Lokalkompass-Länderreise: Danzig in Polen
Eine Stadt wie Bernstein
Es muss nicht immer Mallorca sein: Wer sich auf Urlaubsreisen abseits ausgetretener Pfade einlassen kann, erlebt oft Unerwartetes. Man sollte nur keine Angst vor der Frage „Danzig? Was willst Du denn ausgerechnet da?“ haben. Nach dem Urlaub wird man die Antwort nämlich kennen.
von Oliver Borgwardt
Jedes Jahr vor der Coronakrise hatte man das gleiche Problem: Man würde gerne in den Urlaub fahren, aber wohin, das weiß man nicht so genau.
Mallorca? Macht jeder. Nach Holland? Da begrüßt einen Frau Antje schon mit Vornamen. Nach Kenia? Gerne, nach dem nächsten Lottogewinn.
Wie wäre es mit Polen?
Polen? Klingt das nicht nach Billigheimer, Plattenbau und Autodiebstahl? Keineswegs, denn wer bereit ist, solche dümmlichen Vorurteile beiseite zu wischen, kann unsere slawischen Nachbarn bei einem Urlaubsbesuch kennen- und schätzen lernen. Zum Beispiel in Danzig, oder Gdansk, wie man in Polen sagt.
Der Weg dorthin ist einfacher, als man denkt: Mit einem günstigen Flugticket (z.B. bei WIZZ Air) ist man schneller in der Ostseemetropole, als man in der Rush Hour vom Limbecker Platz zum Lembecker Schloss fahren könnte. Nur eine Stunde vergeht, dann hat man Dortmund gegen Danzig getauscht. Und was kann man hier machen? Eine ganze Menge, denn die Hauptstadt Pommerns hat viel mehr zu bieten, als man bei der Ankunft vermuten würde.
Zunächst einmal jede Menge schöner Ansichten, denn obwohl die Altstadt im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört worden war, entschieden sich die Polen nach ihrer Befreiung dafür, keine hässlich-modernen Bauten auf dem Trümmerfeld zu errichten. Statt dessen bauten sie die hübschen Kaufmannshäuser wieder auf, die nun eine märchenhafte Atmosphäre vermitteln.
Alte Häuser sind langweilig? Wer baulichen Schönheiten oder dem breiten Angebot an Museen oder Ausstellungen in Danzig nichts abgewinnen kann, freut sich vielleicht über die unzähligen Pubs, Restaurants und Kneipen, von denen es in der Altstadt nur so wimmelt. Vergrößert wird die Freude zudem von dem günstigen Zloty-Kurs, der auch ein üppiges Abendessen oder eine ausgedehnte Thekentour nicht zur größeren Belastung für das schlanke Portemonnai macht. Ein halber Liter des vorzüglichen dunklen Bieres, das man in Danzig traditionell schätzt, kostet hier umgerechnet 75 Cent.
Bei solchen Preisen wäre es für jeden jungen Menschen eine Sünde, das Nachtleben der Ostseemetropole nicht zu erkunden. Selbst die angesagten Clubs wie die Discothek „Parlament“ sind hier erschwinglich. Die Kommunikation ist zumeist kein Problem, da sehr viele junge Polen in Danzig und der Umgebung studieren, und man sich auch mit mäßigem Schulenglisch gut verständigen kann.
Auch für Paare gibt es viel zu entdecken: Auf der Mottlau werden romantische Bootstouren angeboten, und der Ostseestrand ist nicht weit entfernt. Auf Ausflügen ins Umland kann man den längsten Pier der Ostsee in Sopot entdecken,die gigantische Marienburg besuchen oder auf Bernsteinsuche gehen.
Apropos Bernstein: Das versteinerte Baumharz hat schon früher zum Wohlstand der Hansestadt beigetragen, und auch heute kann man noch schlichte bis ausgefallene Schmuckkreationen aus Bernstein in Danziger werben. Der Vergleich lohnt, und einige der Händler sprechen sogar Deutsch mit einer sehr sympathischen Sprachfärbung. Wer seinen Liebsten also ein typisches Geschenk aus der Hauptstadt Pommerns mitbringen will, bringt den honigfarbenen Stein mit.
Übrigens ist die ganze Stadt auf gewisse Weise wie der Bernstein: Man muss etwas suchen, um sie zu entdecken, aber wenn man einmal ihren Glanz entdeckt hat, wird man sie schätzen. Und auf die Frage „Warum denn Danzig?“ antworten: „Warum denn eigentlich nicht?“
Do widzenia Gdansk - Auf Wiedersehen, Danzig!
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Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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