Finanzsorgen überschatten die Frühjahrsspielzeit
"Theater Traumbaum" muss Vorstellungen streichen

Fürs Ruhrgebiet ein identitätsstiftendes Ereignis, doch bislang kein Thema für die Theaterbühne: der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht wollen das ändern. Premiere ist am 15. März.  | Foto: Theater Traumbaum
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  • Fürs Ruhrgebiet ein identitätsstiftendes Ereignis, doch bislang kein Thema für die Theaterbühne: der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht wollen das ändern. Premiere ist am 15. März.
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Wenn das "Theater Traumbaum" in Bochum am 17. Februar mit seiner Frühjahrsspielzeit startet, in der auch wieder eine neue Produktion zu sehen sein wird, dann überschatten dunkle Wolken die eigentlich gespannte Vorfreude. Der Grund: Eine große Finanzierungslücke bereitet dem Theater Sorgen.

Wenn an der Lothringer Straße in Bochum-Gerthe nach einer ebenso lebendigen wie erstaunlich konzentrierten Theatervorstellung die Lichter auf der Bühne und im Zuschauerraum für die anschließende Diskussion angehen, blickt man in zwei strahlende empathische Gesichter auf der Bühne und in viele offene interessierte Gesichter im jungen Publikum. Schnell entwickelt sich ein reger Austausch über das gerade Gesehene. Haben dann aber auch die letzten jungen Zuschauer nach einem Handschlag mit den beiden Akteuren das Theater verlassen, zeigen sich auf den Gesichtern der beiden Theatermacher leichte Sorgenfalten und ihnen ist eine gewisse Anspannung anzumerken.

Jonglieren mit vielen Bällen gleichzeitig

„Momentan halten wir mit nur zwei Leuten schon sehr viele Bälle gleichzeitig in der Luft“, erläutert Ralf Lambrecht. „Noch bis morgen stehen wir in vier Vorstellungen pro Woche bei der Spielzeit 'YemejHaShoah - Theater gegen das Vergessen' auf der Bühne. Und die Diskussionen mit den Schülern nach den Vorstellungen zeigen, wie wichtig die Veranstaltungsreihe immer noch ist. Die rassistischen und nationalistischen Fakenews der neuen rechten Nationalisten sind inzwischen auch bei vielen Jugendlichen angekommen - da tut Aufklärung not.“
„Nachmittags,“ ergänzt Birgit Iserloh, „steht die Werbung und Kartenvorbestellung für unsere kommende Frühjahrsspielzeit 'Gegen Mobbing und Gewalt - Märzstürme 1920' an, die sich ab Montag bis zum 19. März direkt anschließt. Das Wochenende gehört dann den Endproben unserer diesjährigen Neuproduktion 'Märzstürme an der brennenden Ruhr 1920-2020'. Über mangelnde Arbeit können wir uns nicht beklagen."
Dieses Pensum ist eigentlich nichts Besonderes: "42 Veranstaltungen, 16 theaterpädagogische Workshops und 26 Vorstellungen in acht Wochen - das ist unser normales Frühjahrspensum", berichtet Ralf Lambrecht.

Finanzielle Situation ist unsicher

Was die beiden Theatermacher viel mehr belastet, ist ihre unsichere finanzielle Situation: "Dass professionelles engagiertes Kinder- und Jugendtheater nicht nur über Eintrittsgelder zu finanzieren ist, war uns schon seit unseren Anfängen vor über dreißig Jahren klar", berichtet Ralf Lambrecht. "Als wir dann vor siebzehn Jahren unseren festen Spielbetrieb hier im KulturMagazin in den Räumen des Bochumer Kulturrates begonnen haben, war uns bewusst, dass selbst in einer theaterbegeisterten Stadt wie Bochum für ein freies Theater keine Chancen bestehen, die anfallenden Kosten komplett über eine kommunale Förderung zu decken, dazu fehlt die Lobby." Daher haben sich die beiden Theatermacher von Anfang an möglichst breit aufgestellt, um ihre vier Spielzeiten mit gut 70 Vorstellungen pro Jahr halbwegs kostendeckend gegenzufinanzieren, und haben sich neben der kommunalen Förderung auch immer um Sponsoringmittel bemüht. Jetzt kam der Rückschlag: „Leider“, erzählt Birgit Iserloh, „hat uns ein langjähriger Sponsorpartner zum Ende letzten Jahres den Sponsoringvertrag aufgekündigt. Wir als Theater können und wollen diese Entscheidung nicht kritisieren, Sponsoring ist eben ein Werbewerkzeug der freien Markwirtschaft und keine öffentliche Verpflichtung." Zwar überwiegt bei den beiden Theatermachern Dankbarkeit für die finanzielle Unterstützung in den vielen Jahren, faktisch aber stehen sie nun in diesem Jahr vor einer gravierenden Finanzierungslücke. „Wir dürfen die genaue Summe nicht öffentlich beziffern, aber sie liegt irgendwo zwischen 13.000 und 17.000 Euro", stellt Lambrecht klar. „Dieses Defizit merkt man leider auch unserem Spielplan an. Wir mussten in der Frühjahrsspielzeit leider komplett alle sonst üblichen Familienvorstellungen am Sonntagnachmittag streichen."

"Die Hoffnung stirbt zuletzt."

„Wir haben uns natürlich bemüht,“ so Birgit Iserloh, „unser Veranstaltungsangebot möglichst wenig zu reduzieren, denn die Nachfrage nach unserer speziellen Form des thematischen Kinder- und Jugendtheaters ist ungebrochen groß. Bis auf eine sind alle Vorstellungen im Rahmen von 'Yemej Ha-Shoah' komplett ausverkauft, bei der Spielzeit im Frühjahr zeichnet sich eine ähnliche Tendenz ab."
Um diese Nachfrage erfüllen zu können, haben sich die beiden Theatermacher schon früh um zusätzliche Landes- und Bundesmittel bemüht. Doch sei Antragsstellung nicht nur zeitaufwendig, sondern zudem selten von Erfolg gekrönt. Hinzu kämen lange Bewilligungszeiträume, die die langfristige Planung und die Öffentlichkeitsarbeit immens erschwerten. "Aber,“ so Lambrecht mit einem Lächeln, „die Hoffnung stirbt zuletzt und auf Dauer setzt sich Qualität durch."
Da aber pures Hoffen wenig hilft, engagieren sich Iserloh und Lambrecht neben ihrer eigentlichen Theaterarbeit kulturpolitisch beim "KEP", dem "KulturEntwicklungsProzess" der Stadt Bochum und bei „Nice-Preis, zehn Prozent“, der Initiative der freien Bochumer Kulturschaffenden. "Vielleicht setzt sich ja doch noch die  Einsicht durch, dass Kinder- und Jugendtheater für eine Stadt genauso wichtig ist wie das Erwachsenentheater!" Deshalb gibt das "Theater Traumbaum" für die kommende Spielzeit auch noch nicht die Devise aus: „Besucht jetzt das Theater, solange es noch steht!“, sondern startet mit voller Kraft ab dem 17. Februar in die Spielzeit Frühjahr 2020.

Das Programm im Frühjahr

  • Vom 17. bis zum 20. Februar steht für Menschen ab zwölf Jahren jeweils um 10 Uhr „Cybermobb, in´s Netz gegangen“ zum Thema Internetkommunikation und Cybermobbing auf dem Programm. Hier gibt es für alle Vorstellungen noch Karten.
  • An ein jüngeres Publikum ab sechs Jahren wendet sich vom 26. bis 27. Februar das Stück "Stromboli-Knut und die Wut" zum Thema Wut und Aggressionen.
  • Mit dem Stück „Mobfer-f“, über Mobbing unter Schülern aus der Opferperspektive hat das Theater einen Nerv getroffen, denn hier sind bereits alle Vorstellungen vom 2. bis zum 5. März schon lange komplett ausverkauft.
  • Vom 9. bis zum 12. März können Schülerinnen und Schüler in den theaterpädagogischen Workshops „Respekt-Voll“ ihre eigenen Themen auf die Bühne bringen.
  • Den krönenden Abschluss der Spielzeit bilden die Uraufführung von „Märzstürme an der brennenden Ruhr 1920-2020“ am Sonntag, 15. März, um 15 Uhr sowie weitere Vorstellungen vom 16. bis 19. März, jeweils um 10 Uhr. Das Stück beschäftigt sich mit dem Kapp-Lüttwitz-Militärputsch und seiner Niederschlagung durch den Generalstreik, der sich in diesem Jahr zum einhundertsten Male jährt und bei dem die Menschen hier im Ruhrgebiet eine wesentliche Rolle gespielt haben.
  • Informationen zu allen Stücken und Kartenreservierung gibt es unter Tel.: 8906681 oder im Netz: Theater Traumbaum.
Fürs Ruhrgebiet ein identitätsstiftendes Ereignis, doch bislang kein Thema für die Theaterbühne: der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht wollen das ändern. Premiere ist am 15. März.  | Foto: Theater Traumbaum
Mit ihrem Stück "Mobfer-f" haben die Theatermacher einen Nerv getroffen. | Foto: Theater Traumbaum
Autor:

Sabine Beisken-Hengge aus Essen-Ruhr

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