Eins der wertvollsten Dinge, das den traumatisierten Menschen vermittelt werden kann: das Gefühl, dass die Fremde Schritt für Schritt zum Zuhause wird. Es gibt kaum etwas, das mehr Normalität verschaffen kann als so ein Erste-Hilfe-Kurs. Jeder, der hierzulande seinen Führerschein will, muss in jungen Jahren einen machen. Und wer ganz ehrlich zu sich selbst ist, absolviert den Kurs später nochmal, um längst vergessenes Wissen aufzufrischen und anderen im Notfall nicht nur in einer verblassenden Theorie helfen zu können. Jedes Jahr gibt es viele solcher Kurse. Nun aber werden bei aller Alltäglichkeit dieser Lehrgänge eben besondere Kurse angeboten.
Im Rahmen der „Jugendverbandsarbeit mit Geflüchteten“ des Landes-jugendrings NRW und dem Jugendrotkreuz Westfalen-Lippe werden in Wattenscheid entsprechende Erste-Hilfe-Lehrgänge für junge Geflüchtete (14-27 Jahre) angeboten. Die Lehrstunden sind ganz auf Flüchtlinge ausgerichtet. „Durch u.a. sprachlich angepasste und kultursensible Erste-Hilfe-Kurse sollen die jungen Geflüchteten niedrigschwellig eine Qualifizierung erhalten und unsere Aktivitäten im Jugendrotkreuz, aber auch dem DRK kennenlernen“, erklärt Ausbildungssachbearbeiter Markus Eisenhuth.
„Viele der Flüchtlinge, die seit ein oder eineinhalb Jahren hier in Deutschland sind, sprechen bereits recht gut Deutsch. Aber die Erklärungen und Begriffe in der Ersten Hilfe sind teilweise doch etwas spezieller. Deswegen haben wir den normalen Kurs ein wenig überarbeitet, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, die Inhalte besser zu verarbeiten“, so Markus Eisenhuth. „Außerdem können wir im Bedarfsfall Dolmetscher hinzuziehen, die als Übersetzer fungieren und die Inhalte z.B. in Arabisch vermitteln. Bisher sind wir allerdings mit Deutsch, Englisch, Französisch und manchmal Arabisch ganz gut klar gekommen und die Teilnehmer haben sich auch oft untereinander geholfen.“
Als Herausforderung gilt bei diesen besonderen Lehrgängen auch die Hürde der gleichgeschlechtlichen Behandlung. „Da stellt sich beispielsweise die Frage, wie ein Mann einer fremden Frau helfen soll“, meint Erste-Hilfe-Ausbilder Christian Lange und fügt weitere Themen hinzu: „Oder wie erklärt sich der Sachverhalt, dass man in Deutschland vom Gesetzgeber her verpflichtet ist zu helfen? Dass "Wegsehen" keine Option ist?“ Er machte bisher auch die Erfahrung, dass einige der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihrem Leben zum Teil schon schwere Schicksalsschläge hinnehmen mussten.
Win-Win-Situation für Ausbilder und Teilnehmer
„Für keinen der bisherigen Kursteilnehmer aber waren die bisherigen Lehrgänge eine "Pflichtveranstaltung“, weil man den Schein halt braucht, um den Führerschein zu machen oder weil der Arbeitgeber einen schickt“, freut sich Markus Eisenhuth. Da einige der Flüchtlinge aktuell ihre Deutschkenntnisse erweitern, mussten sich die Ausbilder bisher mehr Mühe bei der Vermittlung der Fachbegriffe geben. Beispielsweise wurde ein Herzinfarkt dann durchaus mit Händen und Füßen erklärt. Für die DRKler ist der Kurs daher in zweierlei Hinsicht wichtig. „Wir lernen die Kulturen kennen und geben gleichzeitig unser Wissen weiter“, beschreibt der Ausbildungssachbearbeiter die Win-Win-Situation.
Sehr motivierte Teilnehmer
Dass dieses Konzept sinnvoll ist, kann auch Christian Lange nur bestätigen: „Ich habe selten motiviertere Gruppen erlebt, als die Teilnehmer dieser Lehrgänge. Während des Kurses werden sie mit gestellten Übungssituationen konfrontiert und sollen dabei einen kühlenKopf behalten. „Hier das richtige Händchen zu haben und Balance zu halten ist schon eine Herausforderung für unsere Ausbilder. Doch das ist es, was es auch spannend und interessant macht und zu wissen, dass man den traumatisierten Menschen wieder etwas Sinnvolles weitergegeben hat und ihnen ein Stück weit Normalität vermitteln konnte“, freut sich der erfahrene Ausbilder.
Die nächsten kostenlosen Kurse für Flüchtlinge veranstaltet das Rote Kreuz zusammen mit seinem Jugendverband in Wattenscheid, jeweils samstags ab 10 Uhr in den DRK-Räumen an der Voedestraße 53. Kurstermine sind: 28. Oktober und 11. November. Sie sind für die Teilnehmer kostenlos und werden durch eine Förderung des Jugendrotkreuzes Westfalen-Lippe und des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert.
Informationen und Anmeldung
Eine Anmeldung zu den Lehrgängen kann unter der Rufnummer 02327-87017 oder Email an info@drk-wattenscheid.de erfolgen. Ein normaler Erste Hilfe – Kurs findet bereits am Samstag, 21. Oktober 2017 (ab 10 Uhr) im DRK-Zentrum an der Sommerdellenstraße 26 statt. Auch hierzu ist eine Anmeldung erwünscht.
Autor:Christian Lange aus Wattenscheid |
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