Geschichten aus der guten alten Zeit

Acrylfarben auf Leinwand (Keilrahmen), 40x50 cm
  • Acrylfarben auf Leinwand (Keilrahmen), 40x50 cm
  • hochgeladen von Peter Krämer

Jeden Abend, an dem es das Wetter zuließ, machten Tina-Maria und Manuel mit Großvater zusammen auf dem großen Platz in der Ruinenstadt ein Lagerfeuer, um sich ein paar Insekten zu grillen. Oft erzählte Großvater dann interessante und seltsame Geschichten aus der Zeit, als die Häuser und der große Eisenturm noch heil waren.
Übrigens war er gar nicht ihr richtiger Großvater, er hatte sie nur aufgelesen, als sie auf der Suche nach Heuschrecken und Krabbelkäfern in den Ruinen herumkletterten. Sie waren auch keine Geschwister, aber sie sagten oft Bruder und Schwester zueinander, weil sie sich schon so lange kannten. Aber eigentlich hatten auch sie sich zufällig in der Ruinenstadt getroffen.
„Warum ist die Stadt eigentlich kaputt?“ hatte Manuel eines Abends gefragt. Und Großvater hatte ein lilafarbenes Stück Papier mit einem Bild und ein paar Zeichen darauf aus einer Tasche seines alten Mantels gezogen und gesagt: „Deswegen“.
„Wegen einem Stück buntem Papier?“ hatte Tina-Maria daraufhin erstaunt gefragt. Und Großvater hatte angefangen zu erzählen…
„Das ist nicht einfach nur Papier“, hatte er gesagt. „Das nannten die Menschen früher Geld. Dafür bekam man alles mögliche, was man nur haben wollte. Man musste nur genug von diesem Papier-Geld haben.“
„Wieso das denn?“ hatte Tina-Maria dann gefragt. „Ich würde nie meine Krabbelkäfer für einen Fetzen Papier eintauschen, das kann man doch gar nicht essen.“ „Nein, das nicht“, sagte Großvater da, „aber früher hätte man dafür ganz viele Krabbelkäfer bekommen können. Allerdings haben die Leute damals keine Krabbelkäfer gegessen und auch keine Heuschrecken, sie haben überhaupt keine Insekten gegessen. Ich werde mich auch nie an diese Viecher gewöhnen können“.
„Aber was haben sie denn dann gegessen?“
„Fleisch, Gemüse, Obst und Getreide“ sagte Großvater, „und Fische. Heute geht das alles nicht mehr, und wir müssen diese Insekten essen. Fische und andere Tiere gibt es kaum noch, und das andere wächst nicht mehr richtig.“ „Ja, ich weiß“ sagte Tina-Maria, „aber warum eigentlich nicht?“
„Weil die Menschen immer mehr Geld haben wollten. Sie haben erst die Pflanzen so gezüchtet, dass sie größer wurden und es mehr zu essen gab. Mit den Tieren haben sie es so ähnlich gemacht. Nur Insekten mochte niemand. Aber dann wollten einige diese Tiere und Pflanzen alleine besitzen, damit ihnen die anderen immer mehr Geld dafür geben sollten. Denn für das Geld bekam man ja noch anderes. Man konnte dafür in Häusern wohnen, sich Kleider kaufen, in ferne Länder reisen, sich Autos kaufen…“ „Diese rostigen Kisten, die hier überall herumstehen?“ fragte Manuel. „Ja, genau die“, sagte Großvater, „aber früher waren die ja noch nicht rostig. Man konnte damit herumfahren. Ich hatte selber auch mal ein Auto.
Irgendwann hatten dann einige Leute so viel Geld, dass sie gar nicht mehr wussten, was sie damit machen sollten, während die meisten nur noch ganz wenig hatten. Aber es reichte den Reichen nicht, sie wollten noch mehr. Und da haben sie die Gene der Tiere und Pflanzen verändert, so dass die sich nicht mehr von alleine vermehren konnten. Es konnte niemand mehr Tiere und Pflanzen züchten, alle mussten sie von den reichen Leuten kaufen.
Eines Tages waren die Armen es leid und haben sich gewehrt. Es gab einen Krieg im Land, und dabei haben sie die Stadt zerstört. Nicht nur diese, es gab ganz viele davon, aber heute sind die wohl alle kaputt.
Und weil sich die Pflanzen nicht mehr vermehren konnten, sind nach der nächsten Ernte keine mehr nachgewachsen. Die meisten Tiere waren es gewohnt, im Stall zu stehen und Kraftfutter zu bekommen und wussten nicht, wie sie selber etwas zum Fressen finden sollten. Und so sind sie dann gestorben.
Nur die Insekten hatten Glück, weil niemand die mochte. Deshalb gibt es heute immer noch welche.“
„Komisch“, sagte Manuel, “was wollten die Leute denn mit dem vielen Papier? Warum haben sie nicht denen etwas abgegeben, die weniger hatten und haben alles für sich angesammelt?“
„Weil jemand, der viel Geld hatte, besser angesehen war“ sagte Großvater, „und so war irgendwann alles nur noch auf Gewinn angelegt. Allerdings wurde dadurch auch vieles schlechter, denn es kostete auch Geld, beispielsweise das Wasser immer zu reinigen, damit die Leute es trinken konnten. Da haben die Reichen dann auch dran gespart, um nicht so viel abgeben zu müssen. Stattdessen haben sie eigenes, sauberes Wasser verkauft und damit den Leuten noch mehr Geld abgenommen. Da gab es sogar Verträge mit reichen Unternehmen in anderen Ländern, dass das so gemacht werden sollte. Das hat wohl auch zu dem Bürgerkrieg geführt, die Leute brauchten ja Wasser und haben es sich irgendwann einfach genommen. Und auch vieles andere, was zu teuer geworden war. Hätten die Leute das Geld besser unter sich verteilt, wäre das nicht passiert und alles wäre noch ganz. Aber weil sie gierig waren, ist jetzt alles kaputt.“
„Warum hatten sie denn überhaupt Geld?“ fragte Tina-Maria. „Wäre das alles nicht auch so gegangen, ohne Geld?“
„Im Prinzip schon…“ sagte Großvater, „aber die Menschen waren dafür wohl zu dumm. Die Autos, Häuser und alles andere musste ja gebaut werden, und für diese Arbeit bekamen die Leute Geld. Sonst wären die meisten wohl nicht arbeiten gegangen. Sie haben nicht erkannt, dass alles auch hergestellt werden musste, und mit dem Geld haben sie sich quasi selber überlistet, damit sie bei den Reichen arbeiten gingen. Aber die haben sie ausgenutzt und irgendwann so schlecht bezahlt, dass sie kaum noch davon leben konnten. So konnten die Reichen noch mehr Geld ansammeln, das dann aber woanders fehlte, beispielsweise um diejenigen zu versorgen, die alt oder krank waren und nicht mehr arbeiten konnten. Und es war auch kein Geld mehr da, um billige Wohnungen für diejenigen zu bauen, die sich keine teuren leisten konnten.“
„Seltsame Geschichte“…sagte Tina-Maria. „Erzählst du uns noch eine?“
„Hm…“machte Großvater, „eigentlich bin ich müde und möchte gerne schlafen. Aber gut, eine erzähle ich noch, die ist auch leichter zu verstehen.“
„O ja, Großvater“, sagte Manuel, „mir ist auch schon ganz schwindelig von dieser Geschichte mit dem Geld“.
„Vielleicht verstehst Du das nach dieser Geschichte besser“ sagte Großvater und begann zu erzählen: „ Es waren einmal ein Fischer und seine Frau….“

Autor:

Peter Krämer aus Bochum

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