Den Storchturm besteigen, Gedicht von Wang Zhihuan (688-742)
die weiße Sonn‘ am Berge untergeht
der Gelbe Fluss, er fließt in Richtung Meer
ein starker Wunsch zur Tausend-Meilen-Schau
dann höher noch, besteig ein Stockwerk mehr
白日依山盡 --- 黃河入海流
欲窮千里目 --- 更上一層樓
Andrew W.F. Wong übersetzt in seinem neuesten Beitrag ein einfaches Gedicht aus der Tang-Zeit. Es gehört, so lesen wir, zu den zehn beliebtesten Gedichten der Einwohner von Hong Kong. Der Vierzeiler, mit dem Reimschema ABCB, ist Teil der Sammlung der sogenannten „300 Gedichte der Tang-Zeit“. Der hohe Pagodenturm Guànquè Lóu ist in der Nähe des Gelben Flusses. Eigen an chinesischer Dichtung ist die parallele Plazierung der Zeichen. Zu „Weiß“ (白), an erster Stelle der ersten Zeile, passt „Gelb“ (黃), an gleicher Stelle der zweiten Zeile; zu „Berg“ (山) „Meer“ (海) und zu „Tausend“ (千) „ein“ (一). Eine große Ruhe und Erhabenheit spürt man, aber es ist keine Ruhe die ausklingt in einer Abendstimmung, vielleicht unterbrochen durch Krähen die lärmend heimwärts fliegen wonach eine Junke im aufkommenden Nebel verschwindet, sondern der Vierzeiler endet mit einer Belehrung: wer weit sehen will, gehe höher hinauf! Und tatsächlich sind diese Zeilen in China zum Sprichwort geworden. Ein beliebtes Gedicht und ein bekanntes belehrendes Sprichwort in einem, man merkt, hier spricht nicht das Abendland.
Autor:Jan Kellendonk aus Bedburg-Hau |
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