Schulstory

Das Zirkuskind oder wie wir uns alle zum Affen machten

1959 zu beginn unseres Zweiten Schuljahres hieß es das erste Heft in den Händen zu halten.
Bisher waren Schiefertafel Schwamm und Griffel unser Werkzeug. Mit Bleistift und Anspitzer folgte nun eine neue Ära. Fort mit dem hölzernen Griffelkasten das Etui zog ein. Es dauerte noch eine ganze Weile bis Füllfederhalter und Tintenfass vor mir standen um von der Tintenpatrone abgelöst zu werden. Klingt wie Pionierarbeit und so war es auch. Das ohrenbetäubende Geräusch wenn die Kreide über die Schultafel des Lehrers ging kennt meine Generation sicher noch. Na...
und wer beim Schwätzen oder Schabernack erwischt wurde - bekam zum Dank nach der letzten Stunde die Verlängerung. Hin und wieder half ich auch aus. Also nun aber zurück zum Thema.
Die neuen Schulhefte gab es kariert und liniert oft waren die Schutzhüllen noch Marke Eigenbau. Das eine oder andere Eselsohr am Heft weil ich Brösel wieder die Schutzhülle separat im Ranzen trug-war unumgänglich. Diktate die immer eingesammelt und wieder ausgeteilt wurden und oft mit unangenehmer Benotung oder Kommentar versehen an uns ausgeliefert wurden waren mir ein Greul. Nur mein Aufsatzheft das liebte ich heiß und innig- denn hier erlebte ich meine Abenteuer machte unglaubliche Reisen ins Land der Fantasie. Damals schwor ich mir all das zu erleben.

Anmerkung:
Ich habe es tatsächlich geschafft:

 Meine schönste Geschichte aber beginnt genau hier-gerade jetzt.
Es klopfte an der Schultür. Rums auf...herein spazierte ein kleines Mädchen. Eigentlich spazierte sie nicht sondern tänzelte sie ins Klassenzimmer. Sie sah aus wie aus einem Märchenbuch entsprungen farbenfrohe Kleidung Haselnussfarbenes langes Haar und beinahe schwarze Augen.

Eine Ausstrahlung wie ich sie Zeit meines Lebens nie wieder gesehen habe. Loredana so stellte sie sich die kleine Schönheit vor - die nun für sieben Tage neben mir die Schulbank drücken sollte. Der Zirkus gastierte in unseren kleinen Vorort und die Kleine war ein Zirkuskind. Wir hatten beinahe den gleichen Heimweg - und  freundeten wir uns an. So erfuhr ich dass sie unter den ständigen Schulwechsel sehr litt- ich tröstete sie mit einer Kugel Eis von meinem Taschengeld. Sie erzählte mir dass sie sich stets auf die Winterpause freue denn dann blieben die Zirkusleute stets an einem Ort und ich sah die Tränen in ihren Augen. Für mich begann allerdings eine aufregende Zeit denn immer wenn ich meine Schulaufgaben gemacht hatte zog es mich wie magisch zu den kleinen Platz mit dem Zelt. Hier lernte ich Rudi den Clown kennen, durfte den Elefanten halten und mit Bällen jonglieren. Das war so etwas von verrückt das die ganze Schulklasse gespannt zu hörte wenn ich meine Erlebnisse erzählte.

Dann passierte etwas besonderes...wir Kinder erhielten Freikarten und jubelten vor Freude. Aufgeregt fieberten wir dem Tag entgegen. Toll diese kleine Veranstaltung nur die Schimpansen Dame Gitta machte Probleme-sie raste wie verrückt durch unsere Sitzreihen. Wir sprangen alle wie wild auseinander - glaubten wir müssten uns in Sicherheit bringen - die Aufregung war Grenzenlos- aber alles nur Show. Wir hatten uns zum Affen gemacht und saßen mit roten Bäckchen in der Vorstellung. Am anderen Tag gab es viel zu erzählen und so beschloss unser Lehrer einen Aufsatz über diesen Tag zu schreiben. Die drei Besten sollten in der Aula vortragen werden. Ich belegte Platz Zwei und durfte meine Geschichte zum Besten geben - was für ein Tag. Loredana war da schon längst weiter gezogen-aber sicher hätte sie sich gefreut wenn sie meine -eigentlich ihre Geschichte gehört hätte. Nie wieder habe ich etwas von Loredana den Zirkuskind gehört - vergessen habe ich sie nie.
Vieleicht liest sie ja diese Geschichte oder denkt auch ab und zu an mich-das wäre schön.