Fehlentscheidung zum Stadtarchiv kostet die Stadt über 20 Mio. Euro

Foto: Stadt Bochum
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Seit 2006 befindet sich das Stadtarchiv – Zentrum für Stadtgeschichte im BP/Aral-Haus. Leider besuchen die sehenswerten Ausstellungen viel zu wenig Menschen, da den Weg zur Wittener Straße kaum jemand auf sich nimmt. Zudem sind die Kosten für die Anmietung der Stadtarchivflächen und die Energiekosten völlig aus dem Ruder gelaufen.

Mietlösung wird 15,5 Mio. Euro teurer als Bau in Eigenregie

2002 ermittelte das Stadtarchiv selbst einen Platzbedarf von 6.600 qm für seine Tätigkeiten (Nutzfläche ohne Verkehrs- und Funktionsflächen): 2.000 qm für das Archiv, 1.600 qm für die Verwaltung, Bibliothek, Benutzung und Werkstätten, 3.000 qm für stadthistorischen Ausstellung. Die Stadt stand vor der Entscheidung selbst die erforderlichen Räumlichkeiten zu bauen oder die notwendigen Flächen anzumieten.

Politik und Verwaltung entschieden sich für das Anmieten von 12.000 qm im BP/Aral-Haus. eine teure Fehlentscheidung. Die Räumlichkeiten dort ermöglichten aus statischen Gründen keine platzsparende Lagerung des Archivmaterials in einer Kompaktusanlage. Darüber hinaus, sind die Räumlichkeiten so verbaut, dass 30% der angemieteten Fläche ungenutzt als Verkehrs- und verloren gehen.

Nach Kalkulation der Verwaltung sollte ein Neubau inklusive Grundstückserwerb und Kompaktusregalanlage rund 9,5 Mio. Euro kosten. Finanzierung und weitere Baunebenkosten wurden mit rund 1,8 Mio. veranschlagt. Summiert man den Wertverlust des Gebäudes, Finanzierungskosten, Abschreibungen und Instandhaltungskosten, hätte diese Lösung für die Stadt in 20 Jahren Kosten in Höhe von 8,5 Mio. bedeutet.

Die Mietlösung war bedeutend teurer. Nach verifizierten Informationen aus dem Umfeld des Vermieters zahlt die Stadt derzeit jedes Jahr über 1,2 Mio. Euro Miete an den Vermieter. In 20 Jahren ergeben sich damit städtische Mietzahlungen in Höhe von 24 Mio. Euro.

Die Mietlösung hat die Stadt im Ergebnis nach 20 Jahren somit 15,5 Mio. mehr gekostet als ein Bau des Stadtarchivs in Eigenregie (Kostenkalkulation).

Energiekosten sind fast 7 Mio. Euro höher als geplant

Hinzu kommt, dass die Energiekosten (Strom und Fernwärme) im BP/Aral-Haus nicht wie wie von der Verwaltung geplant 1,28 Euro/qm betragen haben, sondern 2009 bereits 3,69 Euro betrugen (Mitteilung 20110425 auf Anfrage der CDU).

Aufgrund der Erhöhung der Energiepreise bis heute, ist anzunehmen dass die Energiekosten sich weiter erhöht haben. Die Verwaltung hatte 2011 angekündigt hat, dass der Vermieter beabsichtigte Energiesparmaßnahmen zu ergreifen. Der hierzu von der Verwaltung in Aussicht gestellte Bericht zu weiteren Entwicklung der Energiekosten bei dem Mietobjekt findet sich im Ratsinformationssystem jedoch nicht. Der fehlende Bericht gibt nicht Anlass zu der Vermutung, dass dem Vermieter eine nennenswerte Reduzierung der Energiekosten gelungen sein könnte.

Ohne die Energiepreissteigerung der letzten 9 Jahre einzuberechnen ergeben sich auf Basis der Energiekosten von 2009 hochgerechnet auf 20 Jahre bereits ungeplante Mehrkosten für Strom und Fernwärme in Höhe von 6,94 Mio. (Kostenkalkulation)

Mietlösung ist 22.4 Mio. Euro zu teuer

Insgesamt wird die Stadt die Anmietung der Gebäudeflächen für das Stadtarchiv in 20 Jahren 22,4 Mio mehr kosten als erforderlich (15,5 Mio. Anmietungsmehrkosten und 6,94 Mio, Energiemehrkosten).

Diese teure Fehlentscheidung reiht sich in eine Vielzahl weiterer im Energie- und Immobilienbereich (u.a. STEAG, Kraftwerke Lünen und Hamm, PeV, Einkaufszentrum Husemannplatz) ein. Die mangelnde Bereitschaft der Politik wirtschaftliche Lösungen zu finden und mit dem Geld der Steuerzahler sparsam umzugehen ist letztlich eine wesentliche Ursache dafür, dass die Stadt 2 Mrd. Schulden hat und an jeder Ecke das Geld fehlt.

Standort Wittener Straße wird nicht angenommen

Aber auch der Standort des Stadtarchivs überzeugt nicht. Aufgrund der abseitigen Lage, besuchen leider nur wenige Menschen die interessanten und gut gemachten Ausstellungen zur Bochumer und Wattenscheider Stadtgeschichte. Im Durchschnitt fanden 2016 nur 18 Besucher pro Öffnungstag den Weg zur Wittener Straße um sich dort eine Ausstellung anzuschauen. Den Lesesaal nutzen pro Öffnungstag im Durchschnitt kaum mehr als 9 Personen (Tätigkeitsbericht 2016).

Trotz dieser ernüchternden Zahlen und der maßlosen Kosten erklärte Dr. Hans H. Hanke (SPD) am 26.04.18 in der Sitzung des Stadtrats, der Standort des Stadtarchivs an der Wittenerstraße sei optimal. Offensichtlich hatte er sich vor seiner Aussage weder mit den Besucherzahlen noch mit den Kosten beschäftigt.

Ausstellung und Bibliothek des Stadtarchivs könnten mit VHS und Stadtbücherei in das „Haus des Wissens“ am Rathausplatz einziehen

Die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ hatte in der gleichen Ratssitzung vorgeschlagen, mindestens die Ausstellungen ggf. aber auch die Bibliothek und die Ausleihe des Stadtarchivs gemeinsam mit VHS und Stadtbücherei in das geplante „Haus des Wissens“ im Telekomblock gegenüber dem historischen Rathaus zu verlagern (Antrag 20181028). So könnte die Stadt viele Synergieeffekte nutzen. Bibliothek, Ausleihen und Lesesaal könnten personell wie räumlich von Stadtarchiv und Stadtbücherei gemeinsam betrieben werden. Die Ausleihzeiten von Material des Stadtarchivs ließen sich ausweiten.

Die Ausstellungen des Stadtarchivs würden zudem am Rathausplatz eine ganz andere Aufmerksamkeit finden. Es wäre zu erwarten, dass die Besucherzahlen deutlich steigen. Der Standort wäre leichter zu erreichen, Besucher der Innenstadt würden animiert, die Ausstellungen auch spontan zu besuchen.

Das Archivmaterial, das nicht in der Präsenzbibliothek verfügbar gehalten wird, könnte kompakt in einem Zweckbau an einem anderen Ort in der Stadt günstig untergebracht werden. Zu überlegen ist dabei, ob das Material nicht gemeinsam mit dem anderer Städte gelagert werden kann.

Für die Zukunft des Stadtarchivs muss eine andere Löung gefunden werden

Angesichts der unverhältnismäßig hohen Kosten, die das Stadtarchiv am derzeitigen Standort verursacht, ist in jedem Fall der Mietvertrag für die Räumlichkeiten an der Wittener Straße frühzeitig zu kündigen und muss bereits jetzt die Suche nach neuen stadteigenen oder angemieteten Räumlichkeiten beginnen, damit diese nach dem Ende des laufenden Mietvertrages am 31.12.2025 zur Verfügung stehen.

Eine weitere Anmietung der Räumlichkeiten an der Wittener Straße kann sich die Stadt nicht leisten.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Foto: Stadt Bochum
Kostenkalkulation in 20 Jahren, Anmietung vs. Bau durch die Stadt und Mehrkosten Energie
Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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