RUSSISCH BROT

Ich fühle mich wie ein schreibender Flaneur, der seine Spaziergänge schweigend geniesst. Wenn es Ihnen hilft bezeichnen Sie mich als Einzelgänger. Aber trotzdem bilde ich mir ein verständlich mit den Worten umzugehen. Denn mein Bleistift ist ein verlässliches Handwerkszeug.
Dabei musste ich nie schreiben, um Geld zu verdienen. Deswegen brauchte ich auch keinen Erfolg. Das war immerhin bei aller Enttäuschung ein Trost. Aber so musste ich auch nie die Frage beantworten, warum ich überhaupt das Bedürfnis hatte zu schreiben. Vielleicht wollte ich so nur der Realität, die ihr Leben aus dem Reich der Notwendigkeit bezieht, entfliehen.
Obwohl, ich fühlte mich nie wie ein Mensch, der sich als manipuliertes Wesen sah, das sich hinter seinem Ich verstecken musste, um so über diese Distanz das Gegenteil zu beweisen.
Und so spiele ich noch immer mit den Worten wie ein Kind, das sein Russisch Brot- ABC hin und her schiebt. Dabei stelle ich mir den Geschmack der Buchstaben vor. Denn ich nehme jedes einzelne Wort beim Wort.
Dann weiß ich, was ein „Haus“ ist oder ein „Stuhl“. Aber diese Worte haben keinen eigentlichen Bezug zu meiner Wirklichkeit. Dass ein „Stuhl“ ein „Stuhl“ ist, ist eine Verabredung zwischen den Menschen, aber kein Synonym für unsere Realität.
Umso schwieriger wird es sich darauf zu einigen, zwischen welchen Worten „Liebe“ und „Hass“, „Glück“ und „Unglück“, „schön“ und „hässlich“ usw zu finden sind.
Denn irgendwo im Niemandsland der Worte herrschen nur noch die Gesetze der Natur. Und diese Gesetze sind gnadenlos.
Und während ich mit den Worten spiele, entdecke ich, dass die dichterische Sprache keine theoretische Sprache ist, die nur die vorhandene Gegenständlichkeit benennt.
Aber leider fühle ich mich nicht wie ein „Dichter“, der sich als „Dichter“ versteht.
Und bei dem Wort „Dichter“ -unabhängig von dem pathetischen Klang dieses Wortes- denke ich immer an einen Dichterfürsten mit Lorbeer im Haar.
Ich aber lebe in republikanischen Zeiten. Da können eventuelle Ähnlichkeiten nur zufälliger Natur sein.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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