Netto? Brutto? Lotto!

Ein Kommentar zum drastischen Kostenanstieg beim Millionengrab Stadthafen Wesel:

Es ist gerade mal 12 Monate her, dass die Aufnahme des maroden Stadthafens Wesel in die neue Hafengesellschaft DeltaPort frenetisch gefeiert wurde. Besonders den Stadtrat Wesel freute dies, war er doch endlich ein großes Problem los: Weil weder Stadt noch Stadtwerke über viele Jahre in den eigenen Hafen investieren wollten - und das aus gutem Grund, weil er aufgrund schlechter Infrastruktur, ungünstiger Lage und unzureichenden hafennahen Gewerbeflächen nicht zukunftsfähig ist - sahen sie nun die Gelegenheit gekommen, das Sorgenkind günstig abzustoßen:

Ihre politische Erpressung insbesondere gegenüber dem Kreis als Mehrheitsgesellschafter, einer dringend notwendigen Fusion der beiden wettbewerbsfähigen Häfen Rhein-Lippe und Emmelsum zum Deltaport nur zuzustimmen, wenn die neue Hafengesellschaft genügend Geld für eine Sanierung der Kaimauer in Form eines jahrzehntelang laufenden Kredits bereit stellen würde, war erfolgreich. Lediglich die VWG-Kreistagsfraktion stimmte gegen dieses riskante und wirtschaftspolitisch überflüssige Vorhaben.

Die Sanierungskosten wurden im Wirtschaftsplan, auf dem die Gesellschaftsgründung basierte, auf exakt 9,3 Millionen Euro beziffert und diese Summe auch den Medien übermittelt:
http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/wesel/nachrichten/weg-frei-fuer-hafen-gesellschaft-1.2882089
http://www.derwesten.de/nrz/region/niederrhein/die-hafengesellschaft-ist-festgezurrt-id6797584.html

Dann der Knaller:
Am 6. August wird über die Medien feierlich der Beginn der Sanierungsarbeiten verkündet - als sage und schreibe 12,4-Millionen-Euro-Projekt!!! Wer es nicht glaubt, hier nachzulesen:
http://www.rp-online.de/niederrhein-nord/wesel/nachrichten/zwoelf-millionen-projekt-im-hafen-startet-1.3586575
http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-wesel-hamminkeln-und-schermbeck/start-fuer-wesels-neuen-hafen-id8285267.html

Das heißt: Obwohl noch gar kein Startschuss gefallen ist, steigt die Investitionssumme um rund 30 Prozent! (Ob es dabei bleiben wird, ist zudem aufgrund noch unvorhersehbarer Risken - z. B. Fliegerbombenfunde - fraglich...)

Erklärungen für den drastischen Anstieg des Investitionsvolumens? Fehlanzeige! Keinen Kreispolitiker schien dies zu stören - bis auf die VWG-Kreistagsfraktion: Sie kritisierte mit deutlichen Worten, dass sie erst über die Medien völlig unerwartet von dem Kostenanstieg erfahren hatte.

Der nächste Knaller folgt auf dem Fuße:
Der für die Sanierung zuständige Stadtwerke-Chef Franz Michelbrink lässt über die Presse erklären, dass die veröffentlichten 12,4 Millionen Euro ja Bruttokosten seien, die Nettokosten lägen folglich nur bei 10,4 Millionen Euro. Darauf lässt er eine zynische Bemerkung auf die geäußerte Kritik der VWG-Kreistagsfraktion folgen (zitiert aus NRZ Wesel vom 10. August 2013): "Da scheinen einige Leute Brutto und Netto nicht auseinanderhalten zu können."

Dass - selbst wenn nun plötzlich netto gerechnet würde, das Projekt dennoch immerhin plötzlich 1 Million Euro teurer kalkuliert wird als bei Aufnahme des Stadthafens in die Hafengesellschaft angegeben - geschenkt.

Das Investitionsvolumen nun aber auf die Nettokosten reduzieren und damit die VWG öffentlich vorführen zu wollen, ist ein Verwirrspiel vom Stadtwerke-Geschäftsführer Michelbrink, das mit großer Wahrscheinlichkeit nach hinten losgehen wird:

Es würde bedeuten, dass die zu leistende Vorsteuer (=allgemein als "Mehrwertsteuer" bekannte Differenz zwischen Netto und Brutto) nicht über DeltaPort, sondern von den Stadtwerken selbst vorfinanziert wird. Schließlich kann diese zu leistende Vorsteuer vom Unternehmen erst wieder über Erlöse, die später aus den Investitionen erwirtschaftet werden, als Mehrwertsteuer an den Endverbraucher weitergegeben werden. Im Fall Stadthafen Wesel wird dies wohl einige Jahre beanspruchen.

Sollten, wovon stark auszugehen ist, die Stadtwerke nicht bereit sein, für die in der Investitionssumme enthaltene Vorsteuer in Vorleistung zu treten, sondern auch diese als Teil des vereinbarten Kredits und somit die Bruttokosten von DeltaPort finanziert haben wollen, wird der ganze Netto-Brutto-Kosten-Täuschungsversuch auffliegen und Herr Michelbrink beim Netto-Brutto-Lotto die Niete ziehen...

Wenn dann aber der für die Sanierung benötigte Kredit gegenüber der anfänglichen Planung um weitere 3 Millionen Euro steigen sollte, nimmt logischerweise auch das Kreditausfallrisiko des Gläubigers DeltaPort zu und sinkt damit seine Bonität.

Die Verantwortlichen werden der Kommunalpolitik einige unbequeme Fragen beantworten müssen - zumindest die VWG wird sicherlich nicht locker lassen!

Autor:

Martin Kuster aus Voerde (Niederrhein)

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