“Our house is your house”

Diese Vier zeigen, dass ein Zusammenleben verschiedener Kulturen eine Bereicherung ist - wenn der Wille da ist.
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  • hochgeladen von Thora Meißner

Multikulturelle WG auf Zeit - ein deutsch-syrisches Zusammenleben

„Our house is your house“, Worte, die Lana und Taha niemals vergessen werden. Worte von “fremden Menschen”, die dem syrischen Paar übergangsweise ein Zuhause bieten. Fernab der notdürftigen Unterkunft. „They trust us“, sagt Lana. Ohne Wenn und Aber. Tränen kullern ihr durchs Gesicht. Sichtlich berührt senkt sie ihren Kopf. Tränen des Glücks? Tränen der Dankbarkeit? Im gleichen Atemzug erzählt sie von Bomben. Bomben rechts und links. Bomben, die sie und ihre Familie aus der Heimat verjagt haben. Vielleicht auch Tränen des Heimwehs?

Lana und Taha kommen aus Syrien. Dennoch lernen sie sich erst im Libanon kennen. In einer dortigen Notunterkunft für Flüchtlinge. Taha lebt dort und leitet “das Camp” sogar. Es entwickelt sich eine Freundschaft, eine Beziehung, eine Ehe. Lana scheint ihr Glück im Unglück gefunden zu haben. Doch der Schein trügt. Denn genau das ist der Grund dafür, dass sie sich von ihrem Vater, ihrem Bruder und ihren Schwestern verabschieden muss. Nur Familien ist es gestattet, gemeinsam weiter zu reisen. Und Lana hat jetzt eine neue Familie: Taha.

Als das junge Paar auch im Libanon nicht mehr sicher ist, fassen die beiden einen Entschluss: Sie flüchten übers Meer. “50:50 Chance - entweder wir sterben oder wir schaffen es”, resignieren sie. Sie schaffen es und landen zunächst in München, bevor es über einen einstündigen Aufenthalt in Dortmund nach Detmold weiter geht. 21 Tage später werden sie in die “Notunterkunft Pestalozzischule” gebracht.

“We are a family”

Schnell treffen der Physik-Lehrer und die IT-Netzwerktechnikerin auf den “Freundeskreis Pestalozzischule”. Helfen beim Übersetzen, wenn neue Bewohner auf Zeit in die Notunterkunft kommen. Sind zur Stelle, wo sie gebraucht werden und integrieren sich im Freundeskreis der ehrenamtlichen Helfer. Dort lernen sie auch Nina und Raphaela kennen - die “fremden Menschen”, die ihre eigenen vier Wände zur Verfügung stellen, um Lana und Taha ein “Zuhause auf Zeit” zu bieten.

“Es war eine Bauchentscheidung. Wir haben Platz in unserem Haus und dachten: Wenn wir jemandem unser Gästezimmer anbieten, dann Taha und Lana”, erzählen Nina und Raphaela. Sie bereuen nichts. Ganz im Gegenteil - sie sehen ihre derzeitige WG als Bereicherung. Auch als gewisse Herausforderung - sie lernen voneinander, miteinander und übereinander. Das ist spürbar, denn es liegt Vertrautheit in der Luft. Nina und Raphaela sind keine Fremden mehr. “We are a family”, ist sich die multikulturelle WG einig.

Inzwischen hat Lana ihr Lächeln wieder und serviert ein leckeres Dessert - eine süße Spezialität. Ein Gaumenschmaus. Sie verwöhnt ihre Gastgeber gerne. Zeigt so in gewisser Weise auch ihre Dankbarkeit gegenüber den beiden Frauen, die ihnen so viel Vertrauen entgegenbringen.

Interessante Gespräche statt langweiligem TV

Statt eintöniger Fernsehprogramme genießen die Vier jetzt ihre abendlichen Gespräche. Lana und Taha erzählen von ihrer Heimat, vom Krieg - und auch von ihrer Flucht. Aber darum geht es nicht nur - sie unterhalten sich über dies und das, machen Späße und schmieden Pläne für die Zukunft. Sie genießen einfach die gemeinsame Zeit. Und auch das gemeinsame Essen - mal deutsche und mal syrische Spezialitäten.

Jeden Abend essen sie zusammen. Denn das ist die Zeit am Tag, wo alle Vier gemeinsam im Haus sind. Nina und Raphaela sind beide berufstätig. Taha und Lana beschäftigt mit dem Deutschlernen und den Hilfestellungen in der Pestalozzischule. Ab und zu ist auch noch Zeit zum Fahrradfahren oder Spazierengehen im Freien - soweit das Wetter dies zulässt.

Taha lernt akribisch Deutsch - zwei Mal die Woche in der VHS und tagtäglich auch zu Hause. Auch seine Reden in deutscher Sprache, die er sowohl bei der multikulturellen Adventsfeier in der Pestalozzischule als auch beim weihnachtlichen Konzert der Lions-Clubs hält, hat er selbst geschrieben. Lana besucht ebenfalls die VHS und lernt Deutsch. Schließlich möchten sie und ihr Mann Teil der Vereinsgründung unter dem Dachmantel der Stadt Arnsberg sein - “Syrer helfen Syrer”. Ein Verein, der den syrischen Menschen in Arnsberg eine erste Hilfestellung bieten soll. Aber auch ein Verein, der eine gewisse Aufklärung in Schulen und Co. leisten soll.

Sie möchten klarmachen, dass sie und viele andere Flüchtlinge nicht aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen. Möchten über die Zustände in Syrien aufklären. Und auch die Angst vor dem islamischen Glauben nehmen.

Die Freundschaft bleibt

Christen und Muslime unter einem Dach - da sei die Frage erlaubt, ob sich der islamische Glaube auf das Miteinander in der WG auswirkt!? “Wir essen kein Schweinefleisch mehr”, antwortet Nina augenzwinkernd. “Einfach, weil wir jeden Tag gemeinsam warm essen und nicht doppelt kochen möchten.” Frischwurst und Co. seien aber immer noch im Kühlschrank zu finden. “Wir beten fünf Mal am Tag”, erklärt Taha weiter. Davon jedoch merken Nina und Raphaela gar nichts. Denn Taha und Lana beten in ihrem Zimmer.

Diese Vier zeigen, dass ein Zusammenleben verschiedener Kulturen eine Bereicherung ist - wenn der Wille da ist. Mittlerweile haben Taha und Lana eine eigene Wohnung gefunden, die sie im kommenden Jahr beziehen werden. Auch wenn die multikulturelle WG dadurch aufgelöst wird - die Freundschaft bleibt!

Diese Vier zeigen, dass ein Zusammenleben verschiedener Kulturen eine Bereicherung ist - wenn der Wille da ist.
Taha, Lana, Raphaela und Nina beim weihnachtlichen Konzert der Lions-Clubs Neheim-Hüsten und Arnsberg-Sundern. Taha hält eine Rede - in gebrochenem, aber gutem Deutsch. Selbst geschrieben!
Autor:

Thora Meißner aus Arnsberg

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