Mehr als nur Gitarrenriffs... Wer Konzerte veranstaltet, darf nicht nur dem eigenen Musikgeschmack vertrauen

Dirk Zimmer (l.) und Martin Zowislok organisieren mit der Langendreerer Rock Palast GmbH adas Devilside-Festival in Oberhausen. Foto: Molatta | Foto: Molatta
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„Beim ersten Mal tappten wir noch im Dunklen, jetzt hat sich Routine eingeschlichen.“ Dirk Zimmer und Martin Zowislok organisieren mit der Langendreerer Rock Palast GmbH an diesem Wochenende zum dritten Mal das Devilside-Festival. Tausende Rockfans pilgern dafür nach Oberhausen.

1998 übernahm Zimmer den legendären „Rockpalast“, baute ihn zur „Matrix“ um und begann, Live-Konzerte zu organisieren. Bands, die heute große Arenen füllen - etwa die Beatsteaks - standen hier einst auf der Bühne. Mit den Bands ist auch der Veranstalter „gewachsen“: Die Agentur organisiert von Langendreer aus inzwischen Konzerte in ganz NRW. Und allein an diesem Wochenende sind 45 Bands auf drei Bühnen zu koordinieren.

Wenn alles gut gegangen ist, dann ist Dirk Zimmer in diesem Moment schon ziemlich entspannt. Dann läuft das Devilside-Festival an der Oberhausener Turbinenhalle an seinem zweiten Veranstaltungstag richtig rund und Zimmer und sein Team können erst einmal durchatmen, die Musik genießen - und den Notfallplan in der Tasche lassen.

Das Festival für Fans der etwas härteren Gitarrenmusik ist die bislang größte Herausforderung für das Veranstaltungsteam der Rock Palast GmbH. Von ihrem Büro an der Hauptstraße in Langendreer aus haben sie das Festivalprogramm mit mehr als 45 Bands auf die Beine gestellt, das in diesem Jahr nicht nur erstmals in Oberhausen stattfindet, sondern obendrein auch zum ersten Mal über volle drei Tage geht - inklusive Campingmöglichkeit für Besucher. „Eigentlich ist so ein Festival ja auch nichts anderes als ein Konzert mit drei Bands - nur eben ein bisschen größer“, schmunzelt Organistor und Sprecher Martin Zowislok.

Und in Sachen Konzertorganisation haben Dirk Zimmer und sein Team bereits jede Menge Erfahrung und sich einen Namen weit über die Stadtgrenzen hinaus gemacht. Begonnen hat alles um die Jahrtausendwende, als Zimmer sich daran machte, ein Konzertprogramm für seine „Matrix“ auf die Beine zu stellen. 1998 hatte er den einstigen „Rockpalast“ in der einstigen Müser-Brauerei übernommen, komplett umgebaut und schließlich in „Matrix“ umbenannt. Zusätzlich zum regulären Disco-Betrieb sollten Live-Konzerte das Programm bereichern.

Daraus ist längst mehr geworden. „Heimspiele“ in der Matrix veranstaltet Zimmer mit seiner Agentur nach wie vor - doch ebenso Konzerte im RuhrCongress, in der Christuskirche oder jenseits der Stadtgrenzen in der Oberhausener Turbinenhalle, in Köln, Herford oder auch schon mal in Berlin. „Das liegt vor allem daran, dass Bands, die wir von Anfang an begleitet haben, inzwischen größer geworden sind, ihre Agenturen aber weiter gerne mit uns zusammen arbeiten wollen. Da mussten wir uns nach größeren Hallen umsehen, weil die ‚Matrix‘ mit ihren Kapazitäten nicht mehr ausreichte.“ Zu den Bands, die in ihrer Anfangszeit an der Hauptstraße spielten, gehören etwa die Beatsteaks aus Berlin oder Soulfly. „Und wir haben auch den ersten Ruhrgebiets-Auftritt von Atze Schröder gemacht“, erinnert sich der 44-Jährige.
Martin Zowislok hat diese Entwicklung fast von Beginn an miterlebt. 2001 kam er zur „Matrix“ - als Gläserschlepper, bevor er dort eine Lehre zum Veranstaltungskaufmann begann. Inzwischen kümmert er sich vor allem um die Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, die Website-, Plakat- und Flyergestaltung. „Der Knackpunkt waren damals Bosshoss“, erinnert er sich: „Wir hatten sie 2004 für die Matrix gebucht - plötzlich waren sie total angesagt, es gab einen Riesen-Run und das Konzert war ganz schnell ausverkauft. Da sind wir zum ersten Mal in den Ruhrcongress gegangen.“

Inzwischen wird die Halle am Stadionring von den Langendreerern oft und gerne bespielt - zuletzt am Dienstag, als dort Hugh Laurie (besser bekannt als TV-Arzt „Dr. House“) mit Leidenschaft für den Südstaaten-Blues überzeugte. Für Konzerte in besonderem Rahmen greifen Dirk Zimmer und Martin Zowislok gerne auf die Christuskirche zurück. „Es gab überhaupt keine Berührungsängste, als wir zum ersten Mal auf Pfarrer Wessel zugekommen sind“, erinnert sich Dirk Zimmer. „Die Kirche hat ein sehr schönes Ambiente und dort bekommen wir natürlich auch ein ganz anderes Publikum als in der Matrix.“ Selbstverständlich müsse man darauf achten, welche Band man dort präsentiert: „Laute Rockmusik können wir weder der Kirche noch den Anwohnern zumuten.“ So gab es dort etwa Pagan Folk mit Faun, unplugged-Konzerte von Subway to Sally und auch das „Vollplaybacktheater“ mit seinen „Drei ???“ war dort schon zu Gast. „Wichtig ist, dass die Location zum Künstler passt.“
„Uns geht es darum, Bochum als Standort für Konzerte zu stärken“, sind sich die beiden einig. Denn über eines dürfe man sich keine Illusionen machen: „Das Ruhrgebiet spielt für die großen Agenturen nur eine untergeordnete Rolle. Es ist für die höchstens ein B- oder C-Standort. Wenn die internationale Bands holen, dann wollen die in die großen Medienstandorte - Berlin, Hamburg, München, Köln.“ Und Bands, die in Köln spielen, spielten meist nicht auch noch im Ruhrgebiet: „Die Menschen aus dem Ruhrgebiet fahren für Bands, die sie sehen wollen, nach Köln - der Kölner käme nie auf die Idee, hierher zu fahren. Der denkt sich: ‚In ein, zwei Jahren kommen die auch hierher.‘ Das ist der Unterschied.“

Die künstlerische Spannbreite ist weit gefächert: „Natürlich machen wir in erster Linie Gitarrenmusik, da liegen unsere Wurzeln.“ Viel Metal also, doch dazwischen findet man im Veranstaltungsprogramm immer wieder anderes: Von Blues - wie etwa Marla Glenn - über HipHop bis zu Düsterem - ewa beim Blackfield-Festival oder der „Eisheiligen Nacht“, die im Dezember zum zweiten Mal im Ruhrcongress stattfindet - reicht die Palette. Und selbst Geigen-Girlie Vanessa Mae brachten sie schon nach Bochum. Musikalische „No-Go‘s“ gibt es nicht. „Schließlich haben wir ja auch schon Scooter gemacht“, wirft Martin Zowislok ein.

„Wir haben damit angefangen, weil wir uns für Musik begeistern“, sind sich Zimmer und Zowislok einig. Doch als Veranstalter, da dürfe der eigene Musikgeschmack nicht ausschlaggebend sein: „Wichtig sind vor allem die Erfolgsaussichten.“ Jedem Engagement liegt also Kalkül zugrunde: Wie hoch sind die Gagenforderungen des Künstlers, wie viele Zuschauer lassen sich generieren - und lohnt sich das Ganze? „Dies einzuschätzen, das ist die große Kunst“, sagt Dirk Zimmer. „Wir lesen Konzertberichte, gucken uns die Verkaufszahlen an und haben uns inzwischen auch einen Pool von Leuten aufgebaut, die wir nach ihrer Einschätzung fragen“, präzisiert Martin Zowislok. „Und letztlich ist bei uns immer noch vieles Bauchgefühl“, schmunzelt Dirk Zimmer.

Meist behält „der Bauch“ recht - manchmal aber verschätzt er sich komplett: „Ich könnte mir heute noch in den Allerwertesten beißen, weil wir die Kings of Leon nicht gemacht haben. Aber wir konnten sie absolut nicht einschätzen. Zwei Monate später haben sie die Kölner Lanxess-Arena ausverkauft.“ Und auch bei Vanessa Mae lagen die Konzertveranstalter falsch: „Wir dachten eigentlich, dass sei eine sichere Bank.“ Doch statt der erwarteten 1200 Besucher kamen nur 700 - „man kann sich ausrechnen, was das finanziell bedeutet.“ Nach diesem Erlebnis haben sich die Macher geschworen, in Zukunft doch lieber in „ihrem“ musikalischen Bereich zu bleiben. „Davon verstehen wir was.“ Außerdem: „Wir haben zwölf Festangestellte, da muss man natürlich auch an das Geld denken.“

2008 betraten die Organisatoren mit dem „Blackfield-Festival“ ein neues Terrain - und Martin Zowislok ging noch einen Schritt weiter: „Er hatte diesen Namen, ‚Devilside‘, und hat mich in meinem Urlaub mit der Idee erwischt. Ich hab‘ ihm gesagt: ‚Mach mal‘. Man muss ja schließlich auch an die Zukunft denken. So wie die Künstler größer werden, so wachsen wir auch“, blickt Dirk Zimmer zurück. Die Devilside-Premiere ging 2009 im Duisburger Landschaftspark über die Bühne - damals noch als Tagesveranstaltung. Zimmer erinnert sich noch gut an diesen Tag: „Der Großhändler, der die Getränkewagen aufgestellt hatte, hat irgendwas mit der Elektrik nicht richtig hinbekommen. An dem Tag war es total heiß und ein Wagen nach dem anderen fiel aus. Ich war den ganzen Tag nur unterwegs, um Zapfanlagen zu reparieren.“ Aus diesen Anfängerfehlern haben die Macher gelernt: „An diesem Wochenende ist ein Techniker nur dafür da, sich um die Getränkewagen zu kümmern. Sowas soll nicht noch mal passieren.“

Im Endspurt der Festival-Vorbereitung gibt sich Zimmer betont ruhig: „Aber innerlich brodelt es schon“, gibt er zu. „Im Kopf rotiert es ständig, ob wir auch an alles gedacht haben und nicht doch noch eine entscheidende Kleinigkeit vergessen haben.“ Für alle Eventualitäten haben die Macher aber einen Notfallplan vorbereitet: „Wir wissen sogar, wo wir am Wochenende notfalls noch zusätzliches Wechselgeld her bekommen.“ Eines aber lässt sich auch bei bester Vorbereitung nicht planen: das Wetter..

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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