Ruhrtriennale 2015 # Bochum, Jahrhunderthalle, Kunstdorf

Joep van Lieshout vor "Domestikator"
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"The Good, the Bad and the Ugly" heißt die neue Grossinstallation aus dem Atelier Van Lieshout, die am 15. August 2015 vor der Jahrunderthalle in Bochum eröffnet wird. Danach wird ab 23 Uhr zur Party geladen: Floor mit Kurtis Flow u.a.

Gut, böse und hässlich - so wie wir, wie unser Ruhrgebiet - so soll auch das Kunstdorf mit der grossen Gebäudeskulptur, dem "Refektorium", empfunden werden.

Die gerne provokanten Werke aus dem Atelier Van Lieshout bewegen sich auf der Grenze von Kunst, Architektur und Design. Wiederkehrende Motive und Themen sind Selbstbestimmung und Macht, Autarkie und Anarchie, Politik und Sex.
Joep van Lieshout sagt, ihm seien Utopien wichtig. Einerseits gebe es den Wunsch nach Sozialromantik, Zurück, Ursprung und andererseits herrsche der Glaube an einen Fortschritt durch mehr Produktivität, ähnlich dem Konstruktivismus oder sogar dem Futurismus der 1910er Jahre.
Für ihn könne eine Gesellschaft aber nicht nur aus Lifestyle bestehen, es müsse auch Industrie geben, Landwirtschaft, Arbeit und Freizeit in Kombination und zudem Rituale.

Den Besucher begrüsst die BarRectum - ein Infostand der früher eine Bar war und die Form des Verdauungstrakts hat - über die kleine Zunge, durch die Speiseröhre in den Magen, weiter durch Dünndarm und Dickdarm bis schließlich der grosse Schließmuskel erreicht wird. Speise und Trank werden verdaut, geistige Nahrung wird verarbeitet - so hofft van Lieshout. Er sieht den menschlichen Körper als einzigartige ausgeklügelte Architektur, Zufall oder Entwurf / Design, wer ist der Verfasser ?
Ist es der grosse Domestikator, der leuchtend rot und sogar begehbar den Vorplatz, die Menschen, die ganze Gesellschaft dominiert? Die neue Grossskulptur aus 2015 symbolisiert die Macht der Menschheit über die Welt. Sie zollt dem Erfindungsreichtum, der Kultiviertheit und den Talenten der Menschheit Tribut. Aber auch ihrer Organisationskraft, die sie zur Unterwerfung der natürlichen Umgebung einsetzt. Der Domestikator ist tempelgleich zum Aufschauen konzipiert, er kontrolliert und wühlt auf - brauchen wir so einen? Er lotet nicht nur Grenzen aus, sondern überschreitet sie auch.Van Lieshout wirft mit seinen Skulpturen Fragen in den Raum und lässt sie unbeantwortet.

Aber er zeigt auf, wie eine künftige utopische Gesellschaft leben könnte.
Die Weltkriegskanone hat Moos angesetzt, aber sie ist nicht unkenntlich geworden. Sie ist vielmehr organisch geworden - die Maschine wirkt erschreckend wie ein lebendiger Organismus.
Der Forscher / Freiheitskämpfer wohnt in einer Behausung, dem "Workshop for Weapons and Bombs". Das Labor "Workshop for Medicine and Alcohol" ist hingegen nur ein Arbeitsplatz, unbewohnbar. Dieser Workshop weicht die Grenzen von richtig und falsch, von Medizin und Verderben auf.

Die abgetrennten Köpfe von Claudia und Hermann liegen herum und starren ins Leere.
Der Bauernhof des Jahres 0, also der von Joseph und Maria, ist das Hagioscoop. Ein höhlenähnliches Gebilde aus Glasfaser und Polyesther. Es beherrbergt neben einer Schreinerwerkstatt alles zum Wohnen erforderliche. Die Avantgarde-Farm ist ein Labyrinth aus Vergangenheit und Zukunft. Joep van Lieshout erklärt, dass die Wortschöpfung auf ein Guckfenster in mittelalterlichen Kirchen zurückgehe. Ausgeschlossene, Kranke und Geächtete durften nicht in die Kirche hinein, konnten aber durch ein Guckloch das Heilige schauen. Klar, was wir heute für ihn sind ...?
Aber dafür dürfen wir auf einem Besprechungsklo, dem "Excrementorium" platznehmen. Leuchtend rote WC-Skulpturen zum Ring aneinander gebaut laden zum geselligen und länger dauernden Plausch ein.
Aber Achtung, die Apokalypse naht: "Thin Man" und "Untitled (Horse with Mother and Child)" sind Abbild unserer komplexen Gesellschaft zwischen Über-Konsum und begrenzten Rohstoffen.
In 2015 gibt uns van Lieshout die neuen Skulpturen "Mother Earth" und "Mother Earth Constructivist", eine Rückkehr zu primitiven Totems und Fruchtbarkeitsstatuen. Schafft die Mischung aus Fortschritt und primitiver Vergangenheit die Rettung der Menschheit? Oder kehren wir wieder in die "Pioset Farm" zurück, eine Überlebensfarm mit elementaren Werkzeugen aber einem Gruppenbett?

Für alle Utopisten ist für wenig oder gar kein Geld jede Menge los im Refektorium, und das an fast jedem Tag der Spielzeit. Infos: www.ruhrtriennale.de

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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