VHS - Meine Haare sind Silber, aber mein Wissen ist Gold!

29. September 2011
19:30 Uhr
VHS, 46483 Wesel
Gertrud Liman und Heiko Kirchesch gehen hoffnungsvoll in die Vorbereitung des Projekts.
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  • Gertrud Liman und Heiko Kirchesch gehen hoffnungsvoll in die Vorbereitung des Projekts.
  • hochgeladen von Dirk Bohlen

Jeder Schüler kennt heute Wikipedia, die große Online-Enzyklopädie. Und auch immer mehr ältere Menschen schlagen hier nach, wenn sie sich schnell informieren wollen Etwa wenn der Name Peter Minuit fällt, und man weiß gerade noch „kommt aus Wesel“ und „New York“. Viele Menschen schreiben für Wikipedia. Aber der Anteil der älteren Aktiven ist doch geringer. Deshalb startet in Kürze das Projekt Silberwissen. Der Verein Wikimedia, der hinter Wikipedia steht, will ihr Wissen, ihre Erfahrungen!

Wikimedia kann eine echte Bereicherung der online-Recherche werden. Allerdings nur, wenn viele Teilnehmer helfen, das Portal zu „pimpen“. Vor allem bei regional relevanten Informationen hapert’s bei den Details. Sieht man sich beispielsweise den Artikel zum Thema Wesel an, so fallen Lücken auf.

Nicht alle Ortsteile werden vorgestellt. Und - wo ist unsere schöne, neue Rheinbrücke?
Nur über zwei Bürgermeister der Stadt kann man etwas erfahren.
Die beiden Gymnasien sind zu finden, nicht aber die anderen Schulen.
Ähnlich sieht es für Hamminkeln aus.

Sucht man Fotos aus Hamminkeln, so sind es überwiegend Bilder der Ringenberger Kirche Christ König.

Da sind noch viele Betätigungsfelder, da kann man sich einbringen.

Aber es ist nicht nur das Wissen der Heimatkundigen gefragt.
Der Vater meiner Frau hatte den Beruf des Böttchers gelernt. Der Artikel über diesen Beruf (Böttcher oder Küfer) ist recht kurz. Da hätte mein Schwiegervater sicher viel beitragen können. Doch er ist verstorben. So wird das Wissen und die Erfahrungen über viele alte Berufe irgendwann „versterben“. Wir sollten es nicht so weit kommen lassen.

Auch meine Schwiegermutter ist verstorben. Und mit ihr ist ein Teil der erlebten Geschichte der Vertreibung gegangen.

Und vermutlich hätte mein Vater durch seine Erlebnisse im Krieg auch für einige Ereignisse seinen Blickwinkel beitragen können.

Bei einer Vorbesprechung in Hamminkeln erzählte man mir von dem Haus einer jüdischen Familie, das jetzt Museum werden wird. Diese Familie hätte vor ihrer Verschleppung und Ermordung im KZ wertvolle und persönliche Gegenstände an die Nachbarn zur Aufbewahrung verteilt. Und die Nachbarn hätten dies gemacht und man würde diese Dinge nun zusammentragen. Wer kann, wer wird darüber berichten, wenn nicht die Menschen aus der Region?

Aber es sind nicht nur die Kriegs-, Holocaust- und Vertreibungserlebnisse, die unsere Geschichte ausmachen. Die Generation, die nun weniger und auch graue, weiße Haare trägt, hat viel erlebt, was heute z. T. wieder in Vergessenheit zu fallen droht, Berufe erlernt, die es nicht mehr gibt, hat unter Tage gearbeitet und kennt so Bergschäden quasi von beiden Seiten. Sie hat Autos gefahren, die längst verschwunden sind, hat Obstsorten gegessen, die kaum einer noch kennt, hat Getreidesorten gepflanzt, die man vielleicht vermisst, weiß, warum Blumenkamp so heißt und warum es nun zu Wesel und nicht zu Hamminkeln gehört, hat erlebt, wie die zerstörte Stadt wieder aufgebaut worden ist.

Und dies sind nur einige, wenige Beispiele, ich könnte die Liste lange fortsetzen. Für junge Menschen ist es heute unvorstellbar,
welche Stürme der Entrüstung der erste Minirock auslöste,
dass Frauen bis 1977 die Erlaubnis ihres Mannes benötigten, wenn sie eine Arbeit aufnehmen wollten,
dass die Pille einmal nur verheirateten Frauen verschrieben werden durfte,
dass RAF nicht nur Royal Airforce bedeutet, sondern auch das Kürzel einer deutschen Terroristengruppierung gewesen ist….

Warum macht man also nicht mit bei Wikipedia, trägt mit dazu bei, das Wissen der Welt allen Menschen dieser Welt verfügbar zu machen?

Wikimedia sammelt Bilder, nicht wahllos Urlaubsbilder, Tierbilder oder Akte. Viele Bürger aus Wesel und Hamminkeln haben Aufnahmen ihrer Heimat. Als Beispiel sei der Weseler Dom er-wähnt. Würde man alle Aufnahmen, die Weseler Bürger von ihrer Kirche gemacht haben, chronologisch ordnen, so hätte man vermutlich eine recht genaue Vorstellung über die Veränderungen dieses Bauwerks während der letzten 80 Jahre.

Viele wichtige Bauwerke, viele markante Ecken unserer Städte sind nicht bei Wikimedia, aber sie sind es Wert gezeigt zu werden. Etwa unsere neue, alte Rathausfassade, das Berliner Tor, unsere Esel-Aktion ….

Die VHS Wesel-Hamminkeln-Schermbeck wird im Anschluss an den Eröffnungsvortrag am 29. September 2011 Workshops anbieten, hier kann man in kleinen Gruppen lernen. Hier bekommt man Hilfe.

Es gibt Menschen, die sich an dem Projekt-Titel stoßen: Silberwissen. Mag sein, dass es schönere Namen geben könnte. Man kann es aber auch als Wahlspruch nehmen:

Meine Haare sind Silber, doch mein Wissen ist Gold.

Autor:

Heiko Kirchesch aus Wesel

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