Inklusion will Behinderte ausschließen

Erstmalig äußerte ich obige These auf der 26. internationalen Jahrestagung der Integrations- und InklusionsforscherInnen, die vom 29. Februar bis zum 03. März 2012 in Herrsching am Ammersee stattgefunden hat. Sie entzündete sich nach dem Hören eines Beitrags zur Hamburger Musikgruppe "Station 17". Diese Gruppe ist eine experimentelle Musikgruppe, in der Nichtbehinderte und Behinderte mitspielen. Allerdings ist es der Gruppe ein Anliegen, so war es dem Vortrag zu entnehmen, die Behinderung nicht so weit in die Öffentlichkeit zu tragen. Inklusion Behinderter ohne Behinderte? Wie geht das? Eine Begründung meiner in Herrsching vorgetragenen These ist, auch wenn es sich um einen kritischen Beitrag handelt, hoffentlich der Dokumentation o. g. Tagung zu entnehmen.
Das Inklusion Behinderte ausschließen will habe ich als Behinderter am 04. März 2012 dann auch wieder in der Trinitatiskirche in Witten erfahren, also gerade der Kirche, welche meine Heimatkirche ist. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist eine derartige Situation, die ich als kirchliche Ausschließungspraxis Behinderter bezeichne, auf andere Predigtstätten übertragbar. Das Thema ist abermals der Aufstehritus, den ich in meinem Lokalkompassbeitrag vom 16. Oktober 2012 bereits kritisiert habe. Pfarrerin Heike OBERWELLAND sagte mir am 26. Februar 2012 - und in dem Gottesdienst war ich mit Lektorendiensten beauftragt -, dass ich der Aufforderung, die durch sie vom Altar aus nur durch ein Handzeichen erfolgt, als freier Bürger in einer, meiner Meinung nach, nicht so freien Kirche nicht folgen brauche. Das tat ich dann auch. Ich folgte der Aufforderung, aufgrund meiner Unbeweglichkeit, nicht! In der ersten Reihe sitzend ist das normalerweise auch nicht das Problem. Problematisch wird das Ganze, wenn man vor sich noch Gemeindeglieder stehen hat. Als allein sitzen Gebliebener, denn die übrigen Gemeindeglieder folgen ja der stummen Aufforderung OBERWELLANDs, sehe ich dann nur noch Hintern. Ich wage einmal die Vermutung, je nachdem was es bei dem ein oder anderen Gottesdienstbesucher am Vortrag zu essen gab, dass dieser ein oder andere die Gelegenheit des Stehens für den natürlichen Blähvorgang nutzt. Das riecht selten angenehm! Ich habe da dann doch andere Fetische.
Auf das Problem angesprochen schreibt mir Heike OBERWELLAND am 10. Oktober 2011, dass vielen Menschen das lange Sitzen - und ein Gottesdienst in der Trinitatiskirche in Witten-Heven dauert in der Regel nicht länger als 60 Minuten - schwer fällt. Diese, so OBERWELLAND, seien dann glücklich, wenn sie zwischendurch aufstehen können. So eine Art liturgisches Fitnessprogramm? Braucht ein gut gestalteter Gottesdienst eine Fitnessübung? Anders gefragt: Was läuft falsch im Gottesdienst, den einige Gottesdienstbesucher nur mit Turnübungen überstehen? In der anderen Predigtstätte der Trinitatiskirchengemeinde Witten sei es übrigens üblich, so Pfarrerin Christine ENGELSING, dass die Gottesdienstbesucher während der Liturgie sitzen bleiben. Hier würde lediglich das Vaterunser im Stehen gebetet. Ein lobenswerter Fortschritt, dem sicher auch das Vaterunser im Sitzen folgen kann. Aber - ich vergaß: Inklusion will ja Behinderte ausschließen!

Autor:

Dr. Carsten Rensinghoff aus Witten

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