„Von Dummlingen und Lebenskünstlern“: Märchen - einmal anders

Elisabeth Nieskens erzählte die nebenstehende Adventgeschichte
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Auf dem Tisch stand ein Adventkranz. Alle Kerzen waren angezündet. Nach einer Weile fingen sie an zu reden.
„Ich heiße Frieden“, sprach die erste Kerze, „aber die Menschen wollen keinen Frieden mehr.“
Traurig verlosch sie.
„Ich heiße Glauben“, sprach die zweite Kerze. „Aber wer glaubt denn heute noch?“
Auch ihr Licht verlosch.
„Und ich heiße Liebe“, sprach da die dritte Kerze. „Was für ein sonderbares Wort für so eine schöne Kraft. Aber die Liebe ist so rar geworden.“
Auch sie löschte ihr Licht aus.

Da kam ein kleines Mädchen ins Zimmer gestürmt,
sah die erloschenen Kerzen und wurde traurig.
„Warum seid Ihr denn aus, Ihr sollt doch brennen“ rief es bestürzt.
Da fing die vierte Kerze an zu sprechen.
„Ich heiße Hoffnung“, sagte sie.
„Hab‘ keine Angst.
Solange ich brenne,
können wir die anderen Kerzen wieder anzünden.“
Da nahm das kleine Mädchen ein Hölzchen und zündete mit der Flamme der Hoffnung die anderen Kerzen wieder an.

Eine märchenhafte Stunde konnte erleben, wer sich am Montag, 17.12.12 trotz Dunkelheit und Regen auf den Weg zum Tagungsraum der LWL-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Alexandrinenstraße gemacht hatte, um zwei besonderen Frauen zu lauschen.

Im Rahmen ihrer Vortragsreihe „Krisen erleben - Beziehungen gestalten“ hatten die Evangelische Stadtakademie, die Telefonseelsorge und die LWL-Klinik diesmal zu einer Veranstaltung der ganz speziellen Art geladen.
Während die Reihe im Jahresverlauf eher wissenschaftlich ausgerichtet ist, wollte man sich in der anheimelnden Atmosphäre der Vorweihnachtszeit einmal bewusst den Märchen zuwenden, in denen es von Lebenskrisen und Strategien der Bewältigung nur so wimmelt, betrachtet man sie aus dem Blickwinkel ebenso geschickter wie bewusster Nachhilfe.

Mit Elisabeth Nieskens als Erzählerin und Nadia Birkenstock an der Harfe wurde ein Programm geboten, mit dem diese Form der Zuwendung ausgesprochen gut gelang.
Die Duisburgerin Elisabeth Nieskens wurde 2006 mit dem Internationalen Erzählkunstpreis und 2011 von der UNESCO für ihre besonderen Fähigkeiten als Märchenerzählerin ausgezeichnet. Sehr zu Recht, wie man schnell spüren konnte.
Gleich mit Beginn ihrer schauspielerischen Rezitation entstand vor den Augen der lauschenden Zuhörer aus dem Nichts heraus wieder die wundersame Welt der Kindheit, die Frau Nieskens allein durch die lebendige und einfühlsame Art des Erzählens hervorzuzaubern verstand.
Unerwartet noch einmal zum Kind werden zu dürfen, in einer hektischen Zeit noch mit allen Sinnen zuhören zu können,
gefesselt zu werden und einzutauchen in das plastisch Erzählte,
das zuweilen fast die Tränen in die Augen trieb, weil es so greifbar wurde und das seelische Erleben sehr tief ansprach, wurde zu einer wunderbaren Erfahrung.

Gemeinsam mit Nadia Birkenstock, die die Erzählungen auf der keltischen Harfe einfühlsam begleitete und das Programm mit zahlreichen Solo-Stücken und mit Gesang umrahmte, schlug sie eine Brücke zwischen den Märchen, den phantasiereichen Erinnerungen der Kindheit, dem gereiften emotionalen Erfahrungsschatz und dem Krisenerleben Erwachsener.
Die Kombination der Fähigkeiten der beiden sympathischen Frauen machte den besonderen Reiz des Abends aus.

Die ergreifende Veranstaltung hätte weitaus mehr Interesse verdient, als sie in der Vorweihnachtswoche ernten konnte. Es blieben leider etliche Plätze leer.
Am Mittwoch, 19.12.12 wird Nadia Birkenstock in 47259 Duisburg, Steinhof noch einmal zusammen mit Elisabeth Nieskens auftreten. Es ist in jedem Fall empfehlenswert, sich diese Zeit zu nehmen.

Wer mehr über die Elisabeth Nieskens und Nadia Birkenstock erfahren möchte:
http://www.maerchenerzaehlerin.eu/
http://www.nadiabirkenstock.com/

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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