Schauspielhaus-Indendant Anselm Weber sieht seinen Wechsel von Bochum nach Frankfurt ökonomisch begründet

Führt noch zwei Jahre lang die Geschicke des Schauspielhauses: Anselm Weber. Foto: Küster | Foto: Foto: Küster
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„Irgendwann geht es an die persönliche Integrität.“ Eigentlich wollte Schauspielhaus-Intendant Anselm Weber am Donnerstag die Pläne für die kommende Spielzeit vorstellen. Doch nachdem in der letzten Woche publik wurde, dass er seinen Vertrag in Bochum vorzeitig kündigen und 2017 nach Frankfurt wechseln wird, wurde aus dem Ausblick erst einmal ein Rückblick, bei dem weniger die Kunst als vielmehr die Zahlen im Mittelpunkt standen. Denn eines machte der Noch-Intendant unmissverständlich deutlich: Sein Weggang habe ausschließlich ökonomische Gründe.

Es ist ein Blick zurück nicht ohne Zorn – denn von Zahlen, so ließ Weber durchblicken, sei seine gesamte Amtszeit als Intendant des Bochumer Schauspielhauses überschattet worden. „Ich bin von Essen nach Bochum gewechselt, habe meinen ersten Spielplan gemacht – und hatte sofort 1,5 Mio. Euro Schulden.“ Im Bochumer Schauspielhaus sei er auf Haushaltsplanungen gestoßen, „die mehr als abenteuerlich waren.“
Die Schulden hat er abgebaut, ebenso 22 Stellen im Haus und hat inzwischen sogar Rücklagen bilden können: „Aber damit finanzieren wir jetzt die durch die Tariferhöhungen steigenden Personalkosten.“

„Künstlerische Arbeit
ist massiv gefährdet“

Durch den politischen Beschluss, die Personalkosten im Schauspielhaus zu deckeln, sieht Weber seine „künstlerische Arbeit massiv gefährdet.“ Das Verständnis in der Politik dafür, dass Theater einen Freiraum darstelle, werde immer geringer.
Spätestens mit der Spielzeit 2017/18, so der Intendant, könnten diese Tariferhöhungen nur noch aufgefangen werden, wenn im künstlerischen Bereich gespart werde. „Denn man kann hier in Bochum nicht einfach die Eintrittspreise erhöhen, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Auch Sponsoren zu finden ist schwierig.“ Bühnenschließungen seien ein mögliches Szenario. „Und es kann nicht Aufgabe einer künstlerischen Leitung sein, diese Tariferhöhungen aufzufangen.“
Dabei sieht Weber das Schauspielhaus künstlerisch durchaus auf einem guten Weg und macht auch das an Zahlen fest: „158.560 Zuschauer haben wir in dieser Spielzeit bisher, das entspricht einer Auslastungsquote von 80 Prozent. Das ist der viertbeste Wert in den letzten 27 Jahren.“ Auch das Problem der Überalterung der Theaterbesucher kenne das Schauspielhaus nicht – nicht zuletzt dank seiner „Flatrate“ für Studierende: „Allein 6.700 Studenten kamen zu uns.“ 3,6 Mio. Euro habe das Schauspielhaus somit in diesem Jahr selbst erwirtschaften können.
„Um hier verwurzelt zu sein, müssen wir ein Programm machen, das breit aufgestellt ist.“ Das beginne bereits mit den kleinsten Zuschauern: „90 Prozent der Bochumer Grundschüler sehen unser jährliches Familienstück.“
Den oft geäußerten Vorwurf, hohe Besucherzahlen gingen zu Lasten der künstlerischen Leistung, will Weber nicht gelten lassen: „Wir nehmen hier kein Stück vom Spielplan, nur weil es fünfmal nicht gut gelaufen ist.“ Das sei an anderen Häusern durchaus üblich. „Wir machen Kunst – und dazu gehört auch, dass man scheitert.“ Natürlich, so Weber, sei es schade, „dass keine unserer Inszenierungen in den letzten fünf Jahren zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden ist. Aber es kann doch nicht sein, dass das Glück eines Theaters an einer einzelnen Jury-Entscheidung hängt.“
Das Schauspielhaus könne auf internationale Regisseure und Produktionen auf internationalem Standard stolz sein. Neben sperrigen Stoffen, künstlerischen Versuchen oder Roman-Adaptionen hätten daher auch Publikumslieblinge wie „Bochum“ oder „Drei Männer im Schnee“ ihren Platz. „Was ist ist so schlimm daran, sich in Zeiten wie diesen, in denen uns die Welt scheinbar um die Ohren fliegt, im Theater zwei Stunden lang einfach mal unterhalten zu lassen?“
An dieser Politik, ein „Theater für alle“ zu machen, so Anselm Weber, wolle das Schauspielhaus auch in den nächsten beiden Spielzeiten, den letzten unter seiner Verantwortung, festhalten.

Mehr Infos zum Programm in der neuen Spielzeit 2015/2016 gibt es hier:

Von Tschechow bis Monty Python

Autor:

Petra Vesper aus Bochum

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