Auf den Spuren des ersten Aktionskünstlers: Der Schauspieler Linus Ebner arbeitet am Prinzregenttheater an der Stückentwicklung „Beruf: Eulenspiegel“

Linus Ebner bereitet sich am Prinzregenttheater auf seine Rolle in "Beruf: Eulenspiegel" vor. | Foto: Schuck
  • Linus Ebner bereitet sich am Prinzregenttheater auf seine Rolle in "Beruf: Eulenspiegel" vor.
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Der Lokalkompass stellt im Rahmen einer Serie verschiedene Mitarbeiter und Künstler des Prinzregenttheaters näher vor, um einen Einblick in die verschiedenen Theaterberufe zu geben und die Menschen, die die Arbeit der renommierten Bühne prägen, vorzustellen. In den ersten vier Teilen ging es um den Regisseur Frank Weiß, die Theaterpädagogin Clara Nielebock, die Fotografin und Bühnenbildnerin Sandra Schuck und die angehende Veranstaltungstechnikerin Awa Winkel. Im letzten Teil der Reihe kommt der Schauspieler Linus Ebner zu Wort, der ab 1. Juni in „Beruf: Eulenspiegel“ zu sehen ist.

„Als Kind und Jugendlicher habe ich mich viel mit Malerei und Zeichnen beschäftigt und hätte mir auch vorstellen können, beruflich in diese Richtung zu gehen“, erinnert sich Linus Ebner und fährt fort, „beim Theater ist man – anders als beim Malen – mit mehreren Leuten zusammen; da ist die Motivation größer, deshalb wollte ich gern dort arbeiten. Zunächst wollte ich Bühnenbildner oder Regisseur werden, habe mich dann aber für die Schauspielerei entschieden, da sie mir der Kern der Theaterarbeit zu sein schien.“ Deshalb studierte er Schauspiel an der Folkwang-Universität.
„Vor vier Jahren habe ich meine Ausbildung abgeschlossen und hatte dann im Bochumer Rottstr5-Theater gleich die Gelegenheit, in „Warten auf Godot“ mitzuspielen. Samuel Beckett gehört zu meinen Lieblingsautoren“, verrät Ebner. Zu den Dichtern, die er besonders schätzt, gehören auch Büchner und Kleist. Büchners Erzählung „Lenz“ hat der Schauspieler zu einem Solostück für das Theater unter den Gleisen umgearbeitet: „Ich hatte zu der Zeit als Schauspieler noch nicht viel vorzuweisen und bin Hans Dreher, dem Leiter des Rottstr5-Theaters, deshalb dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat. Es gab keinen Regisseur, so dass ich meine eigenen Vorstellungen umsetzen konnte.“

Regisseure und Schauspieler arbeiten Hand in Hand

Was Ebner an der Arbeit im Rottstr5- und am Prinzregenttheater schätzt, ist der rege Austausch zwischen Regisseuren und Schauspielern: „Hier wird kein Regietheater in dem Sinne praktiziert, dass der Regisseur alles vorgibt und die Schauspieler nur für die Umsetzung zuständig sind. Wenn Zuschauer mir nach der Premiere von 'Michael Kohlhaas', meiner ersten Produktion am PRT, gesagt haben, die Inszenierung sei von zu viel Klamauk geprägt, meine schauspielerische Leistung sei aber gut, war das in meinen Augen kein Lob. Schließlich bin ich als Schauspieler für die Inszenierung mitverantwortlich.“
„Michael Kohlhaas“, eine Theaterarbeit des Regisseurs Frank Weiß, hat für Ebner noch aus anderen Gründen eine große Bedeutung: „Ich war eigentlich schon auf dem Absprung aus Bochum, weil ich hier für mich keine Perspektive mehr gesehen habe. Dann hat mir mein Kollege Max Strestik von 'Kohlhaas' erzählt. Die Energie am Prinzregenttheater hat mich gleich begeistert. Die Leute hier glauben noch an den Zauber des Theaters – so habe ich auch Romy Schmidts Inszenierung 'Die Schöne und das Biest' verstanden.“
„Michael Kohlhaas“ hat am Prinzregenttheater inzwischen seinen letzten Vorhang erlebt – Romy Schmidts Intendanz endet bekanntlich am 30. Juni. Die Inszenierung sei ihm im Laufe der Zeit immer mehr ans Herz gewachsen, gesteht Ebner: „Kleist ist natürlich ohnehin ein fantastischer Autor. Es geht in 'Kohlhaas' um das Verhältnis vom Ordnung und Chaos und der Zuschauer verliert im Laufe der Zeit komplett die Übersicht. Auch die Schauspieler verlieren angesichts der ständigen Rollenwechsel den Überblick, wer sie eigentlich gerade sind. Ich verstehe Kleists Novelle jetzt tatsächlich besser.“

Das Publikum ernst nehmen

„Das Publikum wird hier sehr ernst genommen“, erläutert Linus Ebner, warum er das Prinzregenttheater so schätzt. Dass Romy Schmidt für ihre Inszenierung von „Angst essen Seele auf“ nach Rainer Werner Fassbinders Drehbuch einen so ungewöhnlichen Ansatz gewählt hat, sieht Ebner als Ausdruck dieser Wertschätzung des Publikums. „Wer ins Theater kommt“, konstatiert er, „der will sich mit gesellschaftlichen Fragen wie Rassismus auseinandersetzen. Für die Rolle des Ali hatten einige Syrer vorgesprochen. Wenn ein Schauspieler wie ich den Siegfried, ein Kollege mit offensichtlichem Migrationshintergrund dagegen einen Tomatenverkäufer spielt, bedient das natürlich bestehende Klischees. René Pollesch versucht mit seiner Repräsentationskritik, solche Zuschreibungen aufzubrechen. Ähnliche Überlegungen haben Romy Schmidt dazu gebracht, mich zwei oder drei Wochen vor Probenbeginn zu fragen, ob ich den Ali spielen möchte.“
Einen Stoff aus dem Jahre 1974 auf die heutige Zeit zu übertragen, bleibe allerdings schwierig: „Die Gastarbeiterthematik der siebziger Jahre lässt sich nicht mit dem Rassismus im Zeitalter der Globalisierung gleichsetzen. Unser 'Angst essen Seele auf' lässt sich am ehesten als Lehrstück im Brecht'schen Sinne über Mechanismen von Ausgrenzung beschreiben.“

„Sisyphos“ als Aufbruch zu neuen Ufern

Erzählen „Michael Kohlhaas“ und „Angst essen Seele auf“ Geschichten, die vielen Theaterbesuchern aus den berühmten Vorlagen zumindest in den Grundzügen bekannt sein dürften, schlägt das Prinzregenttheater mit der Stückentwicklung „Sisyphos“ neue Wege ein. Die durch die Thematik „Freiheit und Verantwortung“ lose verknüpften Szenen sind durch Improvisationen entstanden, die von Homer und Albert Camus angeregt wurden: „Schon vor der fünfwöchigen Probenzeit haben Romy Schmidt als Regisseurin, der Musiker Martin Widyanata und ich uns getroffen. Unsere Assoziationen haben wir als Grundlage für das Stück genommen.“
„Einerseits muss ich mich bei einem selbstentwickelten Stück nicht mit dem Autor beschäftigen“, gibt Linus Ebner zu bedenken, „andererseits werde ich aber auch nicht durch einen Dichter wie Büchner oder Kleist abgesichert. Durch Martin Widyanatas Einfluss war die Sprache gleich rhythmisiert. Hier haben wir uns künstlerisch wirklich aus dem Fenster gelehnt; deshalb war ich auch erstaunt, dass die Premiere so schnell ausverkauft war.“

Eine neue Ästhetik

„'Sisyphos' wirkt wie eine Initialzündung für eine eigene Ästhetik. Deshalb ist es schade, dass wir unsere Arbeit am Prinzregenttheater in der neuen Spielzeit nicht fortsetzen können, Vielleicht ließe sich das Konzept auch im Rahmen einer freien Gruppe weiterentwickeln“, schaut Ebner, der nicht nur im Prinzregenttheater und an der Rottstraße, sondern auch in einem Theaterprojekt in der Dortmunder Nordstadt tätig ist, voraus.
Zunächst gilt die volle Konzentration jedoch der letzten Premiere der Ära Romy Schmidt: „Beruf: Eulenspiegel“. „Da wir diesmal drei Schauspieler auf der Bühne sind“, gibt Ebner Einblick, „wird es dialogischer als bei 'Sisyphos'.“ - Neben dem am Prinzregenttheater bestens bekannten Maximilan Strestik wird die junge Schauspielerin Anna Schimrigk erstmals an der Prinz-Regent-Straße auf der Bühne stehen. Die drei spielen die Bewerber um die Rolle des Eulenspiegel, die ein Freizeitpark ausgeschrieben hat.

Kunst- und Narrenfreiheit

Diese Konstellation wurde natürlich nicht ohne Hintergedanken gewählt: „Die Eulenspiegel-Figur verkörpert Kunst- und Narrenfreiheit, also gerade den Gegensatz zum Konzept 'Beruf'. Eulenspiegel will als Jugendlicher ja gerade keinen Beruf ergreifen. Er ist in gewisser Weise der erste Aktionskünstler. Es ist eine Ironie, wenn aus Eulenspiegel ein Job im Tourismus-Sektor wird. Es geht also um die Kluft zwischen dem Geist der Figur und dem, was daraus wird.“
Und was hat sich dadurch verändert, dass alle Beteiligten das Ende von Romy Schmidts Intendanz vor Augen haben? - Da muss Linus Ebner nicht lange überlegen: „Man wird radikaler, wenn man das Ende der Arbeit vor Augen hat. Wir haben hier viele Möglichkeiten eröffnet.“. Er selbst hat sich das nächste halbe Jahr freigehalten, um sich seiner zweiten großen Leidenschaft, der Malerei, zu widmen. „Meine Bilder sind zugleich figurativ und abstrakt; es fällt mir schwer, sie genau zu beschreiben. Es geht mir um das Verhältnis von Raum und Figur“, erklärt Linus Ebner.

Termin
„Beruf: Eulenspiegel“ erlebt seine Premiere am Freitag, 1. Juni, um 19.30 Uhr im Prinzregenttheater, Prinz-Regent-Straße 50-60.
Das Theater ist unter Tel.: 77 11 17 zu erreichen.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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