Ruhrtriennale 2015 # Jahrhunderthalle Bochum: 80 Jahre Terry Riley

Africa Express
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Konzert mit: Africa Express, Mouse on Mars, Sonic Robots, Tyondai Braxton, koreless
Musikalische Leitung: André de Ridder

In der fast ausverkauften Jahrhunderthalle wurden am 29.8.2015 ein paar Ständchen zur inoffiziellen Geburtstagsfeier anlässlich von Terry Rileys 80. Geburtstag gebracht - und was für welche!

Terry Riley, der Altmeister der Minimal Music, brachte schon früh westliche klassische Musiktraditionen mit unterschiedlichen ethnischen Soundkulturen zusammen. Sein Wirken bleibt bis heute spürbar, vor allem für den loop-basierten Bereich der elektronischen Musik.

Mit seinem in 1964 entstandenen Stück "In C" wollte Terry Riley Musiker in eine Performance integrieren, in der sie sowohl improvisieren können als auch ganz ohne Dirigenten selbst entscheiden dürfen. Für "In C" entwickelte er 53 Module, die zwar wie ein Gerüst vorhanden sind, von den Musikern aber beliebig zusammengestellt und variiert werden sollen. Er gibt zwar Anweisungen, das Ergebnis ist aber völlig offen und überrascht in unzähligen Versionen.
Ausgehend von der fehlenden dominanten Linie eines Dirigenten, legte Terry Riley viele Klangschichten zur gleichen Zeit übereinander. Das Orchester soll wie ein Organismus mit gleichberechtigten Teilen funktionieren, der von einer einenden Seele zusammengehalten wird.
Aus dieser Polyphonie kann und soll der Hörer entscheiden, auf welche Sololinien er focussiert und welche er für sich nur mitklingen lässt - größtmögliche Freiheit, jedem sein eigenes Konzert.

Die Herausforderung von Melodie und Monotonie von "In C" wurde in den von André de Ridder geleiteten und von Tobias Staab kuratierten "Geburtstagsständchen" in drei Versionen wiederholt und jeweils differenziert. Herausgekommen ist eine großartige Unterhaltung mit einer Art Zeitreise. Traditionelle Ethno-Musik und ebensolche Instrumente treffen auf surreale Licht-Klang-Sprache und klassische Streichinstrumente um schließlich mit retro-futuristischer Robotik in die digitale Zukunft zu weisen.

Africa Express ist ein 2006 gegründetes Kollektiv afrikanischer und europäischer Musiker, das auf interkultureller Begegnung und Zusammenarbeit basiert. "In C Mali" entstand 2014 innerhalb von nur einer Woche aus einer spontanen Jam-Session. André de Ridder steht mit seiner klassischen Konzertgeige und elektronischen Phaseklängen im Dialog mit traditionellen afrikanischen Streich-, Blas- und Percussioninstrumenten. Die von Terry Riley geschätzte Polyphonie wird hier um die afrikanische Seele erweitert - mal meint man Vogelstimmen zu hören, dann wieder Buschgeräusche oder Wasserstrudel. Lichteffekte zeigten gesteigerte Klangverdichtungen auch visuell an. Das begeisterte Auditorium entließ die Musiker erst nach einer 15 minütigen Zugabe, bei der auch mitreißende Tanz- und Gesangseinlagen voller Lebensfreude wie Funken übersprangen.

Im zweiten Teil bewies Koreless & stargaze mit "Cycles I", dass "In C" auch nach mathematischen Formeln gespielt werden kann. 10 steif dasitzende Musiker unter jeweils einer Lampe zeigen, was sie zusammen mit Electronics aus 3 Celli, 3 Viole und 4 Violinen in Pendelbewegungen zaubern können. Textpassagen zählen 1 bis 10 durch, jeder Musiker hat eine Nummer und einen speziellen Ton. Lampen erhellen den jeweils Aktiven wie Geistesblitze. Die Stimmen trennen sich, finden zusammen, bilden Harmonien, erzählen in Verbindung mit Text eine Geschichte, stellen mit dem mantramäßig vorgetragenem "over and over and over.." Sinnfragen. Bei allem Surrealen dieser Performance sind die Passagen der "In C"-Loops aber auch immer wieder heraushörbar, differenziert, aber wiederholt.

Schließlich bringen Tyondai Braxton & Mouse on Mars featuring Sonic Robots den Saal zum Toben. Eindringlicher und fordernder als die noch konventionell gemachte Musik, peitschen Musikroboter die seriellen Beats.
Sonic Robots greift die Installation MR-808, ein überdimensionales Überbleibsel einer Drum Machine aus den 1980er Jahren, auf. Die Herkunft der einzelnen Sounds wird mit gehacktem Strabo-Licht sichtbar gemacht. Zwischen Trance und Phase meint man aber auch wieder Waldstimmen und Wasserstrudel zu hören, man erinnert die Loops von "In C".
Trotz Robotik, Hacking und Electronics bleiben die Muster erkennbar. Vielleicht sogar wie eine direkte Antwort der zukünftigen Maschinenwelt auf die Lebensform von Africa Express.

Dem Altmeister zu Ehren war die Terry Riley-Nacht im Spannungsfeld zwischen postmodernem Spiritismus und mechanistischem Goove. Sein Ziel, den Körper zu aktivieren und den Geist zu öffnen, wurde mehr als erfüllt - die Zuschauer waren begeistert.

Als Tip:
Musik von Owen Pallett & stargaze gibt es auch am 5.9. und 6.9.2015 in Essen, PACT Zollverein.

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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