Da schämt man sich doch deutsche/r zu sein!

In einer kleinen Autowerkstatt an der Herner Straße in Castrop-Rauxel habe ich syrische Flüchtlinge kennengelernt, die dort ein Praktikum zur Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse und beruflichen Chancen absolvierten. Ich war anfangs offengestanden überrascht, über den sehr hohen Bildungsstand der Flüchtlinge und das diese Menschen mit Hochschulabschlüssen sich nicht zu schade waren, bei wirklich schmutzigsten Arbeiten mit Hand anzulegen, dabei immer noch absolut gut gelaunt, hochmotiviert und stets freundlich waren.

Zugegeben diese Praktikanten hatten es vielleicht etwas leichter, weil der Chef dieser Werkstatt neben deutsch auch englisch und vor allem fließend arabisch spricht. So konnten alle Fragen der Praktikanten sozusagen multilingual geklärt werden.

Auch die übrigen Mitarbeiter in dieser Werkstatt gingen das Projekt „syrischen Flüchtlingen binnen kürzester Zeit ein Höchstmaß deutscher Vokabeln und die Handhabung von Autoreparaturwerkzeug einzupauken“ hochmotiviert – und vor allem völlig vorurteilsfrei an.

Aus diesen Praktika haben sich sogar über diesen Zeitraum hinausgehende Freundschaften entwickelt und ich – als Freund des Werkstattinhabers - habe versucht mich ebenfalls hilfreich einzubringen, indem ich Ihnen bei Behördengängen und dem Behördenschriftverkehr ein wenig Unterstützung zukommen ließ.

Ich empfand diese eigentlich selbstverständliche Unterstützung als nichts besonderes und war über die tiefe Dankbarkeit der Syrer für geringste Hilfen, wiederum sehr überrascht. Außerdem durfte ich mittlerweile erfahren, dass der Zusammenhalt unter diesen Menschen, die um ihr Leben gelaufen sind und in Syrien alles – Besitz, Verwandte, Freunde, einen Job, ein gesichertes Studium, oder soziale Bindungen überhaupt - zurücklassen mussten, um in eine völlig fremde Welt und zu Menschen zu fliehen, von denen sie sich eigentlich erst mal nichts, als die nackte Hilfe zum Überleben und Schutz vor Bomben und Granaten erhofften, wirklich gut ist.

Hier angekommen, wurden sie erst einmal wie Verbrecher erkennungsdienstlich behandelt - weil unter den vielen Tausenden ja ein einzelner Terrorist/IS-Kämpfer hätte sein können – registriert, teilweise ihrer letzten noch verbliebenen Wertsachen und Habe entledigt und unter teilweise absolut menschenunwürdigen Bedingungen in Zelten, Turnhallen oder Häusern untergebracht, in die kein Deutscher/Europäer je freiwillig eingezogen wäre. Diese Menschen waren einfach nur froh, den Krieg in der Heimat und mitunter erschreckende Vorkommnisse auf der Flucht – sowie die Flucht selbst - überlebt zu haben.

Und ja, tatsächlich geht es den meisten Flüchtlingen hier besser als in vielen anderen europäischen Ländern, aber gemessen am deutschen Mindeststandard und an Ihrem gewohnten Umfeld sicher nicht annähernd gut. Denn die Meisten der Flüchtlinge haben nicht auf Dörfern ohne jegliche Infrastruktur gelebt, haben in ihrer Heimat häufig deutsche Autos gefahren sowie Produkte „Made in Germany“ gekauft und benutzt; und damit in der Vergangenheit nicht unerheblich zum deutschen Wohlstand beigetragen.

Hier angekommen stießen sie dann – neben der sicherlich auch bei vielen Deutschen vorhandenen „Refugees welcome-Kultur“ - auf ein großes Maß an „völlig unverständlicher“ Ablehnung und Ausgrenzung. Und die in Deutschland immer wieder verbreiteten Scheißhaus-Parolen, von der angeblichen Besserstellung und Bevorzugung von Flüchtlingen - gegenüber einheimsichen Hilfesuchenden – sind eben nur …-Parolen.

Wenn man bedenkt, dass die Quadratmeterzahl für den Auslauf eines in Deutschland gehaltenen Hundes akribisch gesetzlich geregelt ist
http://www.guenstige-hundezwinger.com/zwinger_abc.php
und einem deutschen Hund geregelte m² zustehen – nämlich

Widerristhöhe (in cm) / Bodenfläche (mindestens Quadratmeter)
bis 50 / 6
über 50 bis 65 / 8
über 65 / 10

- werden junge Frauen und Männer verschiedener Nationalitäten – und vor allem auch unterschiedlicher Hygienegewohnheiten - in den deutschen Flüchtlingsunterkünften, mit teilweise vier Erwachsenen in Räumen unter 10m² und damit nicht nur schlimmer als Hunde, sondern eher wie Vieh auf dem Weg zum Schlachthof gehalten; nur das es bei Vieh auf dem Weg zum Schlachthof einen ebenfalls gesetzlich vorgeschriebenen Zeitrahmen gibt, innerhalb dessen der Zustand beendet sein muss, während diese Flüchtlinge den Zustand oft über weit mehr als ein Jahr ertragen müssen.

Die Menschen in Flüchtlingsunterkünften ertragen diesen Zustand dankbar überlebt zu haben - und die zuteilgewordene Hilfe würdigend - überwiegend klaglos.

Wenn man dann noch bedenkt, dass wir mit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten im Jahre 1990 rd. 18 Millionen – reine Wirtschaftsflüchtlinge – in unseren Sozialstaat integriert haben - denn dort hatte niemand Krieg, Hunger und/oder Tod zu fürchten – erscheinen mir die mittlerweile rd. zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien – die zudem häufig über einen wesentlich höheren Bildungsstand und einen wesentlich besseren sozialen Zusammenhalt verfügen – als verkraft- und vor Allem vertretbar.

Wenn man weiterhin bedenkt, das diese Flüchtlinge das hier erhaltene Geld auch noch vollständig hier ausgeben (müssen) und damit unsere Wirtschaft – und mit der auf die erworbenen Produkte gezahlten Mehrwertsteuer - auch wieder ankurbeln (und nicht zum Einkaufen mal eben über die polnische Grenze huschen). Während eben diese Menschen bis 1990 nicht in die deutschen Sozialkassen eingezahlt haben, diese aber schon heute in erheblichem Umfang nutzen, nun aber am lautesten Schreien „genug Flüchtlinge in Deutschland“ und nun mit diesen ...-Parolen in der Bundestagswahl 2017 voraussichtlich auch noch den deutschen Bundestag stürmen werden, schäme ich mich einfach nur noch Deutscher zu sein.

Um das mit ein wenig urdeutscher Kultur zu verdeutlichen, möchte ich hier einfach mal einen von Heinrich Heine überlieferten Satz - mit natürlich nicht auf die derzeitige Situation gemünzten, aber dennoch auch hier gut passenden „Nachtgedanken“ – zitieren, „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht ...“.

Als mich nun ein syrischer Flüchtling bat, ihm bei der Wohnraumsuche behilflich zu sein und die hierfür notwendigen Telefonate für ihn zu führen, weil seine Deutschkenntnisse hierfür gefühlt noch nicht ausreichten; und das nachdem er weit über ein Jahr klaglos in einer Flüchtlingsunterkunft ausgehalten und nun endlich seinen vorerst auf ein Jahr befristeten „subsidiären Schutzstatus“ erhalten hatte, traf mich die offenbar tiefsitzende Ablehnung, der Hass auf syrische und Flüchtlinge überhaupt und die unverholene Diskriminierung dieser Flüchtlinge durch deutsche Landsleute, wie ein Keulenschlag.

Offenbar leben viele Deutsche hier unter dem Schutz eines Grundgesetzes, um es ausschließlich für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Dabei regelt der Artikel 3 des Grundgesetzes eben nicht nur das Zusammenleben der Deutschen untereinander, sondern das Zusammenleben aller Menschen auf deutschem Boden; und damit auch das Zusammenleben mit syrischen und sonstigen Flüchtlingen.

Insbesondere der Absatz 3 des Artikel 3

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

scheint vielen Deutschen völlig unbekannt und unbedeutend.

Während private Wohnungsanbieter bei Anruf eines deutschsprechenden Anrufers zunächst ausgesprochen freundlich reagierten, konnte ich die sich versteinernden Minen - bei der Nennung des Grundes meines Anrufes - regelrecht bildlich vor mir sehen. Mit dem was ich dann an unverhohlener Ablehnung, Verachtung und Diskriminierung zu hören bekam, hatte ich offengestanden nicht gerechnet.

Zwei von drei Angerufenen erklärten völlig unverholen, auf keinen Fall „Ausländer“ - und schon gar keine Flüchtlinge - in ihre Wohnungen einziehen lassen zu wollen. Der Dritte angerufene hatte zumindest den Anstand zu behaupten, die Wohnung sei eigentlich schon vergeben und er notiere sich aber dennoch meine Rufnummer, falls sich - „...wider Erwarten“ - dennoch beide Bewerber umentscheiden sollten.

Lediglich eine Wohnungsgesellschaft ist derzeit noch bereit Flüchtlinge – allerdings nur in ansonsten offenbar unvermittelbare Wohungen – einziehen zu lassen. Mit vordergründigem Hinweis eine Konzentration einer Volksgruppe in einem Objekt bzw. Ortsteil/Bezirk zu vermeiden, können Flüchtlinge bei dieser Gesellschaft nicht mehr unter den im Internet frei angebotenen Wohnungen aussuchen, sondern müssen sich mit den von den „Objektbetreuern vorgeschlagenen Wohnungen“ des Bestandes zufrieden geben - bei denen die Neben- oder Heizkosten teilweise exorbitant hoch angesetzt sind - ; und sich tatsächlich glücklich schätzen, überhaupt eine Wohnung in Aussicht gestellt zu bekommen.

Andere Wohnungsgesellschaften blocken „weitere“ Flüchtlinge direkt und völlig unverhohlen ab; selbst diese Gesellschaften scheinen sich des grundgesetzlich verankerten Diskriminierungsverbotes nicht bewusst zu sein.

Aktuell möchte ich noch einer 72 jährigen – bis zur Flucht in Syrien lebenden Palästinenserin helfen eine kleine Wohnung zu finden, die ihr ganzes Leben in Syrien gelebt hat und mit ihrem nunmehr zehnjährigen Enkel aus Syrien geflohen ist; um ihren Enkel vor dem Zugriff des IS und des syrischen Staates zu schützen.

Ich denke wer in diesem hohen Alter eine Flucht in ein so weit entferntes Land und unter solch schwierigen und lebensbedrohlichen Bedingungen in Kauf nimmt, um „in erster Linie“ das Leben eines Enkelkindes zu retten, hat nicht nur Respekt und Hochachtung, sondern auch unsere Hilfe und Unterstützung verdient!

Autor:

Manfred A. Roßfeldt aus Castrop-Rauxel

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