"Was ist ein Junkie, Oma?" - Eine kleine Geschichte

"Oma? Was ist ein Junkie?"

"Oma? Was hat der Mann denn?", fragte der 9 jährige Julian seine Großmutter und zeigte auf einen sichtlich verwahrlosten jungen Mann, der einige Meter neben dem Haupteingang an der Wand hockte. Er schien Schmerzen zu haben.
"Schau da nicht so hin", raunte Oma Bärbel zurück. "Komm weiter. Das ist ein Junkie!"
Sie zog Julian leicht an der Jacke Richtung Bahnhofshalle, während der noch immer diesen Mann anschaute. Als der den Blick bemerkte wurde das etwas verzerrte Gesicht für einen Moment ganz klar. Er lächelte und sah jetzt eigentlich total nett aus.

"Was ist ein Junkie, Oma?"
"Das ist jemand, der sich Drogen spritzt.", sagte sie im weitergehen. "Die betäuben sich um ihre Probleme zu vergessen. Denen geht es dann immer so schlecht. Heroin ist die schlimmste Droge von allen."
"Heroin?", setze der Kleine nach. "Darüber habe ich was in der Schule gelernt. Das ist fast wie Mofium oder so. Nur in dreckig. Weil das die Drogenverkäufer so machen für mehr Geld."
"Ja, das stimmt glaube ich", staunte Bärbel. "Heroin wird aus Opium gemacht, wo man auch Morphium draus macht. Wer das nimmt, der landet bald auch da draußen neben dem armen Mann."
Julian setze seine kritischste Mine auf: "Oma? Warum muss denn der Mann das bei solchen bösen Leuten kaufen, wenn man doch weiß, dass das dreckig ist? Du bekommst dein Morphium doch auch vom Doktor...sogar umsonst."

Erst wollte Bärbel - sichtlich erstaunt, ja, sogar etwas empört - mit ihrer gelegentlich schmerzenden Hüft-OP kontern. Aber dann lächelte sie, gab dem Jungen einen Fünfer und sagte:
"Geh bitte dort zur Bäckerei und hole ein belegtes Brötchen und eine Flasche Wasser. Bringe das bitte dem armen Mann da draußen." Julian strahlte und düste gleich los.

Während Bärbel langsam wieder Richtung Ausgang schlenderte um den Jungen bei seiner kleinen Heldentat zu beobachten, dachte sie sich, wie toll es doch gewesen wäre, wenn wir alle solch einen guten Präventions-Unterricht gehabt hätten. Sie war gerade sehr stolz auf ihren Enkel...

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Autor:

Andreas Rohde aus Wesel

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