Hochstätter im Exklusiv-Interview: „Mein Anspruch ist es, mit dem VfL Bochum aufzusteigen!“

Sportvorstand Christian Hochstätter lässt im Interview keinen Zweifel: "Mein Anspruch ist es, mit dem VfL Bochum aufzusteigen." Foto: Molatta
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Mit dem Spiel gegen Borussia Dortmund feiert der VfL Bochum am Samstag (22.7., 18 Uhr) nicht nur seine Saisoneröffnung, sondern auch die Generalprobe vor dem Start in die neue Zweitliga-Saison. Im Vorfeld steht Sportvorstand Christian Hochstätter dem Stadtspiegel im großen, zweiteiligen Exklusiv-Interview Rede und Antwort und spricht im ersten Teil über Aufstiegsziele und Konkurrenz, Selbstbewusstsein und Neuzugänge.

Christian Hochstätter, am Samstag kommt der BVB ins Vonovia Ruhrstadion. Ist diese Partie für Sie ein weiteres Testspiel, eine echte Standortbestimmung oder auch ein stückweit Motivation für Spieler und Fans, um zu zeigen: Das ist 1. Liga, da wollen wir wieder hin?
Ich glaube nicht, dass wir unseren Spielern zeigen müssen, was die Bundesliga ist. Aber für uns ist es ein ganz wichtiger Test vor dem Saisonstart gegen St. Pauli, auch wenn die Dortmunder zwei Wochen hinter uns sind, was die Vorbereitung betrifft. Wir wollen sehen, wie gewisse Dinge funktionieren mit einem anderen Tempo und auf einem anderen Niveau. Wie reagiert die Mannschaft gegen einen solchen Gegner? Ich möchte den Mannschaften, gegen die wir bisher gespielt haben, nicht zu nahe treten. Aber es ist schon ein Unterschied, ob ich gegen Dortmund spiele oder gegen Jena oder Querenburg. Wir haben es bewusst so geplant, dass wir zum Ende der Vorbereitung gegen einen Bundesligisten testen. Zudem ist es so ein sehr würdiger Rahmen für unsere Saisoneröffnung. Aber selbst wenn wir dieses Spiel gewinnen, werden wir nicht der Top-Favorit auf den Aufstieg sein. Und wenn wir verlieren, werden wir auch nicht Top-Favorit für den Abstieg sein.

Vor zwei Jahren gab es in diesem Aufeinandertreffen einen 2:1-Sieg, der VfL wurde in der Saison Fünfter. Ein Sieg wäre also nicht das schlechteste Omen…
Ich glaube an solche Dinge nicht. Aber da gibt es natürlich auch andere Meinungen. Ich habe in Bochum ja auch mal mit einem Trainer zusammen gearbeitet, der auf der Pressekonferenz vor einer Partie nur dann das Gleiche gegessen hat, wenn er das Spiel zuvor gewonnen hat. Oder angeblich immer eine neue Uhr gekauft hat, wenn er ein Spiel verloren hat. (lacht) Da müsste er in seiner Karriere eigentlich mehr Uhren gesammelt haben als jeder Juwelier in Deutschland.

Haben Sie Sorgen, dass den Dortmundern nach ihrer Asienreise vielleicht noch etwas Müdigkeit in den Knochen stecken könnte?
Sie sind am Mittwoch zurückgekehrt, haben also noch etwas Zeit. Und selbst wenn sie nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte sein sollte, haben sie immer noch eine super Mannschaft. Sie werden nicht nach Bochum kommen, um erneut zu verlieren. Für die Dortmunder ist es auch ein guter Test mit kurzer Anfahrt. Wir werden qualitativ auf eine sehr gute Mannschaft treffen, da bin ich mir sicher.

"Um aufzusteigen, brauchst du auch Glück"

Sie haben betont, dass der VfL auch bei einem Sieg über den BVB nicht zum Aufstiegsfavoriten wird. Das Saisonziel Aufstieg darf man aber so offen und direkt formulieren?
Genau das haben wir ja auch getan. Jeder Fußballer müsste doch eigentlich mit dem Vorsatz antreten, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Ich kann doch nicht in eine Saison gehen mit dem Ziel, nach einem neunten Platz in der Vorsaison jetzt Platz acht anzustreben. Mein Anspruch ist es, mit dem VfL Bochum aufzusteigen. Ob wir das schaffen, wird die Zeit zeigen. Wir haben in der vergangenen Saison gesehen, was passieren kann, wenn über sieben Monate gleich fünf Leistungsträger ausfallen. Darauf habe ich keinen Einfluss. Aber wenn diese Mannschaft gesund bleibt und wir unser Spiel spielen, spielen wir definitiv oben mit. Um aufzusteigen, brauchst du dann auch das Quäntchen Glück. Aber von der Qualität her sind wir in der Lage, ganz oben mitzuspielen. Und das muss unser Anspruch sein.

Wie groß bewerten Sie den Zwang für den VfL Bochum, endlich wieder den Aufstieg zu schaffen?
Wir haben keinen Zwang. Natürlich sehen wir auch die Entwicklung, gerade bei den Fernsehgeldern. Das ist einer der Gründe, warum wir zurzeit dabei sind, unsere Struktur zu verändern. Je schneller es geht, unter die ersten 22 Mannschaften in Deutschland zu kommen, umso wahrscheinlicher ist es, dass der VfL Bochum auch in den nächsten zehn, 15 Jahren oben mitspielen kann, im Sinne der 1. und 2. Bundesliga. Je länger wir in der 2. Bundesliga bleiben und nicht aufsteigen, desto größer ist hingegen die Wahrscheinlichkeit, eines Tages in der 3. statt in der 1. Liga zu spielen. Das muss man ganz klar sagen, so sind die Voraussetzungen. Der aktuelle Fernsehvertrag hat der 2. Liga sicher nicht geholfen.

Im Vorjahr galten die Absteiger Stuttgart und Hannover von Beginn an als Top-Favoriten auf den Aufstieg. Ist die 2. Liga in diesem Jahr ausgeglichener?
Für viele fühlt es sich so an, dass dieses Mal mit Darmstadt und Ingolstadt zwei Vereine abgestiegen sind, die nicht automatisch Top-Favoriten auf den Wiederaufstieg sind wie es Stuttgart und Hannover waren. Aber Ingolstadt verfügt zum Beispiel über viel Geld und geht mit einem deutlich höheren Etat in die Saison als wir. Ihr großer Vorteil ist zudem, dass die Erwartungshaltung in Ingolstadt selbst, aber auch in Deutschland nicht so hoch ist, wie sie es in Stuttgart oder Hannover war. Diesen Druck haben weder Ingolstadt noch Darmstadt – und das macht sie gefährlicher, als wir es alle glauben. Sie können relativ unbelastet aufspielen. Das macht es für alle anderen, die oben mitspielen wollen, deutlich komplizierter.

Welche Klubs haben Sie zudem noch auf dem Schirm in Sachen Aufstiegskampf?
Braunschweig zähle ich wieder dazu, auch Union Berlin. Wenn man sieht, wieviel Geld Union in diesem Sommer in die Hand genommen hat und welche Spieler sie verpflichtet haben – sie wollen unbedingt hoch in die 1. Liga, vielleicht müssen sie es sogar. Und es wird immer eine Mannschaft geben, die für eine Überraschung sorgt und mit der man vorher nicht gerechnet hat.

"Wir haben vier schwere Jahre hinter uns"

Hans-Peter Briegel traut sogar dem 1. FC Kaiserslautern den Aufstieg zu…
Briegel ist ein erfolgreicher Fußballer gewesen und er weiß, wie Erfolg geht. Er weiß auch, dass man sich Ziele stecken muss, die andere vielleicht für einen Tick zu hoch halten. Aber nur das, was du dir als Ziel vornimmst, kannst du auch erreichen. Ich muss es nur wollen. Und mal ganz ehrlich: Ein Traditionsverein wie Kaiserslautern, mit dem Stadion und dem Umfeld, muss doch den Anspruch haben, in der 2. Liga oben mitzuspielen. Das ist ähnlich wie in Bochum. Ich bin jetzt seit vier Jahren hier, wir haben auch vier schwere Jahre hinter uns. Wir hatten mit sieben Millionen als Traditionsverein einen Etat vergleichbar etwa mit Sandhausen. Die machen damit übrigens einen richtig guten Job. Und es zeigt sich, dass bei Klubs wie Sandhausen oder auch in der Bundesliga in Freiburg die Jungs frei aufspielen und auch mal ein schlechtes Spiel machen können. Da ist der Druck nicht so hoch, da wirst du nicht gleich in der Öffentlichkeit zerrissen. Und dann funktioniert es auch. Wir müssen auch dahin kommen, dass wir uns nur auf uns selbst fokussieren und auf das, was wir wollen. Und unser Ziel ist es, oben dabei zu sein.

Sie gehen die Saison sehr selbstbewusst an. Hat beim VfL jeder dieses Selbstbewusstsein verinnerlicht, das es aus Ihrer Sicht braucht?
Entscheidend ist es, dass die Leute, die diesen Verein führen, auch das nötige Selbstvertrauen ausstrahlen – ob Vorstand oder Trainer. Tun sie es nicht, werden sich auch die Mitarbeiter und die Spieler nicht daran orientieren.

Lassen Sie uns einen Blick auf die Mannschaft werfen. Vor einem Jahr mussten Sie einen personellen Umbruch des Kaders mit vielen Abgängen gestalten. Dieses Mal konnten die die Mannschaft weitgehend halten und gezielt ergänzen. Die Arbeit in diesem Sommer dürfte Ihnen da deutlich mehr Spaß gemacht haben?
Wir mussten vor einem Jahr auch die wirtschaftliche Komponente berücksichtigen. Das gestaltet sich inzwischen deutlich entspannter. Es war immer mein Ziel, den Kader zusammen zu halten. Spielt eine Mannschaft über zwei, drei Jahre zusammen, kommen erst die Automatismen und dann auch der Erfolg. Entsprechend war es wichtig für uns, jetzt den Großteil zu halten und mit drei Neuzugängen die Defizite, die wir auch verletzungsbedingt hatten, auszugleichen. Im Sturm mussten wir etwas machen, zumal uns Nils Quaschner verlassen hat. Zur Verpflichtung eines Linksverteidigers zwang uns die Verletzung von Timo Perthel und Nico Rieble. Wir haben jetzt eine Mannschaft, die insgesamt sehr ausgewogen ist und in verschiedenen Systemen spielen kann.

"Uns hat die Qualität in der Offensive gefehlt"

War die Verpflichtung von gleich zwei ambitionierten Stürmern auch das Eingeständnis, dass es in der letzten Saison vor allem offensiv nicht gereicht hat?
Es kam ja auch schon die Frage auf, ob wir wieder die Meister der Unentschieden werden wollen. Das wollen wir definitiv nicht. In der Vorsaison hat uns manches Mal am Ende die individuelle Qualität in der Offensive gefehlt, um Spiele eben nicht unentschieden zu gestalten, sondern zu gewinnen. Man muss zugeben, dass wir insgesamt im Sturm nicht die Qualität hatten, die wir uns vorgestellt haben. Deswegen haben wir uns entschieden, etwas zu machen.

Wie zufrieden sind Sie bisher mit Dimitrios Diamantakos und Lukas Hinterseer, aber auch mit Danilo Soares?
Sie haben sich gut eingefügt, wobei Lukas sich leider am Knie verletzt hat und sich noch nicht richtig präsentieren konnte. Dimi hat zum Beispiel beim Test in Erfurt sehr gut mit Johannes Wurtz harmoniert. Man konnte auch schon sehen, dass gerade Danilo Soares eine Bereicherung für uns werden kann – fußballerisch, aber auch von seiner Aggressivität her.

Der Mannschaft hat in der vergangenen Saison oft die Konstanz gefehlt, auch innerhalb einer Partie. Einer schlechten Halbzeit folgten doch noch gute 45 Minuten. Probleme mit der Einstellung haben sowohl Spieler als auch Verantwortliche verneint. Sind die Profis trotzdem in der neuen Saison in einer gewissen Bringschuld, ihre Top-Einstellung auch zu beweisen?
Ich bleibe dabei: Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Spieler auf den Platz geht und nicht gewinnen will. An der Einstellung kann es aus meiner Sicht nicht gelegen haben. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, wie ich mich fokussiere und wie ich meine Prioritäten setze. Wir hatten Spiele, in denen wir vorher der Meinung waren, wir sind sowieso die bessere Mannschaft. Und haben dann in der Halbzeit gemerkt, dass es so nicht geht. Aber im Großen und Ganzen war und ist diese Mannschaft charakterlich absolut integer und gut. Darauf werde ich auch nichts kommen lassen.

In Teil 2 des großen Interviews lesen Sie ab Mittwoch: Hochstätter über die Rückkehr auf die große Fußballbühne, Härtefälle und Konkurrenzkampf und den Trainerwechsel von Verbeek zu Atalan: „Die Spieler sind jetzt befreiter!“

Autor:

Dietmar Nolte aus Dortmund-West

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