Immer wieder ein Ärgernis: Der Umgang mit Datenschutz und Schweigepflicht in Arztpraxen

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Neulich war es wieder mal soweit. Ich saß im Wartezimmer meines Hausarztes, den ich wegen seiner geduldig freundlichen Zuwendung und seiner ruhigen Art seit Jahren schätze, und musste wie schon etliche Male zuvor mit anhören, was ich nicht hören mochte, weil es mich nichts angeht.

Für den Arzt war und ist es ohne Zweifel eine Form des zugewandten Umgangs, wenn er seine Patienten mit Namen anspricht und ihnen mitteilt, welche Überweisungen zu welchem Facharzt er ihnen persönlich übergibt; nur leider tut er das im Flur und somit vor den Augen und Ohren aller Wartenden im Wartezimmer.

Auf diese Weise erfahre ich ganz nebenbei und völlig unfreiwillig, dass Herr Mustermann, den ich vom Sehen kenne, eine Überweisung zum Urologen braucht, was rein automatisch wie anatomisch auf Prostata-Probleme schließen lässt, dass Frau Meierypsilon, die Nachbarin am Ende unserer Straße, eine Überweisung zum Gynäkologen in die Hand gedrückt bekommt, worüber sie persönlich öffentlich womöglich niemals sprechen würde, und dass Frau Müllerzett, die ich schon immer für plemplem hielt, eine Überweisung zur Psychotherapie erhält.

Jetzt kann ich endlich wieder was erzählen, wenn ich nach Hause komme und morgen in der Runde mit den Frauen sitze.

Auch wenn die Namen willkürlich gewählt sind und sich die Personen deshalb bei meinem Arzt nicht aufgehalten haben, ist das nicht lustig, vor allem nicht für den, den es unmittelbar betrifft. Es ist unangenehm bis peinlich, es muss nicht sein und darf vor allem auch nicht sein. Der Patient hat eine Intimsphäre und eine Privatsphäre, die es zu achten gilt und er hat ein Recht auf deren Wahrung Dritten gegenüber. Insofern hat er ein Recht auf die Verschwiegenheit des Arztes, der sie einzuhalten hat. Die Übergabe von Überweisungen im öffentlichen Raum mit deren Benennung und namentlicher Nennung des Patienten ist aus Patientensicht so nicht in Ordnung.

Geht es um die Preisgabe von Informationen, wird unbedacht zu vieles oft zu lasch gehandhabt. Was für den Arzt kaum von Bedeutung sein mag, kann den Patienten schon verletzen. Viele Ärzte wissen nicht einmal, wem gegenüber sie tatsächlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Ist man mit seinem Arzt im Grundsatz ganz zufrieden und möchte die über Jahre gewachsene gute Verständigung nicht gefährden, wagt man es aus Sorge häufig nicht, das Ärgernis ihm gegenüber offen anzusprechen, was nicht gerade glücklich macht, weil es sich auf diese Weise nicht behebt. Hier bleibt abzuwägen, was man unternehmen möchte.

Muss ein Patient hingegen feststellen, dass von einem Behandelnden vollkommen selbstverständlich selbst Informationen aus einer Psychotherapie ohne sein erteiltes Einverständnis an Dritte weitergereicht werden, wird es gefährlich.
In Abhängigkeit von den vermittelten Auskünften und deren Gefahr der Streuung kann es im Extremfall durchaus zur Suizidgefährdung des von der Schweigepflichtverletzung Betroffenen kommen, wenn die Scham darüber nicht mehr ausgehalten werden kann. Die Gefahr einer tiefgreifenden Verletzung durch Datenweitergabe ist in solchen Fällen nicht zu unterschätzen.

Gibt es tatsächlich ernsthafte Probleme, wie das der
Schweigepflichtverletzung, kann man sich wehren, indem man Anzeige erstattet oder an die berufsständischen Kammern herantritt. Entscheidet man sich für die Strafanzeige, muss man wissen, dass eine Verletzung der Schweigepflicht nach nur drei (3) Monaten ! schon strafrechtlich verjährt, zweifellos ein Hohn für den geschädigten Patienten. Eine später
eingereichte Anzeige kann dann nicht mehr verfolgt werden.

Zeigt man den Umstand einer Schweigepflichtverletzung als einer strafbaren Handlung nach § 203 StGB, die psychisch zu schweren Schäden führen kann, als erhebliche Verletzung der Berufspflicht z.B. bei der Psychotherapeutenkammer an, wenn man bei einem Psychotherapeuten in Behandlung war, so kann das zu der bitteren Erkenntnis führen, dass die Anzeige dort keinerlei Beachtung findet und trotz gesetzlicher Verpflichtung einer eingelegten Beschwerde nicht erkennbar nachgegangen wird.

Patientenrechte, in Deutschland angeblich so hoch gehängt, werden noch immer mit Füßen getreten. Es wäre mehrere Berichte wert.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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