Knappschaft Kliniken
Ärzte aus dem Ruhrgebiet warnen vor erneuten Schulschließungen

Dr. Marion Kolb, Leitende Ärztin der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen
Dr. Thomas Finkbeiner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Westfalen.
  • Dr. Marion Kolb, Leitende Ärztin der Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie an der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen
    Dr. Thomas Finkbeiner, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Westfalen.
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Mediziner der Knappschaft Kliniken sehen darin einen Hauptgrund für psychische Belastungen bei Kindern und Eltern

Die vierte Welle kommt ins Rollen – besonders bei Ungeimpften: Rund einen Monat
nach dem Schulstart in Nordrhein-Westfalen steigen die Corona-Inzidenzen vor
allem bei Kindern und Jugendlichen. Das heizt Diskussionen über ausgeweitete
Quarantänemaßnahmen und erneute Schulschließungen wieder an. Diese Maßnahmen gefährden besonders die Psyche, warnen Ärztinnen und Ärzte der Knappschaft Kliniken – und zwar nicht nur die der Kinder, sondern auch die der Eltern.

Während der Pandemie ist die Nachfrage nach ambulanten psychotherapeutischen Behandlungen in den Knappschaft Kliniken sehr stark angestiegen. „Wenn Strukturen wie der
Schulbesuch oder das Training im Sportverein wegfallen, kann das gravierende
Folgen für die kindliche Psyche haben, wenn es wenig andere Halt gebende oder
soziale Strukturen gibt“, sagt Dr. Marion Kolb. Die leitende Ärztin der
Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Kinder-
und Jugendklinik Gelsenkirchen plädiert für die Jüngsten unserer Gesellschaft:
„Kinder brauchen Stabilität, Verlässlichkeit und soziale Kontakte. Wenn soziale
Kontakte und verlässliche Strukturen wegfallen, können bei vorbelasteten
Kindern und Jugendlichen Probleme und psychische Störungen aufbrechen, die
sonst nicht aufgebrochen wären.“

Hauptsächlich Mütter und sozioökonomisch Schwache betroffen

Vor allem sozioökonomisch schwächere Familien seien besonders stark von den
Corona-Maßnahmen getroffen worden, so die Erfahrung von Dr. Marion Kolb. Die Tagesklinik
für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie steht in Gelsenkirchen,
einer der ärmsten Städte Westdeutschlands mit einem hohen Anteil an
Kinderarmut.

Armut als Risikofaktor sieht auch Dr. Thomas Finkbeiner, Chefarzt der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Westfalen: „Eine kleine Wohnung und
ein Laptop, der in der Familie geteilt wird, sind in der Pandemie plötzlich
problematische Umstände geworden, die Menschen mit mehr Geld eher vermeiden
konnten“, so der Facharzt. Besonders Mütter – ob alleinerziehend oder nicht –
kommen vermehrt in seine Ambulanz. „Frauen kümmern sich trotz aller
Emanzipation auch heute noch überwiegend um alle Familienangelegenheiten und
stehen daher besonders unter Druck“, so Dr. Finkbeiner.

Eltern müssen sich Grenzen eingestehen

Bei ihm im Klinikum Westfalen suchen Eltern Hilfe, die unter Belastungsreaktionen
wie innerer Unruhe, emotionaler Unausgeglichenheit oder Überforderungsgefühl
leiden. „Es fehlt in der Pandemie die Planbarkeit. Eltern mussten plötzlich neben
ihren sonstigen Verpflichtungen auch noch die fehlende Klassengemeinschaft und
die Lehrer ersetzen“, erklärt Dr. Thomas Finkbeiner. Diese seien meist eine
Kontrollinstanz oder ein Motivator für Kinder beim Lernen. „Eltern müssen
lernen, selbstbewusst mit eigenen Grenzen umzugehen und sich auch mal offen
eingestehen: Das kann ich nicht, dabei kann ich meinem Kind nicht helfen“, so
der Psychiater.

Beide Mediziner sind sich einig: Für die psychische Gesundheit von Eltern und Kindern
hat es oberste Priorität, dass Schulen und Vereine offen bleiben. Dies sei eine
Vorsorge, um psychische Störungen zu vermeiden oder einer Chronifizierung bei
vorhanden psychischen Störungen entgegenzuwirken.

Doch auch die Kliniken sind in der Pflicht. „Wir als Verbund sehen es als unsere
gesellschaftliche Verantwortung, weiter Angebote zur Behandlung der
körperlichen und seelischen Folgen von Covid-19 zu schaffen“, betont Andreas
Schlüter, Hauptgeschäftsführer der Knappschaft Kliniken GmbH.

Die Knappschaft Kliniken GmbH steuert die sieben Krankenhausverbünde, an denen die Deutsche
Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV KBS) zu mindestens 50 Prozent
beteiligt ist. Im Verbund aller Knappschaftskliniken werden jährlich fast 680.000
Patientinnen und Patienten versorgt. Dadurch entsteht ein Jahresumsatz von mehr
als einer Milliarde Euro.

Als Tochtergesellschaft der DRV KBS ist die Knappschaft Kliniken GmbHTeil eines einzigartigen Verbundsystems. Zu diesem gehören neben der
Minijob-Zentrale auch die Rentenversicherung, die Renten-Zusatzversicherung,
die Kranken- und Pflegeversicherung KNAPPSCHAFT, ein eigenes medizinisches
Kompetenznetz und die Seemannskasse.

Autor:

Felix Ehlert aus Bochum

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