diese Stille muss Platz haben.“

Informationen
Das Kolumbarium St. Pius, An St. Pius 2, ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Alles Wissenswerte gibt es auf www.kolumbarium-wattenscheid.de.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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