Verständigung mit dem Fußball: FSV Sevinghausen hat Trainingsgruppe für Flüchtlinge gegründet

Vor dem eigentlichen Fußballtraining heißt es für die Flüchtlinge dehnen und aufwärmen.
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  • Vor dem eigentlichen Fußballtraining heißt es für die Flüchtlinge dehnen und aufwärmen.
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Fußball gilt als Weltsprache. Ich selbst kann da nicht mitreden, da ich, was diesen Sport angeht, eher Analphabetin bin. Nichtsdestotrotz wollte ich jetzt beim FSV Sevinghausen testen, ob an diesem Anspruch der Völkerverständigung durch das runde Leder etwas dran ist. Dort trainieren nämlich seit einigen Wochen Flüchtlinge aus aller Herren Länder, die in der benachbarten Unterkunft Auf dem Esch wohnen. Babylonisches Sprachgewirr ist vorprogrammiert. Aber klappt es trotzdem mit dem gemeinsamen Spiel?

Um die Antwort vorwegzunehmen: Ja, es klappt. Die Fußball-Weisheit „Das Runde muss ins Eckige“, die üblicherweise dem früheren Nationaltrainer Sepp Herberger zugeschrieben wird, ist international bekannt. Und um dem Mitspieler aus der eigenen Mannschaft zu signalisieren, dass man frei steht, reicht ein Zuruf. In welcher Sprache spielt dabei keine Rolle.
Fünf gegen fünf stehen sie heute auf dem Platz. Wann immer sich der Ball einem Tor nähert, wird es laut. Was die Männer rufen, verstehe ich genauso wenig wie die meisten von ihnen untereinander, aber am Tonfall höre ich, ob sie sich anfeuern oder vor der drohenden Tormöglichkeit warnen.
„In der Spitze waren es bis zu 20 Mann“, erzählt mir Erhard Jaskolla, sportlicher Leiter des Gesamtvereins, der das Training der Flüchtlingsgruppe übernommen hat. Etwa 16 bis 40 Jahre alt sind die Männer und Jugendlichen, und sie stammen unter anderem aus Syrien, Pakistan, Bangladesch, Guinea, Albanien und Marokko.

Abwechslung für die Flüchtlinge

Die Idee zu der Trainingsgruppe hatte Werner Baum, Kassierer beim FSV Sevinghausen und zugleich in der Ökumenischen Flüchtlingsinitiative Brückenbauer aktiv, die sich in den Flüchtlingsunterkünften in Höntrop engagiert. „Das ist eine schöne Abwechslung für die Bewohner“, sagt Hannah Dißelbeck, ebenfalls Brückenbauerin.
Das bestätigt mir Saleh Sheikhmoussa, Kurde aus Syrien, der dort sieben Jahre im Verein gespielt hat. „Ich habe viel Zeit“, sagt der 18-Jährige, der in Wattenscheid einen Deutschkurs besucht. Da aber noch nicht alle seine Mitspieler so gut deutsch können, greift er beim Training zum Teil auf Arabisch oder Kurdisch zurück.
Ich kenne keine der Sprachen, die auf dem Platz gesprochen werden, aber beim Zugucken merke ich, dass sich meist zwei, drei Spieler untereinander verständigen können. Ich frage nach bei Saqib Ali, der aus Pakistan stammt und dessen Muttersprache Urdu ist. Seinen Dialekt versteht ein Flüchtling aus Bangladesch, der auch mittrainiert. Anders herum funktioniere es aber nicht so gut, erklärt der 28-jährige Ali auf Englisch.

Mix aus Deutsch und Englisch

Beim Training kommt ein Mix aus Deutsch und Englisch zum Einsatz. „Let's go“ und „Schneller“ ruft Jaskolla den Fußballern zu und macht ihnen zugleich vor, wie sie den Trainingsparcours durchlaufen sollen, den er aus Hürden aufgebaut hat. „In the middle of the field. Weiter!“, sagt Jürgen Duah vom DRK, der in der Unterkunft Auf dem Esch arbeitet und heute beim Training mitmacht, als er zusammen mit einem der Flüchtlinge das Tor versetzt.
Es wird viel gelacht auf dem Ascheplatz des FSV Sevinghausen. Beim Training helfen sich die Spieler der Flüchtlingsgemeinschaft gegenseitig, wenn einer die Übungsanweisung von Erhard Jaskolla mal nicht versteht, und spätestens wenn der Trainer das Spiel anpfeift, dann rollt der Ball von ganz allein. Der Sport wird wirklich weltweit verstanden. Daran habe ich nach dem einstündigen Training, das jeden Mittwoch und Freitag ab 18 Uhr stattfindet, keinen Zweifel.
Aber eine Frage bleibt. So richtig integrativ ist das doch nicht, wenn die Flüchtlinge auf dem Platz unter sich bleiben, will ich von Werner Baum wissen. „Die Integration kommt, wenn sie Mitglied in der ersten oder zweiten Mannschaft werden“, lautet seine Antwort. Einige der Trainierenden bringen nämlich viel Erfahrung aus ihren Heimatländern mit. „Die treten nicht zum ersten Mal vor einen Ball“, sagt Baum. Daher sind die Anträge für ihre Spielerpässe bereits eingereicht.

Schuhe gesucht

Für das Training der Flüchtlingsgruppe sucht der FSV Sevinghausen weiterhin Fußball- oder Sportschuhe. Ausrangierte Paare können jeweils mittwochs und freitags ab 18 Uhr an der Sportanlage Auf dem Esch abgegeben werden.

Vor dem eigentlichen Fußballtraining heißt es für die Flüchtlinge dehnen und aufwärmen.
Das Angriffsspiel mit Pass, Abschluss und Torschuss üben die Flüchtlinge.
Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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