Wer sollte die Seilbahn in Bochum betreiben?

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Während die Stadt im Rahmen des Verkehrskonzeptes für den Bochumer Süd-Osten derzeit Nutzen und Kosten auch von Seilbahnlinien zwischen Laer/ Mark 51°7, RUB/ Hochschule und Langendreer (West) prüfen lässt, stellt sich sich die Frage, wer denn ein Seilbahnnetz in Bochum betreiben sollte.

Bogestra zeigt kein Interesse an Seilbahnbetrieb

In Bochum wird der Nahverkehr auf der Schiene und mit Bussen von der Bogestra organisiert. Viele Politiker trauen dem Unternehmen jedoch nicht zu neben Bus-, Straßen- und Stadtbahn noch ein weiteres Verkehrssystem zu betreiben. Dabei ist der Betrieb von Seilbahnen eigentlich technisch nicht kompliziert, auch in den technisch weniger versierten Schwellenländern Südamerikas läuft der Betrieb problemlos. Betrieb und Wartung von Seilbahnen findet vor Ort statt, ein Betriebshof muss für die Seilbahn nicht eingerichtet werden, pro Linie gibt es nur eine Antriebsstation. Das vereinfacht Betrieb und Wartung deutlich.

Allerdings zeigt auch die Bogestra selbst bisher kein Interesse eine Seilbahn zu betreiben. Sie sieht ihre Aufgabe allein in der Verwaltung und dem Betrieb des vorhandenen Nahverkehrsnetzes, substanzielle Pläne dieses zu erweitern oder das Geschäftsfeld im Sinne der Stadt auszubauen, verfolgt die Bogestra nicht.

Unter diesen Umständen ist es nicht sinnvoll einem Unternehmen den Betrieb eines für die Stadt neuartigen Nahverkehrssystems zu übertragen. Es ist besser den Betrieb anderweitig zu organisieren. Ein anderes Betreibermodell verspricht zudem weitere Vorteile

Aufteilung des Seilbahnsystems in Netz und Betrieb

Grundsätzlich sollte das Seilbahnsystem in zwei Bereiche aufgeteilt werden, das eigentliche Netz und den Betrieb des Netzes. Dafür bietet es sich zwei Gesellschaften zu gründen, zum einen eine Seilbahn-Netzgesellschaft, in deren Eigentum sich das Seilbahnnetz befindet und eine Seilbahn-Betriebsgesellschaft, die die Linien des Seilbahnnetzes betreibt und unterhält.

Die Seilbahn-Netzgesellschaft

Idealerweise ist die Stadt Haupteigentümer der Netzgesellschaft. Wird die Seilbahn zu 90 % mit Fördermittel des Landes gebaut und die Stadt finanziert weitere 5 % als Eigenanteil, könnte ein Seilbahnunternehmen, die verbleibenden 5% der Baukosten finanzieren.

Bei dieser Konstellation ist anzustreben, dass die Seilbahn-Netzgesellschaft zu 95% der Stadt und zu 5% dem investierenden Seilbahnunternehmen gehört.

Die Seilbahn-Betriebsgesellschaft

An der Betriebsgesellschaft wäre neben der Stadt ebenfalls das Seilbahnunternehmen zu beteiligen, das bereits in das Seilbahnnetz investiert hat. Bei der Betriebsgesellschaft sollte die Höhe der Eigentumsanteile anhand der Anteile bemessen werden, mit denen die Betriebskosten der Seilbahn aus Umsatzerlösen und einem städtischen Zuschuss finanziert werden. Dies sollte wiederum in ähnlicher Weise wie bei Bogestra geschehen.

Die Bogestra beförderte 2016 146,35 Mio. Fahrgäste und erzielte damit einen Umsatzerlös von 127,63 Mio. Euro. Die Städte aus dem Bogestra-Gebiet unterstützten die Bogestra zusätzlich mit einem Beitrag von 56,99 Mio. Euro (Jahresbilanz 2016). Jede Fahrt, die die Bogestra durchführt, wird somit im Durchschnitt mit 39 Cent (31 %) von den Städten bezuschusst, weitere 87 Cent (69 %) werden aus Erlösen finanziert. Insgesamt steht der Bogestra für jede Fahrt zur Deckung der anfallenden Kosten ein Betrag von 1,26 Euro zur Verfügung.

Dieser Maßstab kann auf die Seilbahn-Betriebsgesellschaft übertragen werden. Auch hier wäre anzustreben, dass die Stadt zunächst 31 % jeder Seilbahnfahrt bezuschusst und die verbleibenden 69 % aus Umsatzerlösen erwirtschaftet werden.

Werden für Betrieb und Unterhaltung der Seilbahnlinien pro Jahr rund 3 Mio. Euro veranschlagt (Kostenvergleich Stadtbahn+Bus, Straßenbahn, Seilbahn), dann sind 2,4 Mio. Seilbahnfahrgäste im Jahr erforderlich, um diese Kosten, bei einer Kostenerstattung von 1,26 Euro pro Fahrt zu decken. 31% der 3 Mio. Betriebskosten, also 930.000 Euro würde, wie bei der Bogestra auch, die Stadt übernehmen, 69% der Kosten würden sich durch die Umsatzerlösen refinanzieren (Grafik Finanzierung Seilbahnbetrieb). Entsprechend sollte die Stadt 31% der Eigentumsanteile an der Seilbahn-Betriebsgesellschaft halten, ein Seilbahnunternehmen die verbleibenden 69%. In der Betriebsgesellschaft übernimmt das Seilbahnunternehmen die Organisation des Seilbahnbetriebes, während die Stadt sich auf die passive Rolle des Zuschussgebers beschränkt.

Betrieb eines Seilbahnetzes ist kostengünstiger als Bus und Bahn

2,4 Mio Fahrgäste, die die Seilbahn benutzen, sind allerdings eher wenig, das entspräche durchschnittlich 6.581 Seilbahnfahrten pro Tag oder 658 Fahrten pro Stunde bei nur 10 Stunden Betriebsdauer. Zu erwarten und anzustreben ist eine deutlich höhere Zahl an Seilbahn-Fahrgästen.

Steigt die Zahl der Seilbahnfahrgäste über 2,4 Mio., kann der Zuschuss der Stadt um 31 % der Umsatzerlöse jeder zusätzlichen Fahrt (31% von 87 Cent = 27 Cent) reduziert werden. Bei Erreichen von rund 6 Mio. Fahrgästen (fast 16.500 pro Tag), reduziert sich der Zuschuss der Stadt auf 0 Euro (Grafik Finanzierung Seilbahnbetrieb). Das ebenfalls beteiligte Seilbahnunternehmen erwirtschaftet im Beispielfall bei 6 Mio. Fahrgästen 1,45 Mio. Euro, mit denen es seine Investition in das Seilbahnnetz refinanzieren kann.

Ab 6 Mio. Fahrgästen erwirtschaftet auch die Stadt einen Überschuss. 6 Mio. Seilbahn-Fahrgäste wären bei dem angedachten Seilbahnnetz, das Laer/ Mark 51°7, RUB/ Hochschule und Langendreer (West) verbinden und die Stadtbahnlinie U35 entlasten soll, eine anzustrebende Beförderungszahl.

Weitere Vorteile, wenn ein Seilbahnunternehmen den Seilbahnbetrieb organisiert

Einem Seilbahnunternehmen den Betrieb des Seilbahnnetzes über eine Seilbahn-Betriebsgesellschaft zu übertragen hätte dazu einige weitere Vorteile: Niemand kennt sich besser mit dem Betrieb und der Wartung der Seilbahntechnik aus als Seilbahnunternehmen. Es ist keine Einarbeitungszeit erforderlich. Betrieb und Gewährleistungsmanagement lägen nach Inbetriebnahme des Seibahnnetzes in einer Hand, es werden Reibungsverluste vermieden. Das Seilbahnunternehmen hat ein besonderes Interesse an einem reibungslosem Betrieb, des von ihm gebauten Seilbahnetzes.

Sollte die Bogestra zu einem späteren Zeitpunkt Interesse am Seilbahnbetrieb zeigen, kann dieser immer noch auf das städtische Unternehmen ganz oder teilweise übertragen werden. Das Seilbahnunternehmen könnten in einem solchen Fall die Bogestra vor Ort unterstützen das erforderliche Knowhow zu erwerben, ehe diese den Betrieb übernimmt.

Grundsätzlich kann die Stadt, wenn Seibahnnetz und Seilbahnbetrieb auf zwei unterscheidliche Gesellschaften aufgeteilt werden, alle 5-10 Jahre den Betrieb der Seilbahn neu ausschreiben und diesen dann an dem am besten geeigneten Bewerber übertragen.

Wird der Betrieb der Seilbahn nicht an die Bogestra übertragen, bedeutet dies für die Bogestra auf der einen Seite einen Verlust an Fahrgästen, wenn z.B. Studenten auf dem Weg zur RUB nicht mehr die U35 sondern die Seilbahn nehmen, auf der anderen Seite, werden mit der Seilbahn neue Kunden für den VRR gewonnen, die dann auch die Linien der Bogestra zusätzlich befahren. Ein Seilbahnnetz sollte daher auch für die Bogestra ein Gewinn sein, wenn sie dieses nicht selbst betreibt. 6 Mio. Fahrgäste auf der Seilbahn, das sind immerhin etwas über 4% von dem an Fahrgästen, die die Bogestra derzeit pro Jahr mit Straßen- und Stadtbahn sowie Bussen befördert.

Seilbahnunternehmen ist als Betreiber besser geeignet als Bogestra

Aufgrund der geringen Betriebs- und Wartungskosten von Seilbahnen bei hohen Fahrgastzahlen, kann ein attraktives Seilbahnnetz bei guter Auslastung anders als andere Nahverkehrsmittel mit deutlich geringeren Zuschüssen oder sogar ganz ohne Zuschüsse der Stadt auskommen. Wie dargestellt ist ein Betrieb durch die Bogestra zumindest in den ersten Jahren weder erforderlich noch sinnvoll.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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