„Morgens nur trockenes Brot“

Helena Kromhout ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin.	           Foto: heli
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Auf 25 Kilogramm, bei einer Körpergröße von 1,65 Metern, hat sich vor einigen Jahren das - durch schockierende Plakatwerbung bekannt gewordene - französische Model Isabelle Caro herunter-gehungert.

Kreis wesel. Der unbewusste Entschluss, dass man kindlich bleiben oder den eigenen Körper und damit sich selbst kontrollieren möchte, das sind nur zwei Kriterien der Magersucht. Das bestätigt auch Claudia M. aus Wesel (Name der Redaktion bekannt), die vor einigen Jahren selbst in die Magersucht „reingerutscht“ ist. Bei einer Körpergröße von 1,58 Metern wog sie keine 40 Kilogramm.

Ein traumatisches Erlebnis vor einigen Jahren war einer der Hauptauslöser für Claudia M.´s Weg in die Magersucht, die sie sich anfangs aber nicht eingestehen wollte. „Ich mach´ halt viel Sport.“, war nur eine der Ausreden, die sie immer dann parat hatte, wenn sie mal wieder im Familien- oder Freundeskreis auf ihr mageres Erscheinungsbild und ihr Essverhalten angesprochen wurde. Auch, als man die „Magersucht“ mit ihr in Verbindung brachte, habe sie abgeblockt.
kreis wesel. „Betroffene zu erreichen ist oft schwierig, weil sie sich nicht realistisch wahrnehmen.“, weiß Diplom Psychologin/Psychologische Psychotherapeutin Helena Kromhout von der Frauenberatungsstelle Wesel
an der Sandstraße 36.
Nach sechs Wochen Klinik-Aufenthalt sieht endlich auch Claudia M., die jedem Essen stets aus dem Weg ging, ein: „Ich hab´das nie wahrgenommen, dass ich magersüchtig bin.“ Denn eigentlich sei es ihr „körperlich nicht schlecht gegangen. Ich war nie krank, musste nie zum Arzt und musste auch nie Tabletten nehmen. Aber man muss es sich selbst eingestehen, sonst kommt man da nicht raus.“, fügt sie hinzu.
Obwohl es sicherlich noch einige Zeit dauern wird, bis
Claudia M. ihre Magersucht „im Griff hat“: Ein erster
Schritt in die richtige Richtung war sicherlich der Klinik-Aufenthalt, den sie jedem Betroffenen weiter empfehlen würde. Denn während ihres Klinik-Aufenthaltes, der ihr „die Augen geöffnet und mir sehr gut getan hat“, sei ihr ihre Angst vor bleibenden Schäden, vor der Isolation und vor allem vor dem eigenen Tod bewusst geworden, wie sie erzählt. „Bis
kurz vor der Reha habe ich immer nur gesagt, dass ich vielleicht schlecht esse. Aber das Wort „Magersucht“ kam mir nicht über die Lippen.“, erinnert sie sich an die Zeit, als der tägliche Gang auf die Waage, „unheimlich viel Sport oder - als „Ausgleich“ - weniger Essen“ auf ihrer Tagesordnung
standen.
Dabei hat sie schon kaum was zu sich genommen: „Morgens
nur trockenes Brot mit fettreduziertem Belag und
abends Brötchen.“, erzählt sie.
Hungergefühl habe sie nicht verspürt, oder einfach „ignoriert“, obwohl für sie nicht das vermeintliche Schönheitsideal „dünn“ im Vordergrund stand, sondern stets „das Gefühl, sich selbst unter Kontrolle zu haben.“

Nach dem Klinik-Aufenthalt gesteht sie sich ein: „Ich war nicht mehr glücklich und fands nicht mehr schön. Ich war lustlos, für mich war das normal. Heute weiß ich, dass Essen etwas schönes ist und die Lebensqualität enorm verbessert. Ich bin jetzt glücklicher und lebendiger. Jetzt merke ich erst, wieviel Kraft man hat, wenn man anständig isst. Ich bin auf dem Weg, weiblicher zu werden - mit weiblichen Kurven.“ Für die Zukunft wünscht sie sich „irgendwann nicht mehr immer nur ans Essen zu denken, sondern auch mal an was anderes.“
„Für die Magersucht gibt es nicht nur einen Auslöser, sie entwickelt sich.“, erklärt Kromhout, die Betroffenen gerne mit Rat und Tat zur Seite steht und ergänzt: „Wir bieten Nachsorge und Unterstützung an, wenn die Frauen aus der Klinik kommen, damit sie ihren Alltag besser bewältigen können.“
Betroffene Frauen können sich noch der Essgestörtengruppe „Zu dick, zu dünn!“ in den Räumen an der Sandstraße 36 anschließen, die bereits Montag um 18.30 Uhr begonnen hat. Die Kosten belaufen sich auf drei Euro. Weitere Anmeldung sind möglich unter der Telefonnummer 0281/27990.

Helena Kromhout ist Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin.	           Foto: heli
Ein besonderer Hungertod. Foto: dibo | Foto: Foto: dibo
Autor:

Helena Pieper aus Wesel

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