„Schulen sind größter Investitionsschwerpunkt“: Sommergespräch mit Stadtdirektor Michael Townsend

Ob es um die Schulgebäude geht, Kulturinstitutionen, die freie Szene oder sportliche Einrichtungen – Bochum nimmt Geld in die Hand. Dies verdeutlicht Michael Townsend, Dezernent für Kultur, Bildung und Wissenschaft, während eines Sommergesprächs, bei dem er sowohl einen Blick zurück auf Erreichtes, wie das Musikforum, wirft als auch auf anstehende Projekte, wie die Sanierung des Schulzentrums Gerthe, eingeht.

In den Vordergrund des Gesprächs stellt Townsend die an die 100 Schulen der Stadt und verweist darauf, dass sie „seit vielen Jahre der größte Investitionsschwerpunkt sind“. In den vergangenen sieben Jahren seien mehr als 250 Millionen Euro in die Schulen, zum Teil in Neubauten, aber auch in viele Sanierungsmaßnahmen geflossen. Das Geld dafür stamme sowohl aus Sonderprogrammen als auch aus dem städtischen Haushalt.
Auch für die Zukunft kalkuliert der Stadtdirektor damit, dass Bochum weitere Fördergelder erhält. Direkt vor Ferienbeginn hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das Investitionsprogramm „Gute Schule 2020“ zur Modernisierung von Schulen angekündigt. Von 2017 bis 2020 sollen den Städten dafür insgesamt zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. „Wir müssen warten, wie das Programm konkret aussieht“, erklärt Townsend, aber wenn man die Summe auf die Kommunen herunterrechne, lande man bei 30 bis 40 Millionen Euro für Bochum.
Diese Mittel aus diesem Programm würden neben den anderen Fördergeldern, die die Stadt erhalte, helfen. Hier nennt er die Bildungspauschale des Landes sowie die Konjunkturpakete. „Wir haben immer viel in die Schulen investiert, zum Beispiel in die Erich-Kästner-Schule, die Liselotte-Rauner-Schule, das Neues Gymnasium und die Hans-Böckler-Schule.“ Zudem würde die Stadt mit Hilfe der Mittel aus dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz etwa 17 Millionen Euro in die Schulsanierung stecken. Konkret bezieht er sich hier auf die Heinrich-Böll-, die Theodor-Körner-, die Graf-Engelbert- und die Willy-Brandt-Schule. Dabei betont Townsend, dass es aus seiner Sicht mehr Sinne mache, eine Schule komplett durchzusanieren, anstatt an vielen Schulen gleichzeitig jeweils nur ein bisschen zu renovieren.

Eigene Maßnahmen

Bei den eigenen, von der Stadt finanzierten Maßnahmen erwähnt er neben dem Toiletten- vor allem das Mensaprogramm. Hier stünden noch die Goethe- und die Annette-von-Droste-Hülshoff-Schule aus, „dann haben bis auf die Realschule Höntrop alle Schulen Mensen“. Die Realschule war nicht in das ursprüngliche Programm aufgenommen worden, „weil die Schulen damals in einer anderen Situation waren, sie hatten Leerstände. Das ist heute nicht mehr so“, erklärt Townsend.
Im vergangenen Jahr seien – nicht zuletzt wegen der Flüchtlinge – mehr als 1.000 Schüler integriert worden. Deshalb würden über das Winterhalbjahr 50 Klassenräume in Modulbauweise an bestehende Schulen angebaut. Trotz dieser Entwicklung steht der Dezernent aber dazu, dass in der Vergangenheit 19 marode Schulstandorte geschlossen worden seien. „Das war auch im Nachhinein richtig.“

Bedarfsgerechte Schulstruktur

Zur Schulstruktur sagt Townsend, dass diese bedarfsgerecht sein müsse. „Ziel ist es, dass der Elternwille nicht daran scheitert, dass bestimmte Schultypen nicht da sind.“ Bekanntlich gibt es seit Jahren einen Anmeldeüberhang bei den Gesamtschulen. Als Möglichkeit, eine weitere Gesamtschule in Bochum zu schaffen, sieht Townsend die Gemeinschaftsschule. „Sie läuft als Versuch aus. Da kann man eine Sekundar- oder eine Gesamtschule raus machen.“
Als großes Sanierungsprojekt der nächsten Jahre steht das Schulzentrum Gerthe an. Zurzeit beschäftigt man sich bei der Stadtverwaltung mit der Machbarkeit, wobei Townsend von einem Teilabriss und -neubau ausgeht. Er hofft, dass um den Jahreswechsel ein Beschluss gefasst werden wird. Dann würde im Jahr 2017 die Planung und anschließend etwa zweieinhalb Jahre Bauzeit folgen.
Für die NRW-Sportschule in Wattenscheid, dem Verbund aus Maria-Sibylla-Merian-Gesamtschule, Märkischer Schule, Hellweg-Schule sowie Pestalozzi-Realschule, sollen an der Märkischen Schule zugleich eine Dreifachturnhalle und eine Mensa entstehen. Townsend hofft, dass das Wettbewerbsverfahren Ende dieses Jahres laufen und die Auftragsvergabe Mitte 2017 erfolgen kann. „Die Fördermittel liegen bereit.“
Seit Herbst 2015 hat Michael Townsend auch den Sportbereich als Dezernent übernommen. Hier soll weiterhin Geld investiert werden, um die Kunstrasenplätze auszubauen. „Das ist sinnvoll, um zu einer ganzjährigen Nutzung zu kommen.“ Auch das Public-Private-Partnership-Modell könnte bei dem Ausbau eine Rolle spielen, und die Stadt würde Vereine dazu beraten. Als eine konkrete Maßnahme, wo ein Kunstrasenplatz entstehen soll, nennt Townsend die Anlage des TuS Harpen am Steffenhorst.

Bäderkonzept

Als großes Thema im sportlichen Bereich bezeichnet er außerdem das Bäderkonzept, an dem im Moment gearbeitet werde. Die bisherige Beschlusslage sieht im Rahmen des Haushaltssicherungsplans die Schließung des Hallenfreibads Höntrop und eines zweiten Bades bis 2022 vor. Nachdem in Höntrop die Übernahme durch einen privaten Träger gescheitert ist, müsse man weiter über Möglichkeiten nachdenken. „Tabus haben wir nicht.“ Ziel sei es, eine Lösung zu finden, um keines der Bäder ganz schließen zu müssen. „Ich weiß, dass ich mich damit weit aus dem Fenster lehne“, räumt der Dezernent ein und gesteht, dass er nicht wisse, ob es gelinge, das Ziel zu erreichen.
Was die städtischen Turnhallen angeht, von denen viele in den vergangenen Monaten als Unterkunft für Flüchtlinge dienten, seien dort zurzeit noch etwa 100 Menschen untergebracht. „Um den Monatswechsel werden wir alle freigezogen haben“, kündigt Townsend an. Dann sei die Bahn frei für die Deckensanierung, wobei er davon ausgeht, dass der Zeitplan der Zentralen Dienste gehalten werden kann.

Flüchtlinge: Freie Kapazitäten

Knapp 5.000 Flüchtlinge leben zurzeit in Bochum, mehr als 1.300 davon in Wohnungen. Zurzeit gibt es keine Zuweisungen, und der Stadtdirektor rechnet nicht damit, dass es noch einmal nötig sein wird, Turnhallen zu nutzen. Im Moment gibt es sogar Kapazitäten, weswegen die beschlossenen Unterkünfte In der Hei, Röhlinghauser Straße, Kolkmannskamp und Lewackerstraße erst einmal nicht gebaut, sondern nur als Reserveflächen erschlossen werden.
Eine kommunale Registrierungsstelle wird kurzfristig am Harpener Feld ausgebaut. Bei der Massenzuweisung Anfang des Jahres, als 150 Menschen pro Woche nach Bochum kamen, „ist das ein bisschen aus dem Ruder gelaufen“, so Townsend. Aktuell gleiche man die Daten der Flüchtlinge ab, und zukünftig werde jeder, der komme, „bei uns registriert“.
Bei Flüchtlingen, die nicht anerkannt werden, spricht sich Townsend klar für eine zeitnahe Abschiebung aus. „Wem die Anerkennung versagt wird und dann länger bleibt, der rutscht automatisch in Hartz IV, und das geht zu Lasten der Kommunen“, begründet er seine Haltung.
Doch nicht nur die Flüchtlingssituation bewegt die Stadt nach wir vor, auch beim Kulturbereich spricht Townsend von einem „sehr bewegten Halbjahr“ und meint damit vor allem die neue Intendanz für das Schauspielhaus, die ein „langer und diskutierter Prozess“ gewesen sei. „Wir haben uns Zeit genommen, aber das hat sich gelohnt“, sagt Townsend über die Entscheidung für Johan Simons.

Finanzielle Sicherung fürs Schauspielhaus

Dieser werde 2018 ein Haus übernehmen, für das es eine finanzielle Sicherung gebe. „Das Theater steht auf absolut gesunden wirtschaftlichen Füßen.“ Dies habe der jetzige Intendant, Anselm Weber, mit einem rigorosen Sparkurs, seiner erfolgreichen Arbeit und den Rekordbesucherzahlen geschafft.
Simons habe langfristige Planungssicherheit für „das kulturelle Flaggschiff der Stadt“, so Townsend, denn die Stadtverwaltung wird außerdem bis zum Ende seiner Intendanz bis zu zwei Prozent der Tarifsteigerung tragen. Dies gebe es kaum in einem anderen Haus, betont der Dezernent. Des Weiteren werden in dieser und in den kommenden beiden Sommerpausen bis zum Antritt von Simons Sanierungsstaus abgearbeitet, die zum Beispiel die Bühnentechnik betreffen. Dazu soll die Interimsspielzeit von Olaf Kröck im Großen Haus etwas verkürzt werden. Townsend schätzt die geplante Investitionssumme auf „sicherlich fünf Millionen Euro“.
Auch die freie Szene sieht er gut aufgestellt. „Ihre finanzielle Situation hat sich stabilisiert.“ Zum einen sei es der Stadt gelungen, zweimal die Fördersätze zu erhöhen: um drei und um fünf Prozent. Zum anderen habe man auch bei der freien Szene Planungssicherheit geschaffen, indem man nun erstmals mehrjährige Bewilligungsbescheide über die Förderung ausstelle. „Ende 2015 haben wir Bescheide bis Ende 2017 rausgeschickt, und Ende 2016 verlängern wir Bescheide bis Ende 2018“, verdeutlicht Townsend. Dies wüssten die Aktiven der freien Szene zu schätzen, ist er sich sicher und erzählt von Einrichtungen aus den Nachbarstädten, die gern nach Bochum umziehen würden.

Stolz auf Musikforum

Besonders stolz ist der Stadtdirektor auf die Eröffnung des Musikforums im Herbst – „sicher das komplizierteste Projekt, das ich meinem Berufsleben steuern durfte“. Dafür habe er viel Prügel eingesteckt, mittlerweile aber auch viele Glückwünsche bekommen. „Damit haben wir alle Kulturhauptstadtprojekte umgesetzt. Das hat keine andere Stadt geschafft.“
Das Musikforum und andere Projekte in der Umgebung, wie der Platz des Europäischen Versprechens, hätten außerdem dazu beitragen, dass sich das SAE Institute am Springerplatz niedergelassen habe. „Ohne die Kulturmeile wäre es nie zu der Ansiedlung gekommen.“ Nichtsdestotrotz wehrt sich Townsend ein wenig gegen den viel verwendeten Begriff „weicher Standortfaktor“ im Bezug auf Kultur. „Es geht um Kunst, um das Geistesleben einer Stadt“, betont er. Aus seiner Sicht sei Kultur erst an zweiter Stelle auch ein Standortfaktor.

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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