Das Märchen von Schulschließungen aufgrund abnehmender Schülerzahlen

Erschreckend: Nach dem nun vorliegenden Schulentwicklungsplan werden auch in Zukunft (2016/17) in deutlich über der Hälfte aller Bochumer Grundschulen mehr als 24 Schüler in einer Klasse sitzen (Berechnung). In über 40% der Grundschulen werden die Schüler sogar zu 28 bis 30 Kindern in einer Klasse lernen müssen.

Ist der Sinn eines Schulentwicklungsplans nicht eigentlich die Entwicklung einer zukunftsfähigen Schullandschaft, die bestmögliche Unterrichtsbedingungen für die Bochumer Schüler schafft? Das gesetzte Ziel wird mit dem vorliegenden Plan leider völlig verfehlt.

Wesentliche Voraussetzungen für guten Schulunterricht sollte doch ein angemessenes Verhältnis von Schülern zu Lehrern in den Klassen unserer Grundschulen sein. Also sollte man erwarten, dass der Schulentwicklungsplan so konzipiert ist, dass genau dieses Ziel bis 2016/17 erreicht wird. Das heißt, kleine Klassen für besseren Unterricht.

Der Klassenfrequenzrichtwert in NRW beträgt für Grundschulen 24 Kinder pro Klasse (VO zu §93 SchulG). Entsprechend dieses Wertes erfolgt auch die Lehrerzuweisung des Landes. Ziel müsste es doch somit sein, für die Grundschulkinder der Stadt eine Schulstruktur zu entwickeln, bei der jedes Kind in einer Klasse lernen kann, in die nicht mehr als 24 Kinder gehen. Für den Schulerfolg noch besser wären natürlich Klassen mit noch weniger Kindern. Dies ist aufgrund der festgelegten Lehrerzuweisung aktuell so leider nur schwer möglich. Nur in Ausnahmefällen sollten aber unwesentlich größere Klassen in Kauf genommen werden.

Dem aktuell vorliegenden Schulentwicklungsplan lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass er im Ergebnis zu kleinen Klassen und optimalen Schulbedingungen führen soll.

Dazu zwei haarsträubende Beispiele:
1. Der Schulentwicklungsplan sieht für den im Bezirk Mitte trotz dort zunehmender(!) Schülerzahlen bis 2016/17 vor, die Von-der-Recke-Schule zu schließen und die Carl-Arnold-Kortum-Schule auf eine Einzügigkeit zurück zu führen. Dies bedeutet, dass für die Feldsieper-Schule im Schuljahr 2016/2017 für den Einzugsbereich laut Plan 152 einzuschulende Kinder prognostiziert werden. Diese Schule ist 2016/17 aber nur 3-zügig geplant, kann also nur 90 Kinder in 3 Klassen zu je 30 Kindern aufnehmen und könnte gemäß Plan 62 Kinder gar nicht aufnehmen. Diese müssten dann zu in der Nähe liegenden Schulen ausweichen, so dass u.a. auch die Hofsteder-Schule, die Arnold-Kortum-Schule, die GGS an der Maarbrücke und die Liborius-Schule Klassen mit 30 Kindern pro Klasse bilden müssen.

2. Die Borgholzschule soll gemäß Entwicklungsplan einzügig und Teilstandort der Brenscheder-Schule werden. Beide Schulen haben dann zusammen nur noch 3 Klassen. Die Einschulungszahlen für den Einzugsbereich beider Schulen steigen aber von 2011/12 bis 2016/2017 von 99 auf 122 Schüler. Jetzt wie zukünftig soll es gemäß Plan aber nur 3 Klassen geben, die dann mit 30 Schülern voll gestopft werden. Dazu müssten 32 Kinder abgewiesen werden bzw. in anderen Schulen unterkommen.

Diese Beispiele zeigen deutlich, um optimale Unterrichtsbedingungen für die Schüler geht es bei der vorliegenden Schulentwicklungsplanung ganz offensichtlich nicht. Tatsächlich ist Ziel der Planungen allein die Schließung von möglichst vielen Schulen, um mit den dadurch einzusparenden Geldern den städtischen Haushalt zu sanieren, bzw. um Spielräume für Mehrausgaben in anderen städtischen Bereichen (Stichwort „Musikzentrum“) schaffen zu können.

Dem Konsolidierungskonzept der Stadt lassen sich dann auch die wahren Absichten entnehmen (Konsolidierungskonzept). 16 Schulen sollen aufgegeben werden, um über 5 Mio. Euro einzusparen (fast 10% des Schuletats!), die Analyse des Gemeindeprüfungsanstalt NRW sieht für die nächsten Jahre sogar die Schließung von 21 Schulen vor.

Aufgrund des Sanierungsstaus von 200-400 Mio. allein bei den Schulgebäuden (nach stadteigener Schätzung 2008: 200 Mio.) sollte man zumindest erwarten, dass Geld, was durch die Schließung von Schulen eingespart wird, in die verbleibenden Schulen investiert wird, um diese zu sanieren und um die teilweise eklatanten Ausstattungsmängel zu beheben. Beabsichtigt ist aber genau das nicht. Das wiederum zeigt, dass eine Verbesserung der Schullandschaft offensichtlich nicht wirklich das Ziel der kommunalen Politik ist.

Um die Schulschließungen zu rechtfertigen, wird von der Politik gebetsmühlenartig die Demografie, also abnehmende Schülerzahlen, vorgeschoben*. Zwar nimmt die Zahl der Schüler in Bochum tatsächlich in den nächsten Jahren ab, doch soll gleichzeitig eigentlich die Größe der Klassen reduziert werden, um bessere Lernbedingungen zu schaffen. Im Ergebnis sinkt also die Zahl der Klassen bei weitem nicht in dem Maße wie die Zahl der Schüler. Gleichwohl mag eine Schließung von einzelnen Schulen gerechtfertigt sein. Dann muss diese aber gezielt erfolgen und im Ergebnis an anderen Schulen zu der dringend erforderlichen Verbesserung der Schulgebäude und Schulausstattung führen.

Die wichtigsten Voraussetzungen für eine effektive Schulentwicklungsplanung sind vielmehr:

1. Die Schulentwicklungsplanung muss im Konsens mit allen Beteiligten erfolgen (Vorschlag - Schulgipfel)
2. Die Gelder, die durch die Schließungen von Schulgebäuden eingespart werden, müssen in die Schullandschaft reinvestiert werden. Eher ist zu überlegen den Schuletat zu erhöhen als ihn zu kürzen (Vorschlag - Schuletat verdoppeln)

Die Demografie als Rechtfertigung für die Schulschließung ist nicht mehr als ein billiges Märchen. Die Wahrheit ist, die etablierte Politik hat die Bedürfnisse der jüngsten Einwohner, der Grundschüler fast völlig aus den Augen verloren.

Der Widerstand gegen die vorhergesehenen Schulschließungen ist mittlerweile vielfältig. Verstärkt wird er jetzt sogar von den SPD-Ortsverbänden betrieben (insbesondere gegen die Auflösung von Kirchschule und Von-der-Recke-Schule) aber insbesondere auch mit beispielhaftem bürgerlichem Engagement von vielen Eltern und einigen Lehrern (z.B. an der Borgholzschule). Daher ist zu hoffen, dass dieser Widerstand den Schulentwicklungsplan doch noch zu Fall bringt und den Weg frei macht für eine Schulentwicklungsplanung, die tatsächlich eine leistungsfähige Schullandschaft zum Ziel hat und nicht allein die anspruchslose Einsparung von Geldern im Schuletat.

Dabei ist auch ein verstärktes Aufbegehren der Lehrer erforderlich, die leider viel zu wenig öffentlich auf die eklatanten Missstände in ihren Schulen aufmerksam machen. Unter der Hand die Probleme zu beklagen, bringt uns leider nicht viel weiter. Mut ist gefragt.

Jeden Euro, den wir in Bochum in die Bildung investieren, gerade in die Grundschulen, ist bestens angelegt und erspart uns in 10-20 Jahren Folgekosten, die wir für diejenigen aufbringen müssten, die mangels adäquatem Schulabschluss keine Arbeit finden und von staatlicher Fürsorge leben müssen.

Verantwortliche Politiker werfen den vorliegenden Schulentwicklungsplan bedenkenlos in den Papierkorb.

Volker Steude (Ruhrblogxpublik)

Eines sei abschließend noch gesagt: Wenn Elterninitiativen, die Schließungen ihrer Schule verhindern wollen, aber nicht an einem Strang ziehen und meinen, dass sie sich selbst Vorteile verschaffen können, wenn sie nur für ihre Schule kämpfen und nicht gemeinsam für alle, dann ist das ein gewaltiger Trugschluss und nur der Anfang vom Ende, wie der Niedergang z.B. der Barbara-Schule zeigt. Einzelinitiativen allein können allenfalls die Schließung ihrer Schulen hinauszögern aber nicht langfristig verhindern. Stoppen kann man die ungerechtfertigten Schließungen nur, wenn der Schulentwicklungsplan entsorgt wird und sich die städtische Bildungspolitik insgesamt ändert. Das aber kann man nur gemeinsam erreichen. Schließt euch zusammen und kämpft gemeinsam für eine Schulentwicklungsplanung, in deren Mittelpunkt bessere Unterrichtsbedingungen für unserer Kinder stehen.

* Obwohl gleiches für die Zahl der Konzertbesucher gilt, wird dieses Argument in Sachen „Musikzentrum“ interessanter Weise nicht eingeführt (siehe auch: Für Kultur kann man nie genug ausgeben)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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