„Coffee to go ist nichts für mich“: Erinnerungen an das Café Vogelsang

Hanni Hentrich (vordere Reihe, Mitte) im Kreise ihrer ehemaligen Mitarbeiter. 25 Jahre nach der Schließung des Cafés Vogelsang traf man sich wieder. Foto: Thiele
  • Hanni Hentrich (vordere Reihe, Mitte) im Kreise ihrer ehemaligen Mitarbeiter. 25 Jahre nach der Schließung des Cafés Vogelsang traf man sich wieder. Foto: Thiele
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„Helmut Schmidt durfte bei uns noch rauchen“, lacht Hanni Hentrich. Und auch an den Besuch des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers, Josef Klaus, dem ihr Mann versehentlich eine Sektdusche verpasste, erinnert sie sich noch deutlich. 29 Jahre lang führte das Ehepaar gemeinsam das Café Vogelsang am Castroper Altstadtmarkt. Nun – 25 Jahre nach der Schließung – trafen sich die ehemaligen Mitarbeiter wieder, um Erinnerungen auszutauschen.

„Coffee to go? Das ist nichts für mich“, bemerkt Hanni Hentrich. Damals, als es das Café Vogelsang noch gab, sei alles ganz anders gewesen. „Früher war es etwas Besonderes, ins Café zu gehen, und man nahm sich Zeit“, erinnert sich die 82-Jährige. „Heute muss ja alles immer ganz schnell gehen, und die Leute rennen nur noch rein und wieder raus.“
Gegründet wurde das Café in den 1930er Jahren von Wilhelm Vogelsang, erzählt Hentrich. Ihr Mann Heinz sei bei ihm in die Lehre gegangen und habe später in Dortmund seine Meisterprüfung als Konditor abgelegt. Nachdem Vogelsang nicht aus dem Krieg zurückgekehrt war, wurde das Café zunächst von dessen Frau geführt und später, im Jahr 1959, von Heinz Hentrich übernommen.
Ein bisschen alt und sehr gemütlich sei es dort gewesen, erinnert sich Hanni Hentrich. Außerdem habe man damals alles selbst gemacht, vom Kuchen über Torten und Gebäck bis hin zu Pralinen.
„Das Beste aber war die zentrale Lage. Wir hatten vier Fenster direkt zum Markt hin. Das waren die begehrtesten Plätze, um die immer gekämpft wurde“, lacht sie. Das Café sei damals ein beliebter Treffpunkt gewesen. Man habe zahlreiche Stammkunden gehabt, die Hanni Hentrich zum Teil heute noch grüßen, wenn man sich zufällig in der Stadt trifft. Aber auch einige Prominente besuchten das Café Vogelsang, insbesondere Politiker, die auf Einladung der lokalen Parteien nach Castrop-Rauxel gekommen waren. „Helmut Schmidt war mal da“, erzählt Hentrich. Damals sei er noch sehr jung gewesen und habe den örtlichen SPD-Stadtverband besucht. Aber auch Hans-Dietrich Genscher, Gerhard Stoltenberg oder der ehemalige NRW-Ministerpräsident, Heinz Kühn, waren Gäste im Café Vogelsang. An die meisten Besuche könne sie sich nur noch vage erinnern. Die Politiker seien Gäste wie jeder andere auch gewesen.
Etwas deutlicher hat die 82-Jährige den Besuch des ehemaligen österreichen Bundeskanzlers, Josef Klaus, vor Augen, der im Jahr 1974 nach Castrop-Rauxel gekommen war. Ihr Mann habe eine Sektflasche öffnen wollen, die offenbar vorher geschüttelt worden war. „Klaus musste sich umziehen“, lacht Hentrich.
Auch wenn sich die Zeiten inzwischen geändert haben, ein Café, würde sie jederzeit wieder aufmachen, ist Hentrich überzeugt. Ursprünglich habe ihr Sohn das Café übernehmen wollen. Doch der Nachbesitzer des Gebäudes habe die Miete derart erhöht, dass man nicht mehr mithalten konnte. Und so war in den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester des Jahres 1988 Schluss mit dem Traditionscafé. „Das hat damals viele Tränen gekostet“, erinnert sich Hentrich. Um so schöner sei es deshalb gewesen, viele bekannte Gesichter nun noch einmal wiederzusehen.

Autor:

Verena Wengorz aus Castrop-Rauxel

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