Mütter haben kaum eine Perspektive auf eine ihren Bedürfnissen angepasste Arbeitszeit

Als Bezieher des Arbeitslosengeldes I nahm ich an der von der Arbeitsagentur Bochum-Herne und den Jobcentern Bochum und Herne ausgerichteten Veranstaltung "Klartext" in der Revierpower-Lounge im Stadion teil. Sehr positiv bewerte ich die große Teilnehmeranzahl an dieser Veranstaltung, es kamen ca. 150 Leute und der Saal war bis auf wenige Plätze gefüllt.

Es gab acht Themenfelder zu Themen der Erwerbslosigkeit wie z. B. die Situation der Frauen, die finanziellen Probleme, die Erwartungen an die Arbeitgeber, die Art der Qualifizierungen für Langzeiterwerbslose, aber auch die politischen Fragen zu Hartz IV. Zu allen Themenfeldern konnten sich die Teilnehmer an der Sitzung durch Spickzettel an vorbereiteten Flipcarts äußern. Im ersten Abschnitt ging es um Kritiken und Anregungen zu den einzelnen Themenschwerpunkten, im zweiten Abschnitt um konkrete Vorschläge zur Änderung der kritisierten Sachverhalte.

Die Situation der Mütter auf dem ersten Arbeitsmarkt stand besonders im Kreuzfeuer der Kritik. Die Arbeitgeber böten kaum Arbeitsplätze mit flexibler Arbeitszeit an, die auf die Bedürfnisse dieser Frauen zugeschnitten sind. Außerdem sind die Gebühren für Kindertagesstätten für Transferbezieher des ALG II nach dem SGB II nicht finanzierbar, zudem fehlt es an Ganztagsbetreuung für Kinder. Weiterhin werden alleinerziehende Frauen oft diskriminiert.

Weitere Kritikpunkte waren das Feedback der Arbeitgeber auf schriftliche Bewerbungen. Zahlreiche Bewerber erhielten nicht einmal eine Absage. "Ich habe zwanzig Bewerbungen geschrieben, aber nichts von den Arbeitgebern gehört", war aus einer Diskussion an einer Themenwand zu hören.

Viele Erwerbslose forderten, dass an der Arbeitsagentur bzw. den Jobcentern ein fester Ansprechpartner zur Verfügung stehen muss. Besonders wurden die hohe Personalfluktuation und die telefonische Nichterreichbarkeit der zuständigen Sachbearbeiter moniert. Weiterhin fühlten sich mehrere Leute von den Mitarbeitern des Jobcenter schlecht behandelt.

Zur Qualifizierung der Langzeiterwerbslosen wurde u.a. gefordert, Umschulungen in den Wunschberuf wieder anzubieten.

Besonders heftig wurde die Höhe der Transferleistungen kritisiert. Die Regelbedarfe reichen bei weitem nicht für ein menschenwürdiges Leben aus. Daraus resultierten politische Forderungen: Abschaffung von Hartz IV, stattdessen Weiterzahlung des ALG I bei entsprechender Erhöhung für die Dauer der Erwerbslosigkeit und mehr Mobilisierung zu Demonstrationen, Arbeitszeitverkürzung und Begrenzung der Überstunden bei vollem Lohnausgleich. Auch die Systemfrage wurde gestellt, da die Ursache für die hohe und permanente Arbeitslosigkeit der Kapitalismus ist. Unternehmer können nach Belieben Arbeitsplätze abbauen, Werke schließen oder ins Ausland verlagern. Die Alternative wäre ein echter Sozialismus mit guter Planwirtschaft (nicht mit der ehemaligen DDR oder der Sowjetunion vergleichbar).

Ich vermisste jedoch Stellungnahmen zu der Sanktionspraxis der Arbeitsagentur bzw. der Jobcenter, obwohl nach wie vor besonders bei den Jobcentern zahlreiche Sanktionen verhängt werden und die Klagen bei den Sozialgerichten zunehmen.

Zu den konkreten Vorschlägen zur Änderung der kritisierten Sachverhalte gehörten u.a. die Vernetzung der Erwerbslosen untereinander, z.B. Sozialberatung, ein fester Ansprechpartner bei der Arbeitsagentur und den Jobcentern für alle Angelegenheiten der Erwerbslosen (Beratung, Förderung und Vermittlung sowie Transferleistungen) sowie Übernahme der Kosten für Kita-Tagesplätze durch die Leistungsträger sowie die Wiedereinführung von Einmalzahlungen als Zuschuss für Bedarfe wie z.B. Waschmaschine, Kühlschrank oder Kleidung.

Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine kurze Podiumsdiskussion zwischen kommunalen, Landes- und Bundespolitikern und zwei Erwerbslosen. Die Erwerbslosen machten deutlich, dass sie immer hin- und hergeschickt werden und keinen festen Ansprechpartner bei den Jobcentern haben und auch ungerecht behandelt würden. Auf die Frage der Moderatorin, was die Politiker an Anregungen mitnehmen, äußerte sich eine Politikerin: "Zur bedingungslosen Grundsicherung brauche ich nichts mitzunehmen, unsere Partei setzt sich seit langer Zeit dafür ein".

Das Schlusswort hielt der Leiter der Arbeitsagentur Bochum-Herne: "Wir nehmen die Kritik der telefonischen Erreichbarkeit des persönlichen Ansprechpartners ernst und werden uns um Lösungen bemühen. Allerdings kann das nicht zur Zufriedenheit jedes einzelnen Erwerbslosen führen, wir werden jedoch alle Möglichkeiten ausschöpfen. Zur Nicht-Stellungnahme der Unternehmen erklärte der Chef der Arbeitsagentur: "Wir haben zu dieser Veranstaltung die Unternehmen bewusst nicht eingeladen. Das werden wir jedoch in einer weiteren Veranstaltung einer Diskussion zwischen Erwerbslosen und Arbeitgebern tun".

Obwohl auf der heutigen Veranstaltung auch Vertreter der IHK waren, gaben sie keinen Kommentar zu den angesprochenen Themen ab.

Mein Fazit: Die heutige Veranstaltung hat zumindest den Anstoß gegeben, Erwerbslose zu ermutigen, über ihre Probleme zu reden. Bei weiteren Veranstaltungen wünsche ich mir eine Podiumsdiskussion mit dem Publikum am offenen Mikrofon.

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

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