Rt,e=1/𝜏Σts0t-r+1Es / 1/𝜏Σts=t-r+1Es-4≡𝐸tr / 𝐸tr -4
Reproduktions-Zahlenspiel des Robert-Koch-Instituts

Reproduktionszahl im Vergleich | Foto: GvM
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Um die Reproduktionszahl „R“ grafisch darzustellen habe ich mir in den vergangenen Wochen mehrmals die Excel-Tabelle vom Robert-Koch-Institut (RKI) heruntergeladen. Das RKI verspricht dabei, Zitat: „Tabelle mit Nowcasting-Zahlen zur R-Schätzung (23.5.2020, Tabelle wird täglich aktualisiert)“ Doch das stimmt so nicht, denn Stand heute 24. Mai, sind die Zahlen erst bis zum 19, Mai eingetragen. Auch in den Wochen zuvor hinkte das RKI immer mit bis zu 5 Tagen hinterher. Dennoch werden täglich in den Medien die tagesaktuellen Zahlen mitgeteilt.
Doch nun wird es ganz besonders heftig: Alle 7 Tage lade ich mir die RKI-Excel-Tabelle herunter. Dabei musste ich feststellen, dass im Nachherein die Zahlen verändert wurden. Nicht nur die Zahlen der letzten Tage, was man verstehen könnte wegen Eingangsverzögerung der Daten, sondern auch Daten die über zwei Monate zurückliegen. Überwiegend werden sie „verschönert“. Das betrifft nicht nur die „R“-Zahl, sondern auch die Anzahl der Neuerkrankungen. Wie kann das sein?
Diese Frage habe ich schriftlich an das RKI gestellt. Antwort – Keine! Es gibt jedoch auf der RKI-Seite dazu eine Erläuterung, s. unten.

Heute 28. Mai Antwort vom RKI - s. Kommentar


Zu den Grafiken:
Grafik 1: 1. Spalte (gelb) die Zahlen vom10. Mai; 2. Spalte vom 17. Mai; Spalte 3 vom 23. Mai; Spalte 5 vom 24. Mai. In den Spalten 2 bis 4 - grün unterlegt die nach unten korrigierten Zahlen und rot unterlegt die nach oben korrigierten Zahlen. Gelb unterlegt die unveränderten Zahlen.
Grafik 2: Verlauf der Reproduktionszahl vom 6. März bis 19. Mai nach dem Stand vom 24. Mai. „R“ war laut RKI zum Beginn des Shutdowns bereits unter 1.

RKI Erläuterung:
Mit Hilfe der vom RKI bereitgestellten Excel-Tabelle der aktuellen Schätzung durch Imputation und Nowcast lässt sich die R-Wert Berechnung des Schritt 3 des Verfahrens nachrechnen und visualisieren.
Das RKI verwendet zur Schätzung der zeitlich variierenden Reproduktionszahl R aufgrund des geschätzten Verlaufs der Anzahl von Neuerkrankungen 𝐸𝑡 die folgende Formel nach Cori et al. (2013):
𝑅𝑡=𝐸𝑡/𝛬𝑡
wobei 𝛬𝑡𝑡𝑠=1Et-sws und w1,w2,...die diskrete Wahrscheinlichkeits-Verteilung des seriellen Intervalls mit Träger 1,2,… bezeichnet, d.h. für 𝑖=1,2,… gilt 0≤𝑤i≤1 und die Summe über alle wi ist 1. In der Formel wird also angenommen, dass die neuen Erkrankungsfälle Et zum Zeitpunkt 𝑡 sich jeweils bei einem Anteil 𝑤t der früher erkrankten Personen Et-s angesteckt haben. Rein technisch handelt es sich bei Rt um eine sog. instantaneous reproduction number [Cori et al. (2013)], welche rückwärts-schauend in der Zeit definiert ist.
Unter der Annahme einer konstanten Generationszeit und eines konstanten seriellen Intervalls von 4 Tagen ergibt sich daraus zunächst die Formel  Rt = Et/Et-4
weil bei dieser Annahme die Verteilung des seriellen Intervalls gleichwiI(i=4)ist, wobei I () die Indikatorfunktion angibt. Das heißt Rt gibt an, wieviele Personen eine Person mit Erkrankungsbeginn zum Zeitpunktt - 4 im Durchschnitt ansteckt. Die angesteckten Personen werden dann zum Zeitpunkt 𝑡 beobachtet.
Die obige Schätzung von R verhält sich allerdings typischerweise relativ unruhig und wird normalerweise nicht verwendet - vgl. z.B. Cori et al. (2013), S. 1506. Statt Rt nur für einen Zeitpunkt 𝑡 zu berechnen, kann Rt auch über ein Intervall von 𝜏 Tagen berechnet werden. Cori et al. zeigen, dass dafür die folgende Formel genutzt werden kann:
Rt,r ts=t-r+1Es/Σts=t-r+1𝛬𝑠
Beträgt das serielle Intervall 4 Tage, dann vereinfacht sich diese Formel zu
Rt,rts=t-r+1Ests=t-r+1Es-4
Diese Formel kann äquivalent auch als Quotient zweier gleitendender Mittel über 𝜏 Tage der 𝐸𝑠-Werte beschrieben werden, also als
Rt,e=1/𝜏Σts0t-r+1Es / 1/𝜏Σts=t-r+1Es-4≡𝐸tr /𝐸tr -4
wobei 𝐸r𝑡=1/𝜏Σts=𝑡−𝜏+1 Es den gleitende Mittelwert der Anzahl von Neuerkrankungen über 𝜏-Tage bezeichnet. Der bisherige vom RKI berechnete (sensitive) R-Wert ergibt sich für 𝜏=4, also als
Rt,4=-4Et/-4Et𝑡𝑠=𝑡−aEs /Σ𝑡𝑠=𝑡−aEs-4
Der stabilere 7-Tages R-Wert ergibt sich für ein Glättungsintervall von 𝜏=7 Tagen, also als
R𝑡,7= -7Er/ -7Et-4ts=t-6Ests=t-6Es-4
Der an Tag 𝑢 berichtete R-Wert bezieht sich auf das Nowcasting bis zum Zeitpunkt 𝑡=𝑢−4 und damit in der sensitiven Variante auf Neuerkrankungen im Zeitraum 𝑢−7,⋯,𝑢−4 und in der stabileren Variante auf Neuerkrankungen im Zeitraum 𝑢−10,⋯,𝑢−4. Beide Variantes des R-Wertes beziehen sich also auf Intervalle und werden nur zu Darstellungszwecken einem einzelnen Tag zugeordnet.
Bezieht man noch die Inkubationszeit von 4 bis 6 Tagen mit ein, so beschreibt die am Tag 𝑢 berichtete Reproduktionszahl 𝑅𝑡 in der sensitiven Variante die Neuinfektionen im Zeitraum 𝑢−13,⋯,𝑢−8 und in der stabileren Variante die Neuinfektionen im Zeitraum 𝑢𝑢−16,⋯,𝑢𝑢−8. Dieses letztere Intervall reicht im Vergleich länger zurück und lässt sich eher mit dem Intervall 𝑢𝑢−14,⋯,𝑢𝑢−9 als mit dem Intervall 𝑢−13,⋯,𝑢−8 vergleichen. Um den R-Wert und den 7-Tage R-Wert besser vergleichen zu können, wird daher der 7-Tage R-Wert um einen Tag zurück datiert. Siehe dazu auch Abbildung 2.
Als Beispiel: Im RKI-Lagebericht am 15. Mai 2020 bezieht sich der angegebene sensitive R-Wert auf das Infektionsgeschehen im Zeitraum vom 02. Mai 2020 bis 07. Mai 2020. Der stabile R-Wert auf den Zeitraum 29. April 2020 bis 07. Mai 2020.
Die 95% Prädiktionsintervalle für diese beiden R-Werte für einen spezifischen Tag 𝑡 ergeben sich durch Anwendung der obigen Formel für die R-Werte der 200 Realisationen des Nowcastings. Sie können nicht auf einfache Weise aus den in der Excel-Tabelle angegeben Prädiktionsintervallen für die Neuerkrankungen erzeugt werden. Wichtig ist, dass es sich bei beiden R-Werten um eine statistische Schätzung handelt, weshalb die Prädiktionsintervalle wichtige Informationen zur Sicherheit der Schätzung enthalten.

Reproduktionszahl im Vergleich | Foto: GvM
Verlauf Reproduktionszahl | Foto: GvM
Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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