VfL-Fans erforschen neue Erinnerungsorte in der Innenstadt
1938 - nur damit es jeder weiß

Florian Kovatsch (li.) und Alex Ranft zeigen die neue Broschüre in der Luisenstraße, wo die Familie Gottschalk zuletzt gewohnt hat.  | Foto: Awo
  • Florian Kovatsch (li.) und Alex Ranft zeigen die neue Broschüre in der Luisenstraße, wo die Familie Gottschalk zuletzt gewohnt hat.
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Die Broschüre „Erinnerungsorte am Fußballstandort Bochum“ geht in eine neue Runde: Erneut haben sich jugendliche VfL-Fans zusammengesetzt und unter Anleitung des Fanprojekts Bochum ein starkes Stück städtische Erinnerungskultur zusammengetragen.

Die Arbeitsgruppe „Erinnerungsorte Bochum - 1938 nur damit es jeder weiß“ ist damit ein wichtiger Baustein zur Erinnerungsarbeit der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW (LAG) geworden, die Projekte dieser Art an landesweit sieben Standorten forciert und Anfang Oktober die vierten Fußball-Kulturtage NRW präsentierte. Dazu passend erschien die Broschüre.
„Wir konnten schon bei der Arbeit zur ersten Broschüre feststellen, dass wir in Bochum ganz viele Erinnerungsorte haben, die bei einer solchen Aufarbeitung berücksichtigt werden sollten. Da lag es nahe, eine weitere Ausgabe zu gestalten, mit der wir noch einmal ganz neue Schwerpunkte setzen“, schildert Fanprojekt-Mitarbeiter Florian Kovatsch.
So findet auch diese Version wieder Anlehnung an den Fußballstandort Bochum. Erich Gottschalk etwa war Kapitän von TuS Hakoah Bochum, jüdischer Fußballmeister 1938. Ihm und seiner Familie sind Stolpersteine in der Luisenstraße gewidmet, die Arbeitsgruppe ist seiner Geschichte bis ins niederländische Lager Westerbork gefolgt und hat der Familie ein ganzes Kapitel eingeräumt. Besonders erschreckend und bewegend für die Jugendlichen: Tochter Renee wurde in jenem Lager geboren und starb in Auschwitz. Ihre drei Lebensjahre verbrachte sie allesamt in Konzentrationslagern.
Doch auch weitere Spieler der Hakoah-Meistermannschaft finden Erwähnung, ebenso wie zentrale Plätze und Orte in Bochum, die bereits im Nationalsozialismus eine zumeist unrühmliche Rolle gespielt haben. Daher kann die Broschüre zugleich als kleiner Stadtführer dienen. Auch hier schließt sich der Kreis, schließlich war es schon mit Teil eins möglich, die genannten Orte in Innenstadtnähe aufzusuchen.
Doch bleiben auch aktuelle Themen nicht außen vor. Die Geschichte der Fleischerei Dönninghaus war zuletzt in aller Munde: Simon Zimmer hat seine Recherchen über den jüdischen Vorbesitzer des heutigen Ruhrstadion-Lieferanten in der Broschüre niedergeschrieben, seine Enteignung und Ermordung. „Wir decken damit ein breites geschichtliches Spektrum innerhalb der historischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Bochum ab. Aber wir sind keine Historiker. Unser Ziel war und ist es, anderen Fußballfans ein niederschwelliges Angebot zu machen, sich mit dem dunkelsten Kapitel unserer Vergangenheit zu beschäftigen. In Zeiten, in denen rechtspopulistische Parolen scheinbar wieder salonfähig werden, erscheint uns unsere Arbeit und damit eine Sensibilisierung für das Thema umso wichtiger“, betont Alex Ranft, Mitglied der Arbeitsgruppe.

Infos:

  • Die neue Ausgabe der „Erinnerungsorte am Fußballstandort Bochum“ erschien am 6. Oktober – dem 75. Todestag Renee Gottschalks.
  • nteressierte können die Broschüre kostenlos beim Fanprojekt Bochum, bei den Heimspielen im Ruhrstadion oder im Awo-Stadtbüro, Bleichstraße 8, bekommen.
  • Über eine Spende für die weitere Arbeit freut sich die Gruppe, die für ihr Engagement im Jahr 2018 mit dem Julius-Hirsch-Preis des DFB ausgezeichnet wurde.
Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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