Kirchturmdenken war gestern

Kirchturmdenken war gestern | Foto: User Abbo, Wikpedia
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Dortmund hat ein Konzerthaus, Essen hat eines, Gelsenkirchen und Duisburg auch. Also brauchen wir in Bochum auch eins. Sagt der Rat unserer Stadt. Und die Bürger in Mühlheim, Castrop-Rauxel, Herne und Witten brauchen dann doch auch eins, oder? Dortmund hat einen Flughafen, Düsseldorf auch, benötigen wir in Bochum jetzt auch einen eigenen? Wie wäre es noch mit einem Dom? Den hat nur Köln und wir in Bochum haben noch keinen… .

Leider ist diese Art Kirchturmdenken in den Rathäusern des Ruhrgebietes immer noch dominierend. So kann es kommen, dass es im Ruhrgebiet nicht etwa nur einen Stadtwerkebetrieb fürs ganze Ruhrgebiet gibt, einen Entsorgungsbetrieb, ein Nahverkehrsunternehmen und einen gemeinsamen Kulturetat, aus dem die große Kultur für das ganze Ruhrgebiet finanziert wird. Nein, wir leisten uns im Ruhrgebiet gefühlte 23 Stadtwerke, 24 Entsorgungsunternehmen und 25 Nahverkehrsunternehmen und in der Kultur versucht auch fast jede Stadt das ganze Sortiment zu betreiben, Theater, Konzerthaus, Oper usw.. Völlig egal, wenn die Spielstätten nur zu 50% ausgelastet sind. Das Nahverkehrsnetz des Ruhrgebietes dagegen fällt für eine selbst ernannte Metropole beschämend dünn aus und der Betrieb eigener Ver- und Entsorgungsunternehmen kostet die Städte unnötige Millionen. Doch es tut sich seit Jahren in dieser Richtung so gut wie nichts. Die Politik hält trotz finanzieller Notlage eisern am Kirchturmdenken fest und bringt sogar munter neue Kirchturmprojekte auf den Weg (Stichwort „Musikzentrum“).

Menschen, die ins Ruhrgebiet ziehen wollen, sehen - anders als wohl die Politiker - die Region als Ganzes. Sie suchen im Ruhrgebiet gefällige und bezahlbare Wohnquartiere, die nicht zu weit von ihren Arbeitsorten entfernt liegen. Finden sie das in Bochum, ziehen sie dort hin, finden sie adäquates in Witten, dann verschlägt es sie dorthin. Sie interessiert das kulturelle Angebot des Ruhrgebiets als Ganzes. Welche konkreten kulturellen Angebote in der eigenen Wohnstadt bestehen, interessiert nur am Rande, wenn es die Angebote dafür in der Nachbarstadt gibt. Den Nutzen von stadteigenen Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen entzieht sich ihnen. Dass das Ruhrgebiet kein eigenes Nahverkehrsnetz besitzt, sondern nur aus einer Sammlung mehr recht als schlecht verbundener stadteigener Netze besteht, wird dagegen von neu Zugezogenen als typisches Problem des Ruhrgebietes wahrgenommen.

Wenn es die Kommunen des Ruhrgebietes mit dem Sparen tatsächlich ernst meinen würden, gäbe es in der „Metropole Ruhr“ nur ein Nahverkehrs-, ein Entsorgungs- und ein Versorgungsunternehmen. Doch dann würden viele Politiker die begehrten Aufsichtsratsposten in den örtlichen Beteiligungsunternehmen verlieren. OBin Ottilie Scholz bekleidet aktuell deren 27! Da ist sich so mancher Politiker wohl eher selbst der nächste und lehnt, wenn es drauf ankommt, eine Verschmelzungen mit den Unternehmen und Einrichtungen der Nachbarstädte lieber ab. Bei der OBin z.B. wären da rund 107.000 Euro jährliche Einkünfte in Gefahr.

Wenn wir Bürger des Ruhrgebietes sind, dann müssen wir auch als solche handeln und die Vorteile nutzen, die eine Metropolregion bietet. Die Handlungsmaxime in der Politik der Ruhrgebietsstädte muss sich also ändern (siehe auch: Gesucht, Mutige Politik im Ruhrgebiet):

1. Einrichtungen, die es im Ruhrgebiet bereits im ausreichenden Maße gibt, benötigt man nicht auch noch in seiner eigenen Stadt.

2. Institutionen, die es auch in anderen Städten gibt, für die aber im Ruhrgebiet eigentlich eine einzige Einrichtung ausreichen würde, sollten mit den Institutionen der Nachbarstädte intelligent verschmolzen werden.

Um in dieser Weise zu handeln, kann die Kommunalpolitik nicht warten bis das Ruhrgebiet eine eigene übergeordnete Verwaltung erhält. Auf diese zu warten, würde vermutlich weitere Jahrzehnte Stillstand bedeuten.

Es bedarf dringend eines Aktionsplans, damit die Stadt zunächst mit den Nachbarstädten klärt, welche Aufgaben gemeinsame Einrichtungen übernehmen können, welche Institutionen und Unternehmen intelligent verschmolzen werden können. Auf diese Weise lassen sich die kommunalen Haushalt um Millionen entlasten. Bei den Verhandlungen mit den Nachbarstädten sind Kirchturmdenken und lokale Eitelkeiten fehl am Platze, nur so werden sich die gewünschten Ergebnisse erzielen lassen.

Weiterhin muss vordringliches Ziel der Politik sein, die städtische Infrastruktur auf die Bedürfnisse des Ruhrgebietes anzupassen und muss Bochum immer wieder auf den Ausbau einer ruhrgebietsweiten Infrastruktur dringen, damit das Ruhrgebiet die Anforderungen einer echten Metropolregion erfüllen kann. Was bedeutet das im Einzelfall?

Beispiel Kultur: Das Ruhrgebiet möchte eine attraktive, vielfältige und qualitativ ansprechende Kulturlandschaft sein. Jede Stadt kann dazu seinen besonderen Beitrag leisten. Bochum leistet für das Ruhrgebiet mit dem Schauspielhaus bereits einen herausragenden Beitrag. Das macht wiederholende Angabe in anderen Städten überflüssig. Umgekehrtes gilt für Konzerthäuser. Das Angebot ist im Ruhrgebiet ausgereizt, für ein weiteres Angebot fehlt die Nachfrage. Die Stadt muss ihr Angebot am Bedarf des Ruhrgebietes ausrichten.

Beispiel Nahverkehr: Die Linien müssen nicht nur zentriert auf die Hauptbahnhöfe und Innenstädte ausgerichtet werden. Es fehlt an Verbindungen zwischen benachbarten Stadteilen angrenzender Städte. Auch ist vordringlich, dass die Städte des Ruhrgebietes (DUI, MH, E, WAT, BO, DO) endlich mit einer Schnellbahnline verbunden werden, die diese mindestens im 5 Minuten Takt verbindet. Das muss kein Metrorapid sein, eine typische schnelle Regionalbahn mit eigenem Gleiskörper reicht völlig aus. Es wird Zeit, dass sich die Stadt hier engagiert und Druck macht. Es reicht nicht abzuwarten bis Land oder Bund geruhen hier tätig zu werden. Gäbe es im Ruhrgebiet nur ein Nahverkehrsunternehmen, würde es gerade dieses Projekt als erstrangige Aufgabe ansehen. Die gefühlten 25 Nahverkehrsunternehmen des Reviers interessiert aber nur ihr eigenes städtisches Versorgungsgebiet, für Infrastrukturprojekte für das ganze Ruhrgebiet fühlen sie sich nicht zuständig. Bochum muss also auf eine intelligente Verschmelzung aller Nahverkehrsunternehmen im Revier dringen.

Bochum kann der Motor des Ruhrgebietes sein, Vorreiter bei der Vertretung der Interessen des Ruhrgebietes. Das bedeutet ein neues Rollenverständnis bei den Politikern der Stadt. Die Zukunft Bochums liegt im Ruhrgebiet. Nur wenn die Region sich als leistungsfähig und fortschrittlich erweist, wird sich das auch auf die Wahrnehmung der einzelnen Revierstädte niederschlagen. Diejenigen Städte, die als Vorreiter bei dieser Entwicklung wahrgenommen werden, werden besonders davon profitieren. Kirchturmdenken hingegen war gestern.

Volker Steude (Ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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